Den «Schüür-Groove» mitgenommen
25.07.2025 Kelleramt, UnterlunkhofenSommerserie «Auf den Punkt»: Der Schüürball in Unterlunkhofen funktioniert auch in der Halle weiter
An der Hinterdorfstrasse in Unterlunkhofen stehen heute Wohnhäuser. 1998 war hier die Geburtsstunde eines Anlasses, der seither jedes Jahr die ...
Sommerserie «Auf den Punkt»: Der Schüürball in Unterlunkhofen funktioniert auch in der Halle weiter
An der Hinterdorfstrasse in Unterlunkhofen stehen heute Wohnhäuser. 1998 war hier die Geburtsstunde eines Anlasses, der seither jedes Jahr die Anzahl der Leute im Dorf für einen Abend zu verdoppeln vermag.
Thomas Stöckli
Eine Guggenmusik, die Auftritte an Land ziehen will, muss ein Gegengeschäft bieten können. Mario Bürgisser weiss das. Der Präsident der FSG Unterlunkhofen war vor 28 Jahren Auftrittschef der Sumpfer Stilzli und als solcher Mitinitiant der Idee, in Unterlunkhofen einen eigenen Fasnachtsball zu lancieren, als Nachfolger für jenen in Oberlunkhofen, der den Zenit überschritten hatte. Thomas Stutz brachte darauf die Scheune seines Onkels an der Hinterdorfstrasse ins Spiel. «Wir haben ein ganzes Jahr gebaut», blickt Bürgisser zurück. «Mehrstöckig», schiebt er nach. Zwei Lastwagenladungen fast neuwertiges Material konnten im Sommer 1997 von der Badenfahrt-Beiz der ABB übernommen werden.
Jedes Jahr etwas mehr dazu
Im Frühjahr 1998 war dann alles bereit für den Schüürball. «Wir hatten schon bei der ersten Auflage die Hütte voll», so Mario Bürgisser. Eine echte Belastungsprobe für die alte Scheune: «Wenn oben die Leute durchgingen, bröckelte einem unten allerlei von der Decke in den Kafi», veranschaulicht Michael Fischer vom aktuellen Schüürball-OK. Und Bürgisser ergänzt: «Von aussen hat man gesehen, wie der Giebel in Schwingung geriet.» Das wurde selbst den Fasnächtlern zu wild. Mit Spriesswinden sorgten sie kurzfristig für Stabilität. Später wurden zusätzliche Balken und sogar Stahlträger nachgeschoben. Ab dem zweiten Jahr wurde der Festbereich mit einem Zeltanbau bis zur Strasse erweitert. Und so kam jedes Jahr etwas mehr dazu. Die feuerpolizeiliche Inspektion – zuweilen mit bangem Gefühl erwartet – bestanden die Fasnächtler Jahr für Jahr. Auch weil die Löschleitungen bereits präventiv gelegt waren.
Schnee – und Bier von der Rampe
In besonderer Erinnerung bleibt der Schüürball vom 8. März 2004. «Damals lag fast ein halber Meter Schnee und kein Postauto fuhr mehr», blickt Bürgisser zurück. Die Organisatoren stellten sich schon darauf ein, an diesem Abend unter sich zu bleiben. Aber weit gefehlt: «Die Hütte war rappelvoll.» Und das Horrorszenario des Abends, eine Dachlawine könnte das Vorzelt treffen, blieb glücklicherweise auch aus.
Besonders lukrativ war der Ball für die Sumpfer Stilzli, als sich dem OK die Gelegenheit bot, das Bier an einem Rampenverkauf für zwei Franken pro Kiste zu erwerben. So gab es in jenem Jahr Gurten- und Warteck-Bier, «und wir haben den grossen Reibach gemacht», sagt Bürgisser und lacht. So habe man es sich auch leisten können, das Depot-Leergut anschliessend im Altglascontainer zu entsorgen.
Das Ambiente bewahrt
Nach dem Verkauf der Scheune mussten sich die Sumpfer Stilzli in den späten Nullerjahren nach einer neuen Lokalität für ihren beliebten Anlass umschauen. Fündig wurden sie in der Turnhalle, direkt gegenüber. Doch würde der Anlass, der so stark von der verwinkelt-rustikalen Lokalität geprägt war, auch hier noch Anklang finden? «Viele hatten Angst, dass es bei den Besucherzahlen einen Knick geben würde», so Michael Fischer, «das traf aber nicht ein.» Eben gerade, weil die Organisatoren am Konzept mit verschiedenen Ebenen, mit Treppen, Holzelementen und Wagenräder-Dekor, mit Galerie und verschiedenen Blickwinkeln festhielten. «Innen haben wir immer noch Scheunen-Ambiente», bringt es Mario Bürgisser auf den Punkt.
So lockt der «Schüürball» auch ohne Scheune noch 1500 bis 2000 Nasen an, teilweise aus dem Solothurnischen und dem Bernbiet. «Bei uns stehen um 18 Uhr schon Leute an, wenn um 20 Uhr Türöffnung ist», veranschaulicht Michael Fischer den besonderen Status, den der Anlass geniessen darf. Unterlunkhofen sei schweizweit kaum bekannt, der Schüürball in Fasnächtlerkreisen aber eine Marke. Schliesslich vermag der Anlass die Einwohnerzahl von Unterlunkhofen für einen Abend zu verdoppeln. Und das Jahr für Jahr.
Rückhalt in der Region
Eine Gugge allein könnte den riesigen Aufwand, der dahintersteckt, nicht stemmen, zumal die Sumpfer Stilzli wie fast alle Vereine mit Nachwuchssorgen kämpfen. Es fällt zunehmend schwer, Leute zu finden, die bereit sind, sich verbindlich zu verpflichten, sei es für regelmässige Probenbesuche oder für Helfereinsätze.
Entsprechend braucht es die Unterstützung von verschiedenen Vereinen aus der ganzen Region. «Zu Spitzenzeiten sind 100 bis 150 Helfer auf Platz», sagt Fischer.
Durch diese Masse liess sich der Aufbau von fast einer Woche auf drei Tage reduzieren. Für den Abbau muss ein Tag reichen. Um 5 Uhr endet am Sonntagmorgen der Festbetrieb, die Sumpfer Stilzli und ihre Helfer bleiben noch eine Stunde länger – und stehen um 9 Uhr wieder auf der Matte für den Abbau. Bis am Abend muss alles sauber sein. Auch ums Festareal herum. Schliesslich wollen die Fasnächtler das gute Einvernehmen mit Dorfbevölkerung, Schule und Gemeinde nicht aufs Spiel setzen.
Die Serie
In der Sommerserie «Auf den Punkt» werfen die Redaktoren dieser Zeitung einen Dartpfeil auf die Karte einer Gemeinde und begeben sich an den getroffenen Ort. Dort wird dann nach spannenden Geschichten gesucht. --red