Der Facettenreiche
10.10.2025 Sport, Fussball1. Liga classic: Noah Lüscher-Boakye vor dem Spiel Solothurn – Wohlen (Sa, 16 Uhr)
Profivertrag, Nachwuchsnationalspieler, Content Creator, berühmter Bruder. Aus dem Leben von Noah Lüscher-Boakye gibt es viel Spannendes zu erzählen. Nach ...
1. Liga classic: Noah Lüscher-Boakye vor dem Spiel Solothurn – Wohlen (Sa, 16 Uhr)
Profivertrag, Nachwuchsnationalspieler, Content Creator, berühmter Bruder. Aus dem Leben von Noah Lüscher-Boakye gibt es viel Spannendes zu erzählen. Nach auskurierter Verletzung möchte er bald wieder für den FC Wohlen treffen.
Josip Lasic
Der Name Sinisha Lüscher ist in der Schweizer Sportwelt bekannt. Der 19-Jährige sorgte beim diesjährigen Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest im Glarnerland für Aufsehen. Mit fünf Siegen, zwei «Gestellten» und nur einer Niederlage sicherte er sich Rang 7d und seinen ersten eidgenössischen Kranz. Er ist Eidgenosse, ein «Böser». Doch das reicht ihm nicht. Sein Ziel: der erste dunkelhäutige Schwingerkönig zu werden. Vor einem Jahr verriet er, dass er eigentlich «Boakye» heisst. Der Sohn eines Ghanaers und einer Schweizerin verschwieg den ghanaischen Nachnamen, weil er dachte, dass seine Hautfarbe im Schwingsport schon genug Schwierigkeiten mit sich bringt.
Sein fünf Jahre älterer Bruder Noah ist ebenfalls ein talentierter Sportler. In Fussballkreisen kennt man ihn seit jeher mit dem Doppelnamen Lüscher-Boakye. Seit rund einem Jahr spielt Noah Lüscher-Boakye beim FC Wohlen. Im Gegensatz zu seinem Bruder hat es für ihn in seiner Sportart nicht ganz nach oben gereicht. «Sinisha hat alles, was mir immer gefehlt hat», sagt er. «Er hat einen eisernen Willen, Disziplin, ist fokussiert und kennt auf dem Weg zu seinen Zielen kein Pardon.»
Schneller Aufstieg, harter Aufprall
Die Brüder wachsen in Uerkheim und Kölliken auf und starten beim FC Kölliken mit Fussball. Sinisha wechselt im Alter von zwölf Jahren zum Schwingsport. «Für mich wäre das nichts gewesen», sagt Noah Lüscher-Boakye lachend. Es beweist genug Talent im Fussball. Mit zwölf Jahren wechselt er zum SC Zofingen und kurz darauf in die Juniorenabteilung des FC Aarau.
Anfang 2018 erhält er einen Profivertrag und wird wenig später mit 16 Jahren, 6 Monaten und 5 Tagen der jüngste in der Challenge League eingesetzte Spieler. Siebenmal darf er für das Fanionteam der Aarauer auflaufen, wird für das U18-Nationalteam aufgeboten. Dann wird er an den FC Baden und an Thalwil ausgeliehen. Sein Vertrag in der Kantonshauptstadt läuft aus – und wird nicht verlängert. Was ist passiert? «Ich muss sagen, dass ich wohl einfach nicht gut genug war. Und auch nicht diszipliniert genug.» Es folgt ein Wechsel zum FC Wettswil-Bonstetten. Unter dem Wohler Sergio Colacino fasst er Fuss in der 1. Liga classic, spielt, erzielt Tore. Aus dem Profifussball wird nichts. «Ein Kindheitstraum ist geplatzt. Vor allem ging es so schnell.»
Auch in Wohlen Rückschläge
Mittlerweile hat er damit abgeschlossen. «Ich habe einen Neuanfang benötigt, konnte nicht im selben Umfeld bleiben.» Er zog nach Zürich, arbeitet jetzt in Thalwil und plant ein Marketingstudium. Sein Weg in Richtung Profifussballer hatte seiner Ansicht nach eine gute Seite. «Sinisha hat mich als grossen Bruder beobachtet. Er hat gesehen, was ich richtig gemacht habe und was falsch, und konnte seine Lehren ziehen.»
Der Fussball hat ihm das Herz gebrochen, also hat sich Noah Lüscher-Boakye seiner zweiten Leidenschaft gewidmet. Er engagiert sich als Content Creator im Bereich Mode. «Ich mache kleine Videos über Trends und lade sie auf sozialen Medien hoch. Dadurch verdiene ich zusätzlich etwas Geld.» Den Fussball hat er jedoch nicht aufgegeben. In Wohlen kann er mit Santiago Brunner zusammenspielen. «Er ist mein bester Freund, seit ich zwölf Jahre alt bin. Allgemein haben wir ein grossartiges Team. Durch die vielen jungen Spieler und das ganze Umfeld fühlt es sich wieder so an, als wäre ich in einem Proficlub.» Lüscher-Boakye hat auch einen Traumstart in Wohlen. Bei seinem ersten Spiel gegen Besa Biel trifft er gleich. Seither wartet der Stürmer auf ein weiteres Tor. Allerdings war er lange verletzt. In dieser Saison kam er erst am fünften Spieltag zum ersten Einsatz und spielt sich langsam in das Team zurück.
Schritt für Schritt
Der Stürmer benötigt ein Tor und gibt zu, dass er sich vielleicht zu stark unter Druck setzt. «Ich war lange weg und bin froh, wieder spielen zu können. Manchmal will ich aber zu viel auf einmal. Ich muss geduldiger mit mir sein.» Aus seinen Aussagen ist spürbar, dass sein jüngerer Bruder nicht der einzige ehrgeizige Sportler in der Familie ist. «Er ist aber zwei bis drei Stufen extremer. Sinisha hat hohe Ziele und arbeitet sehr hart dafür.» Noah Lüscher-Boakye zeigt aber, dass er durch seine Erfahrungen gelernt hat. Den bisherigen Saisonverlauf der Mannschaft sieht er ähnlich wie seinen eigenen. «Nicht schlecht, aber da ist mehr machbar. Auch wir müssen aber mehr Geduld haben. Das Team hat viel Potenzial, aber wir mussten uns einspielen und die verletzten Spieler zurückkehren. Jetzt sollten wir Spiel für Spiel nehmen. Schritt für Schritt. Die Entwicklung ist da.»
Das nächste Spiel für den FC Wohlen findet morgen Samstag, 16 Uhr, beim FC Solothurn statt. Vielleicht gelingt Noah Lüscher-Boakye der nächste Schritt und er trifft wieder. Und vielleicht gewinnt der FCW dadurch und macht einen Schritt nach vorne in der Tabelle. Wenn Sinisha Lüscher-Boakye eines Tages tatsächlich Schwingerkönig wird, hat er Schweizer Sportgeschichte geschrieben. Sein älterer Bruder hat immer noch die Möglichkeit, im Freiämter Sport für Furore zu sorgen.