Dem Tod ins Gesicht lachen
31.10.2025 Region UnterfreiamtAuftritt der Kabarettistin und Sterbeamme Karin Simon im Reusspark
In ihrer früheren Arbeit als Krankenschwester und auch heute als Trauerbegleiterin und Sterbeamme war und ist Karin Simon immer wieder mit dem Tod konfrontiert. Auf der Bühne beweist sie, dass ...
Auftritt der Kabarettistin und Sterbeamme Karin Simon im Reusspark
In ihrer früheren Arbeit als Krankenschwester und auch heute als Trauerbegleiterin und Sterbeamme war und ist Karin Simon immer wieder mit dem Tod konfrontiert. Auf der Bühne beweist sie, dass man dem Thema mit Witz und Tiefgang begegnen kann.
Chregi Hansen
Wenn das Publikum am Ende eines Abends zum Thema Tod aufsteht und mitsingt, dann hat die Person auf der Bühne vieles richtig gemacht. «Das Leben ist kurz, also lach und tanz’. Weil du dich, wenn du tot bist, noch ausruhen kannst», singt Karin Simon. Und weil mittlerweile alle im Saal stehen und im Takt mitwippen, bittet sie die Organisatoren um ein Foto. «Dann meinen alle, ich hätte eine Standing Ovation gekriegt», schmunzelt sie.
Es ist der Abschluss eines Programms, der die vielen Anwesenden total in Bann gezogen hat. Denn so mutig und humorvoll und dennoch auch feinfühlig hat wohl noch niemand über das Sterben gesprochen wie die Psychotherapeutin und Kabarettistin aus Bayern. Noch immer ist der Tod für viele Menschen ein Tabuthema. «Aber wer A sagt, muss auch B sagen. Und wer geboren wird, muss auch sterben», macht Simon gleich zu Beginn deutlich. Aber dennoch: Ist es angebracht, über den Tod ein Kabarettprogramm zu machen? Diese Frage hat sie sich zu Beginn auch gestellt. Ja, findet sie heute. «Denn alles, worüber wir lachen, verliert seinen Schrecken.»
Kämpfen gegen die Sprachlosigkeit
Als Trauerbegleiterin kommt sie oft in Situationen, in denen die Menschen sprachlos sind, erzählt sie. Angehörige und Sterbende schweigen, weil sie das Gegenüber nicht belasten wollen. «Dabei wissen alle, dass es bald zu Ende ist. Umso wichtiger wäre es, über all die noch unerledigten Dinge zu reden», so Simon. Sie erzählt, wie sie als Clownin einst in ein Krankenhauszimmer kam, in dem alle Angehörige und Personal stumm um die sterbende Oma versammelt waren. Sie habe dann die Grossmutter gefragt, ob sie sich tatsächlich vom Acker mache. «Also nicht ich habe gefragt, sondern die Puppe, die ich immer dabei habe. Ich bin selbst erschrocken über den Spruch», fügt sie an. Im ganzen Raum habe betretenes Schweigen geherrscht. Bis die Oma einen Lachanfall bekommen habe, der das Bett wackeln liess. Danach war das Eis gebrochen.
In ihrem Programm erzählt die 66-Jährige viele Beispiele aus ihrem beruflichen und privaten Alltag. «Alles, was ich sage, ist so passiert», beteuert sie immer wieder. Den humorvollen Umgang mit dem Tod, den musste sie erst schmerzvoll erlernen. Schon im Alter von 15 Jahren musste Karin Simon Abschied von ihrer Mutter nehmen, die viel zu früh verstorben ist. In ihrem früheren Beruf als Krankenschwester hat sie sich bis zum Burn-out aufgerieben. Die darauffolgenden Ausbildungen als Heilpraktikerin, Therapeutin und Sterbeamme sowie ihre künstlerische Tätigkeit als Kabarettistin und Liedermacherin haben ihren Blick aufs Sterben verändert. Und so gibt sie heute in ihrem Bühnenprogramm viele Tipps für den Umgang mit dem Tod. Macht gleichzeitig Mut, das Leben vorher auch zu geniessen. Es heisse immer, im Moment des Todes werde vor dem inneren Auge der Film des eigenen Lebens abgespult. Da wäre es doch gut, es wäre ein schöner Film und nicht bloss langweiliger Alltag, meint Simon treffend.
Lustige, aber auch berührende Momente
Singend und erzählend und unterstützt von ihrer Puppe Babette führt Karin Simon durch den Abend. Da geht es um Menschen, die sterben wollen, die aber von der Medizin und der Pharmaindustrie daran gehindert werden. Um Menschen, die fleissig Beerdigungen besuchen, weil sie sich da den Bauch vollschlagen können – und genau dafür empfiehlt sie, ein schwarzes Tupperware mitzunehmen, das passe besser. Oder um Menschen, die anderen vorschreiben wollen, wie man zu trauern hat. «Was aber, wenn einem Schwarz nicht steht?», fragt sich Simon. Es gibt aber auch berührende Momente. Etwa, wenn sie erzählt, wie sie eine Sterbende durch die letzten Wochen begleitet hat. «Sie wollte, dass ihr Tod etwas Schönes wird. Man stirbt ja schliesslich nur einmal», so die Künstlerin. Und berichtet, wie diese Frau alle ihre Freunde nochmals eingeladen hat und jeder etwas mit nach Hause nehmen durfte – ein ganz besonderes Abschiedsritual. «Ihr grösster Wunsch war es aber, dass an ihrer Beerdigung gelacht wird», berichtet Simon an diesem Abend.
Karin Simon hat aber auch Tipps für die Hinterbliebenen. So empfiehlt sie etwa das Mitmachen in einer Trauergruppe. «Es heisst immer, über Tote soll man nicht schlecht reden. Aber so manches muss raus, sonst kriegt man ein Magengeschwür. In einer solchen Gruppe darf man alles sagen», so ihre Erfahrung. Und sie hat auch einen Tipp fürs ewige Leben bereit. Denn mit dreckigen Füssen lasse Petrus niemanden durch die Himmelstür, singt die Bayerin zur Melodie von «Knockin’ on Heaven’s Door». Denn diese passen nicht zum Engelsgewand. Also einfach aufhören mit Füsse waschen. Dann klappt es auch mit dem Leben.
Wenn der Text plötzlich weg ist
Der Abend im Reusspark stösst auf grosses Interesse. Der Saal platzt aus allen Nähten. Und die Anwesenden sind begeistert vom Auftritt der Kabarettistin. Diese überzeugt durch Authentizität und Spontanität. Selbst einen Texthänger in einem ihrer Lieder bringt sie nur kurz aus dem Konzept. «Das ist mir noch nie passiert, der ganze Text ist weg», meint sie entschuldigend. Und lässt ihren Mann schnell die Bühnenkollegin anrufen, damit diese ihr den Anfang des Liedes liefert. Und so kommt das Publikum doch noch in den Genuss des Lieds über den Ehemann, der so tragisch an den selbst gesammelten Pilzen gestorben ist. Sehr zur Freude der Ehefrau. Der Tod kann eben manchmal auch ein Geschenk sein.


