Den Traumwagen ertauscht

  10.07.2020 Region Oberfreiamt

Mit dem Bestattungswagen von Marcel Wisler startet die Sommerserie «Liebling auf Rädern»

Seit September 2018 ist der Cadillac Miller Meteor im Besitz von Marcel Wisler aus Sins. Nur 450 Modelle wurden davon weltweit gebaut. Ein Fahrzeug, das die Blicke auf sich zieht.

Susanne Schild

«Das Auto wollte auf eine ganz besondere Art und Weise zu mir kommen», ist Marcel Wisler überzeugt. Vor rund fünf Jahren wurde er zum ersten Mal auf den Bestattungswagen bei einem Autotreffen aufmerksam. «Damals war mir klar, dass ich mir so etwas nie leisten kann.» Doch wie so oft kommt es im Leben anders, als man denkt.

Vor drei Jahren im Autokino Muri wurde er von dem Besitzer des Bestattungswagens auf seinen Buick Regal 1978 angesprochen. Die beiden Oldtimerfans kamen schnell ins Gespräch. «Es stellte sich heraus, dass er von meinem Buick genauso fasziniert war wie ich von seinem Bestattungswagen. Kurzerhand beschlossen wir, die Fahrzeuge zu tauschen.» Dem Vorbesitzer hat er noch eine Art Wertausgleich ausbezahlt. Durch das Tauschgeschäft wurde sein Traumauto für Marcel Wisler erschwinglich. «Für mich ging somit ein grosser Wunsch in Erfüllung.»

Keine «Halloweenkiste»

Marcel Wisler ist sich bewusst, dass er mit dem Fahrzeug viele Blicke auf sich zieht. «Der Bestattungswagen spaltet das Publikum. Von heller Begeisterung bis hin zu Kopfschütteln und konsterniertem Stehenbleiben habe ich schon alles erlebt.» Wisler weiss, dass er eine grosse Verantwortung übernommen hat. «Es geht mir nicht darum, einen Bestattungswagen zu fahren und daraus eine ‹Halloweenkiste› zu machen. Ich möchte ihn würdevoll und im Originalzustand präsentieren.» Der Bestattungswagen sei viele Jahre in Betrieb gewesen. Jetzt in seinem Ruhestand müsse er gehegt und gepflegt werden. Regelmässige Ausfahrten inbegriffen. Diese unternimmt der 45-Jährige immer in spezieller «Ausfahrtskleidung»: Ganz in Weiss mit einem Cowboyhut ist sein Markenzeichen.


«Ich bin kein Grufti»

Sommerserie «Liebling auf Rädern»: Marcel Wisler aus Sins ist begeisterter Oldtimerfahrer

Für viele Menschen hat das Auto eine besondere Bedeutung. In der Sommerserie «Liebling auf Rädern» werden Menschen und ihre Fahrzeuge vorgestellt.

Susanne Schild

Sechs Oldtimer sind mittlerweile im Besitz von Marcel Wisler. Darunter auch ein Cadillac Miller Meteor Baujahr 1974. Der Bestattungswagen ist historisch, einzigartig und alles andere als verstaubt. Durch ein Tauschgeschäft mit seinem Buick Regal 1978 ging er 2018 in seinen Besitz über. Marcel Wislers Autos sind alle über 30 Jahre alt. Zwei davon fährt er regelmässig als Alltagsauto. «Oldtimern haftet etwas Nostalgisches an. Im Gegensatz zu windkanalkonformen, modernen Sportwagen, die gar nicht genug PS unter der Motorhaube haben können und mit einer beeindruckenden High-Tech-Ausstattung aufwarten, scheint Oldtimern so etwas wie eine ‹Seele› innezuwohnen.» Marcel Wisler gefällt die Schlichtheit und Einfachheit von Technik und Ausstattung. «Ich bin mit sehr wenig zufrieden», meint der 45-Jährige. Er verzichtet gerne auf das Moderne. «Es schüttelt und quietscht, es gibt keine Klimaanlage, sondern der Fahrtwind weht einem durchs Haar.

Alles andere als von der Stange

Weniger schlicht hingegen ist sein Cadillac Miller Meteor. Nur 450 Modelle wurden davon produziert, wie viele heute noch existieren, ist nicht genau bekannt. «Das Interieur konnte man damals selbst wählen. Vieles wurde auf Kundenwunsch hin angefertigt.» So habe man beispielsweise frei wählen können, ob der Sarg von der Seite oder von hinten reingeschoben wird oder welche Farbe die Vorhänge haben sollten. «Mein Bestattungswagen ist ein Unikat und nicht von der Stange.» Dennoch geht Marcel Wisler relativ selten zu Oldtimertreffen. «Ich bin lieber für mich. Ich fahre durch die Gegend und suche mir schöne Plätze, ob nun in der Natur oder vor einer Kirche, wo ich mit meinem Cadillac anhalte.»

Das Auto weckt Erinnerungen an vergangene Zeiten

Natürlich zieht er mit seinem Wagen viele Blicke auf sich. «Als ein kleiner Junge mit seinem Vater vor mir den Zebrastreifen überquerte, meinte dieser, das Auto sei «gruusig». Doch negative Äusserungen über sein morbides Gefährt seien eher die Ausnahme. «Viele Leute würden ihm neugierige Fragen stellen und um ein Foto mit seinem Wagen bitten.» Bei vielen kämen dann auch Erinnerungen an ihre Kindheit auf, beispielsweise an die Beerdigung von Marilyn Monroe oder John F. Kennedy, die sie damals im Fernsehen verfolgt hatten. Wie viele Menschen ihre letzte Fahrt in seinem Bestattungswagen gemacht haben, kann Marcel Wisler nicht sagen. «Während ich vorne sitze und fahre, bin ich mir nicht wirklich bewusst, was hinten auf der Ladefläche transportiert wurde. Mir ist aber ein würde- und pietätvoller Umgang wichtig, wenn ich mit den Menschen ins Gespräch komme.»

«Jetzt fehlt nur mehr Oldtimer Nummer sieben»

«Ich persönlich habe aber keine morbide Affinität. Ich bin kein Grufti und will auch keine Halloweenkiste aus meinem Bestattungswagen machen», streicht der 45-jährige Primarlehrer heraus. Mich faszinierten einfach das Auto und seine Geschichte. «Ich stehe mit beiden Beinen fest im Leben und liebe es. Oft haben Menschen das Bedürfnis, über das Tabuthema «Tod» zu sprechen, wenn sie den Bestattungswagen sehen.

Neben den Oldtimern pflegt Marcel Wisler auch Hobbys wie Musik und Pflanzen. Bei jeder Ausfahrt hat er vorne am Kühler zwei Fahnen montiert. Entweder in weiss oder mit einem Kreuz darauf. Natürlich ist er auch standesgemäss gekleidet. «Ich bin immer ganz in Weiss mit einem Cowboyhut unterwegs. Das ist wie der Kilt für den Dudelsackspieler mein besonderes Markenzeichen.» Ein ganz besonderes Erlebnis war für ihn die diesjährige Sonntagsfahrt. «Mit meinem Cadillac durfte ich die Wagenkolonne mit rund 40 Oldtimern anführen. Das war schon etwas Besonderes und eine grosse Ehre für mich.»

Jetzt fehlt Marcel Wisler nur mehr Oldtimer Nummer sieben. Dann könnte er an jedem Wochentag mit einem anderen Wagen fahren. «Mein Traum wäre ein Lincoln Continental Mark V. Das wäre dann mein Sonntagsauto.» Vielleicht findet ja der Lincoln seinen Weg auch eines Tages zu ihm, genau wie der Cadillac.


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