Der Erschaffer kleiner Welten

  16.10.2020 Sport

Handball, 1. Liga: Yorick Kaufmann vom TV Muri vor dem Derby gegen Wohlen (Samstag, 16 Uhr, Bachmatten)

Yorick Kaufmann ist nicht nur ein wirbliger Tornado auf dem Handballfeld, sondern hat auch sonst einige spannende Facetten. Seine Freundin ist ebenfalls Spielmacherin, sein Chef ist ein Stararchitekt und er modelliert Miniatur-Gebäude für Projekte in New York, Dubai oder Muri.

Stefan Sprenger

Immer wieder haben sich die beiden gesehen. An der Murianer Fasnacht, im «Wave» oder in der Bachmattenhalle. Aurelia Tamburini ist ihr Name. Das Unausweichliche passierte und die beiden hatten ein Date. «Irgendwann ist der Funke gesprungen», erzählt Yorick Kaufmann – und muss dabei laut lachen. Seit zwei Jahren sind sie nun ein Paar. Er ist Spielmacher auf der Hinten-Mitte-Position beim TV Muri. Seine Freundin erfüllt dieselbe Aufgabe beim Frauenteam. «Sie ist klein und fein, dafür sehr schnell. Genau wie ich», so Kaufmann. Mit 1,75 m Grösse und 70 kg ist er keine Handball-Maschine. Aber ein quirliger Zauberer, der trotz grosser Geschwindigkeit meist die richtigen Entscheidungen trifft. «Ich bin mehr der Wirbler als der Shooter», sagt er. Mit 25 Saisontoren ist er aber hinter Carlo Femiano der zweitbeste Skorer des TV Muri. Yorick Kaufmann gehört zu den Überfliegern beim 1.-Liga-Topteam TV Muri.

Dieser junge Mann ist aber nicht nur ein starker Handballer. Was sofort auffällt beim Treffen im Café Kreyenbühl in Muri: Yorick Kaufmann ist ein Typ, der Klartext spricht. Da sagt er beispielsweise: «Unter dem früheren Trainer Zoltan Cordas hat der TV Muri ein wenig seine Seele verloren.» Der Startrainer Cordas war zwischen 2008 und 2014 in Muri – und gleichzeitig beim TV Endingen. So kamen viele auswärtige Spieler in die Bachmattenhalle. Das Niveau war hoch, die Anzahl Einheimischer gering. Es kamen weniger Fans an die Heimspiele. Kaufmann durfte unter Cordas zwar erstmals im «Eis» mittun, doch ein grosser Fan vom Balkan-Trainer war er nie.

«Paul Stöckli hat uns gerettet»

Sein Trainer heisst Paul Stöckli. Unter ihm trainierte er bei den Junioren, der zweiten Mannschaft und im «Eis». «Stöckli verkörpert den TV Muri wie kaum ein anderer. Unter ihm habe ich viele Schweissperlen geschwitzt», so Kaufmann. Nach Cordas übernimmt Stöckli, und mit ihm kehren auch das Vereinsleben und der Teamgeist zurück ins Klosterdorf. «Paul Stöckli hat uns gerettet», meint Kaufmann.

Für seine 23 Jahre wirkt er reif, cool und abgebrüht – und das auf und neben dem Handballfeld. Er ist trotzdem locker, wortwitzig und «eigentlich immer gut drauf», wie er meint. Der TV Muri ist ihm wichtig. «Ich brauche den Handball. Ohne Bewegung werde ich zittrig und nervös», sagt er. Fast noch wichtiger als der Sport ist ihm ein gesunder Teamgeist. Stöckli brachte diesen zurück und Claude Bruggmann, der seit 2016 Trainer ist, zog dies weiter. «Er brauchte einige Zeit, bis er begriffen hat, wie es in Muri läuft», sagt er lachend. Nach dem Spiel gibt es eben ein Bier – in der Halle oder im «Wave». Das muss einfach sein für einen starken Spirit. «Der Zusammenhalt in der Mannschaft war schon lange nicht mehr so gut wie in dieser Saison», meint Kaufmann.

«Ich vermisse meinen Bruder»

Das sagt der Spielmacher, obwohl das Team – und ganz besonders er – einen herben Verlust hinnehmen mussten. Linkshänder und Leistungsträger Tobias Kaufmann hat den TV Muri aufgrund seiner Ausbildung (Sportlehrer in Magglingen) im Sommer verlassen. Der grosse Bruder von Yorick Kaufmann war von Anfang an – als er mit sechs Jahren mit dem Handball angefangen habe – ein Vorbild für ihn. «Ich vermisse ihn sehr.»

Der grosse Bruder Tobias wird momentan stolz sein. Denn Yorick Kaufmann und dem TV Muri läuft es bestens. Von fünf Spielen hat man vier gewonnen. Der Lohn ist der 2. Rang. Wieso läuft es so rund? «Wir kamen gut ins Rollen. Wir haben eine gute und ausgeglichene Truppe, aber da ist auch Glück dabei», so Kaufmann.

Glück, das hatte er nach eigenen Aussagen auch bei der Berufswahl. Er übt den seltenen Job des Architekturmodellbauers aus. Heisst: Er erstellt die Projekte von Architekten in Miniatur-Form. In Handarbeit, mithilfe der modernen Technik. Es ist ein Handwerk, das wegen 3D-Druckern und Computer-Visualisierungen auszusterben droht. Nach seiner vierjährigen Lehre arbeitete er in Hünenberg bei einer Firma, die auch mit Eisenbahnmodellbau zusätzlich Einnahmen macht.

Sein Chef ist der Erbauer des Kanti-Eingangs in Wohlen

Seit Frühling hat er eine neue Stelle. Und was für eine. Yorick Kaufmanns neuer Chef ist eine gigantische Nummer als Architekt. Ob Bahnhof Stadelhofen, Bahnhof Lyon-Saint-Exupéry oder die Transit Hall beim World Trade Center in New York – Santiago Calatrava, Architekt, Bauingenieur und Künstler, hat schon so manches besondere Werk erschaffen. In Jerusalem, Venedig oder Chicago. Calatrava hat Büros in Zürich, New York und Dubai.

Und – wie es der Zufall will – hat der Star-Architekt auch im Freiamt Spuren hinterlassen. An der Kanti Wohlen sorgte er mit für ein Stück herausragende und zeitgenössische Architektur. Die Dachkonstruktionen über dem Eingang, im Zentralbereich, in der Mediothek und in der Aula gehören zu den frühesten Werken des spanischen Architekten Santiago Calatrava.

«Er ist ein fairer und sympathischer Chef», sagt Yorick Kaufmann, der im Büro von Calatrava einer von total sechs Modellbauern ist, die viele der Projekte des Star-Architekten in Dubai oder New York als Modelle erstellen. «Ein toller Job, der mich jeden Tag reizt.»

Ziel ist die Aufstiegsrunde

Yorick Kaufmann ist momentan im Militär-WK. Doch wenn er am Freitag in seine Wohngemeinschaft, die er gemeinsam mit Jugendfreund und Handballer Marco Nietlispach hat – nach Hause kehrt, wird das Derby gegen Wohlen Gesprächsthema Nummer 1 sein. «Vor dem Derby herrscht besondere Stimmung», meint Kaufmann. Er selbst spielte schon in einer Spielgemeinschaft mit Wohlen bei den U15-Junioren, deshalb ist die hitzige Rivalität von früher nicht mehr so vorhanden. «Aber gegen Wohlen will man einfach gewinnen», meint der Hinten-Mitte-Mann, der in dieser Saison aufgrund der Schulterprobleme des anderen Spielmachers Jan Heusi viel Einsatzzeit erhält.

«Wenn Wohlen Feuer fängt ...»

Der Favorit ist der TV Muri. Aber: «Wenn Wohlen Feuer fängt, dann wird es schwierig, sie zu stoppen.» Für den 23-Jährigen ist das Saisonziel klar: «Wir wollen in die Aufstiegsrunde. Es gibt aber noch einige Hürden zu meistern. Eine davon heisst Wohlen. Diese wollen wir meistern – und nach dem Spiel darauf anstossen.»


Wohlen will «die Überraschung»

Handball, 1. Liga: Die beiden Trainer vor dem Derby zwischen Muri und Wohlen

Schlusslicht gegen Spitzenteam, Aussenseiter gegen Favorit, Wohlen gegen Muri. Alles spricht vor dem Freiämter Derby für die Klosterdörfler. Doch im Derby herrschen eigene Gesetze.

Beim Treffen vor dem Saisonstart wurde klar, wie gegensätzlich die beiden Trainer der Freiämter 1.-Liga-Teams doch sind. Claude Bruggmann, 42 Jahre alt, ein absoluter Realist. Generoso Chechele, 41 Jahre alt, oftmals ein emotionaler Träumer. Verstanden haben sich diese beiden Typen trotzdem bestens.

Der TV Muri, der eigentlich kleinere Brötchen backte, mischt nach vier Siegen aus fünf Spielen ganz vorne in der Tabelle mit. Das ist eher unerwartet. Handball Wohlen, dessen Trainer Chechele auch einen Spitzenplatz nicht ausschloss, steht mit erst einem Saisonsieg am Tabellenende. Das war eher zu erwarten. nun duellieren sie sich im ersten Freiämter Derby in der Bachmattenhalle.

Bruggmann sagt zur bisherigen Saison seines Teams: «Ich bin sehr zufrieden.» Besonders gut sei gewesen, dass die Mannschaft nicht von einem oder zwei Spielern abhängig gewesen ist, sondern der TV Muri konnte auf verschiedenen Positionen Tore erzielen. «Die Verteidigung funktioniert auch gut», so Bruggmann. Schlecht war das Muotathal-Spiel, «da waren wir nicht bereit und dachten, es läuft von alleine». Muri ist auf dem 2. Rang, schnuppert an der Aufstiegsrunde. Dazu meint der Trainer: «Wenn wir Altdorf auswärts besiegen, könnte die Aufstiegsrunde ein Thema werden.» Vor dem Freiämter Derby kann er aus dem Vollen schöpfen – alle Spieler sind fit. Zur Taktik meint Bruggmann: «Wir haben uns zwei Spiele von Wohlen angeschaut und werden versuchen, eine geeignete Verteidigung zu stellen. Im Angriff haben wir genügend Varianten.»

«Unser Spiel spielen», dass will auch Wohlen-Trainer Chechele. Es erscheint logisch, dass er mit der Tabellensituation nicht zufrieden ist. Letzter will niemand sein. Allerdings sagt er: «Der emotionale Cupsieg in Frick, der Höhepunkt im Cup gegen das NLA-Team aus Basel, die vielen jungen Spieler, die sich positiv entwickeln – abgesehen von der Tabellensituation bin ich zufrieden mit der Saison.» Er sei überzeugt, dass man bald die Früchte ernten könne. Mangelhaft waren die vielen Absenzen der Spieler.

Gegen den TV Muri ist sein Team «geladen und top motiviert», wie Chechele erzählt. Ausser Spielmacher Andreas Stierli (Daumenbruch) sind alle Spieler dabei. «Ich habe einen grossen Glauben in mein Team. Muri ist Favorit. Wir sind Aussenseiter. Aber wir können und wollen trotzdem die Überraschung schaffen». Dazu müsse man sich aber gegenüber der Pleite gegen Emmen (33:44) vom letzten Wochenende einiges steigern. «Vorne unser Spiel durchziehen, hart verteidigen und diszipliniert zurückrennen», so die Taktik der Wohler. «Und am Ende mindestens ein Tor mehr haben als Muri.» --spr


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