«Das tut uns manchmal selber weh»
24.09.2021 WirtschaftFabienne und Thomas Räber sprechen über die aktuelle Lage im Immobilienmarkt
Sie sind beide Inhaber und Geschäftsführer der Räber Immo GmbH. Vater und Tochter sind auch beruflich ein tolles Team. Fabienne und Thomas Räber sagen, was die aktuellen Herausforderungen auf dem Immobilienmarkt sind, wie sich die Pandemie auf ihre Branche auswirkt und wagen einen Blick in die Zukunft.
Annemarie Keusch
Geld anlegen – eher auf der Bank oder in Immobilien?
Thomas Räber: Für mich ist der Fall klar: Immobilien. Wenn das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt und es finanziell möglich ist und die Chance da ist, etwas zu kaufen, würde ich empfehlen, zu kaufen.
Die Preise erhöhten sich in den letzten Monaten. Das entspricht der Tendenz. Warum ist das so?
Thomas Räber: Ganz einfach, Angebot und Nachfrage. Wer zwischen vier, fünf Angeboten auswählen kann, gibt es eher jenen, die am meisten zahlen.
Das hat zur Folge, dass sich viele den Traum des Eigenheims nicht erfüllen können.
Fabienne Räber: Das stimmt, es wird immer schwieriger. Und im Einfamilienhaus-Segment wird sich das aus unserer Sicht auch nicht ändern. Der Boden in der Schweiz ist beschränkt. Es tut uns manchmal selber weh, zu sehen, wie gerade junge Familien kein Haus erwerben können. Aber es gibt auch schöne Geschichten. Etwa ältere Leute auf dem Land, die auf einen höheren Erlös verzichten, um das Haus einer jungen Familie aus dem Dorf zu verkaufen. Aber am Schluss entscheidet immer der Verkäufer.
Was raten Sie einer vierköpfigen Familie, die mit einem Budget von einer Million Franken ein Eigenheim sucht?
Fabienne Räber: Nicht aufgeben. Es gibt immer wieder Möglichkeiten. Sie sollen ihre Suche bekannt machen, auf Plattformen, im Bekanntenkreis, bei Immobilienfirmen.
Thomas Räber: Auch wir haben einen Interessenten-Pool. Wenn es uns die Verkäufer erlauben, streuen wir Angebote in diesem Pool, bevor wir sie publik machen. Wichtig ist, dass die Finanzierungsabklärung im Vorfeld schon gemacht ist, um bereit zu sein, wenn es ein passendes Angebot gibt.
Es sind wenige Einfamilienhäuser im Angebot. Welche Folgen zieht das mit sich?
Thomas Räber: Grössere Wohnungen lassen sich viel besser vermieten als in den letzten Jahren. Die Leute sind wieder eher bereit, etwas Teureres zu mieten, weil es schlicht nichts dergleichen zu kaufen gibt.
Jetzt sind grosse Wohnungen im Trend, vor Jahren setzten Bauherren auf kleine. Hinkt man immer einen Schritt hinterher?
Thomas Räber: Ein Stück weit stimmt das. Früher gab es Leerstände eher bei 4,5- oder 5,5-Zimmer-Wohnungen. Kleinere liessen sich besser vermieten. Dort gibt es aber auch öfter Wechsel. Grössere Wohnungen sind konstanter und aktuell beliebter. Wir haben keine Leerstände bei grossen Mietwohnungen oder Einfamilienhäusern, die vermietet werden.
Die Pandemie scheint der Immobilienbranche kaum etwas anzuhaben. Täuscht dieser Eindruck?
Thomas Räber: In der Immobilienverwaltung und -bewirtschaftung ist uns die Arbeit nicht ausgegangen. Aufgrund von gewissen Prozessanpassungen kam es gar zu Mehraufwänden. Aber anders sieht es im Verkauf aus. Im März letzten Jahres ging zwei, drei Monate gar nichts. Die Leute waren verunsichert, hatten Angst, ihr Haus zu verkaufen. Weitere zwei, drei Monate später verbesserte sich die Lage. Die Leute merkten, dass die Nachfrage, also die Interessenten und Käufer, da sind. Das zog sich so weiter. Anfang dieses Jahres war es plötzlich wieder ruhiger. Die Nachfrage ist zwar weiter gestiegen, Angebote fehlten aber. Das ist gut für die Verkäufer, weil die Preise nach oben gehen, aber es ist schlecht für die Käufer.
Sind diese Schwankungen normal oder eine Pandemieerscheinung?
Thomas Räber: Schwankungen gibt es grundsätzlich immer, warum, ist schwer zu begründen.
Fabienne Räber: Schwankungen gibt es tendenziell mehr bei den Verkäufern. Einen Zusammenhang mit der Pandemie sehe ich höchsten darin, dass ältere Leute, die ein Haus besitzen mit Garten, dies während der letzten Monate sehr schätzten und sich entschieden, dieses noch nicht zu verkaufen.
Im Bünz- und im Reusstal sind die Immobilien noch bezahlbar, wie lange noch?
Fabienne Räber: Wir bemerken bereits jetzt eine Verschiebung. Das beste Beispiel ist Buttwil. Die Preise vor zwei Jahren und jetzt – das ist ein enormer Unterschied. Die Preise auf dem Land sind definitiv auch gestiegen.
Thomas Räber: Wir spüren auch den Druck aus den Regionen Zürich und Zug. Was dort längst nicht mehr bezahlbar ist, ist es bei uns noch. Das führt dazu, dass immer mehr Leute ins Freiamt ziehen.
Es gibt fast keine Gemeinde in der Region, die nicht wächst. Die Infrastruktur stösst an Grenzen.
Thomas Räber: Das sind für die Gemeinden grosse Herausforderungen. Das Beispiel Muri zeigts. Kanalisation, Strom, Wasser, Schulen, Sportanlagen – das Wachstum hat Folgen auf ganz viele Bereiche.
Sie beide leben in Muri. Ist das Wachstum für Sie positiv?
Thomas Räber: Gegen gesundes Wachstum habe ich überhaupt nichts einzuwenden. Aber was ist gesund? Dann, wenn die Infrastruktur nicht nachhinkt, wenn es das Wohlbelnden der Bevölkerung nicht beeinträchtigt. Und ja, Freiraum um seine Wohnung oder sein Haus zu haben ist schön, aber verdichtetes Bauen ist unumgänglich. So lange ein Dorf die Attraktivität mit all ihren Aspekten nicht verliert, ist Wachstum nicht negativ.
Fabienne Räber: Der Platz ist beschränkt. Gegensteuer geben kann auch die Immobilienbranche nicht. Die Bevölkerung wächst, braucht vielleicht pro Person mehr Quadratmeter als früher.
Stadt oder Land? Wie schätzen Sie den Trend ein?
Thomas Räber: Das ist schwierig zu sagen. Wer in der Stadt aufwuchs, will eher in der Stadt leben, wer auf dem Land aufwuchs, dem gefällt es hier besser. Aber gerade in der Pandemie genossen die Leute die Freiräume auf dem Land.
Fabienne Räber: Das Thema Nachhaltigkeit wird immer wichtiger, auch in unserer Branche. Wie sich dies auf den Immobilienmarkt auswirkt, ist schwer zu sagen. Es heisst, in der Stadt zu leben sei nachhaltiger, die Wege sind kürzer, nur wenige fahren Auto. Eine Tendenz anzunehmen, ist darum schwierig.
Wie sieht aktuell der Markt bei den Gewerberäumen aus?
Thomas Räber: Gewerberäume zu vermieten, ist harzig. Aber das ist schon länger so.
Fabienne Räber: In den Städten hat die Pandemie dafür gesorgt, dass gerade grössere Firmen Büroflächen kündigen und ihren Mitarbeitenden Homeoffice bieten. Auf dem Land ist das weniger der Fall. Industriefirmen und KMU wechseln weniger ins Homeoffice.
In einem Mietverhältnis zu leben, ist viel teurer als das Eigenheim. Wäre eine Balance nicht besser?
Thomas Räber: Rein finanziell ist das ganz klar so. Aber die Miete hat auch Vorteile, um viele Themen müssen sich Mieter nicht kümmern.
Die Immobilienblase ist vielerorts ein Thema. Wie sieht es im Freiamt aus?
Thomas Räber: Es gibt auch bei uns fast spekulative Preise. Aber so lange das einzelne sind, besteht keine Gefahr. Die Preise im Freiamt sind nicht generell zu hoch.
Fabienne Räber: Wir rechnen nicht damit, dass es in nächster Zeit eine solche Blase gibt. Gerade im Bereich der Einfamilienhäuser nicht. Mit dem verdichteten Bauen gibt es immer mehr Wohnungen.
Thomas Räber: Aber auch im Bereich der Wohnungen sehe ich nicht die Gefahr einer Blase. Wenn es nicht um Grossinvestoren wie Pensionskassen geht, stelle ich fest, dass oft mit einem Mix gebaut wird – Mietwohnungen und Eigentumswohnungen. Die Frage ist zudem, wovon eine solche Immobilienblase abhängt. Solange die Zinssätze so tief bleiben, ist die Gefahr klein. Steigen sie nur um ein oder gar zwei Prozent, werden gewisse Eigentümer Probleme bekommen. Darum empfehle ich, bei den heutigen tiefen Zinsen etwas Geld auf die Seite zu legen.
Räber Immo GmbH
Vater Thomas Räber und Tochter Fabienne Räber führen die Räber Immo GmbH. Beide sind zudem Mitinhaber. Die Firma beschäftigt neun Mitarbeitende. 2012 stieg Thomas Räber bei E. Morf Immobilien ein, per 2014 übernahm er die Firma. Verwaltung und Bewirtschaftung von Immobilien betreut die Firma im ganzen Freiamt. Was den Verkauf von Immobilien betrifft, sind sie über die Kantonsgrenzen hinaus, etwa in Zürich, Zug oder Luzern, aktiv. --ake