Der Glücksbringer
11.11.2022 SportBob: Olympionikin Melanie Hasler trifft Weltmeister Max Forster
Er ist 88 Jahre alt und wurde vor 50 Jahren Bobweltmeister. Sie ist 24 Jahre jung und ist die beste Bobfahrerin der Schweiz. Der Wohler Max Forster und die Berikerin Melanie Hasler haben ein besonderes ...
Bob: Olympionikin Melanie Hasler trifft Weltmeister Max Forster
Er ist 88 Jahre alt und wurde vor 50 Jahren Bobweltmeister. Sie ist 24 Jahre jung und ist die beste Bobfahrerin der Schweiz. Der Wohler Max Forster und die Berikerin Melanie Hasler haben ein besonderes «Date» im Bünzpark in Waltenschwil.
Stefan Sprenger
Der Sound von Pink Panther ertönt. Max Forsters Handy klingelt. «Das ist Erich Schärer. Den muss ich nehmen», sagt Forster. Er spricht kurz mit ihm, legt auf – und büschelt das Handy auf seinem Nachttisch zurecht. «Kennst du Erich Schärer?», fragt Forster. Melanie Hasler lächelt. «Ja, sicher.» Schärer war Olympiasieger und siebenfacher Weltmeister – und gilt als einer der erfolgreichsten Bobsportler überhaupt. Beide blicken sich an und lachen.
Ein Blatt mit Tipps
Es ist nicht das einzige Mal, dass die beiden Menschen für einen flüchtigen Moment eine grosse Verbindung haben. Diese Zeitung fädelte ein Treffen zwischen den beiden Bobathleten ein. Und beide haben sich riesig darauf gefreut. Der Wohler Max Forster erlebte seine Glanzzeiten vor 50 Jahren, als er 1971 Weltmeister wurde und 1968 und 1972 an den Olympischen Spielen teilnahm. «Schön, kommst du mich besuchen», sagt er. Die Berikerin Melanie Hasler hat ihre Glanzzeiten noch vor sich. In diesem Jahr nahm sie erstmals an den Olympischen Spielen teil und steht aktuell kurz vor dem Saisonstart in Kanada. «Es freut mich wirklich sehr, dich kennenzulernen», sagt sie.
Max Forster hat ihr extra ein A4-Blatt ausgedruckt mit Tipps, wie sie noch erfolgreicher wird. Darauf steht: «So wirst du auf Rang 1 kommen.» Die Anweisung: «Punkt 1: Ruhe bewahren. Punkt 2: Beim Start explodieren.» Forster überreicht Hasler das Blatt, gemeinsam mit einem kleinen Herzen und einem Vogel, beide aus Stein. «Das sind Glücksbringer», sagt Forster und ist gespannt auf die Reaktion von Hasler. Die junge Frau ist berührt. «Das ist mega aufmerksam, so lieb. Danke vielmals.»
Forster beobachtet die Karriere von Hasler genau. «Sie ist Freiämterin. Logisch, habe ich ein besonderes Auge auf sie.» Die frühere Volleyballspielerin, die erst seit drei Jahren im Weltcup fährt, hat einen kometenhaften Aufstieg hinter sich. Anfang 2022 startete sie an den Olympischen Spielen. Im Zweierbob und im Monobob fuhr sie in die Top Ten. Max Forster will wissen, wie das so ist in diesem Monobob, allein im Eiskanal. Denn das hat er selbst nie erlebt. «Spannend. Ich finde es schön, dass man auf sich alleine gestellt ist und das Material eine untergeordnete Rolle spielt.»
Haslers Höhenflug soll diese Saison weitergehen. «Ich will immer vorankommen», meint sie, während Max Forster gespannt zuhört und dann meint: «Das klappt. Glaub an dich. Du darfst dich einfach nicht verletzen. Ich habe dir dafür extra aus der Apotheke etwas geholt», sagt Forster. Er sucht in seiner Alterswohnung im Bünzpark ganz wild nach etwas, doch findet es nicht. Schliesslich löst er auf: «Ich habe dir Pferdebalsam gekauft. Das beugt gegen Zerrungen vor. Mir hilft es heute gegen meine Rückenschmerzen.» Forster sucht und sucht. Irgendwann meint er: «Sorry, aber ich weiss nicht mehr, wo ich es hingetan habe.»
«Wie war das damals?»
Die beiden plaudern miteinander, als würden sie sich schon länger kennen. Natürlich geht es meist um ein Thema: das Bobfahren. Melanie Hasler hat Informationen über Max Forster im Internet nachgelesen. «Beeindruckend», findet sie. Der Wohler Max Forster war Ringer, Nationalturner, Unternehmer, Kenia-Reiseleiter, dreifacher Vater und vierfacher Grossvater. Und natürlich Bobfahrer. Weltmeister im Viererbob, doppelter Olympiateilnehmer. «Wie war das damals?», will Hasler wissen. Forster holt aus. Wenn er in Erinnerungen schwelgt, sind die Geschichten unerschöpf lich. Hasler hört geduldig und interessiert zu. Er erzählt von den Rennen in Übersee, in Lake Placid beispielsweise. Dort, wo Hasler in ein paar Wochen zum Saisonstart antreten wird. «Eine schnelle Bahn» – Hasler nickt zustimmend. Er erzählt von den Trainingsmethoden in den 60er-Jahren. «Im Sommer haben wir Anschiebtraining auf der Strasse gemacht.» Hasler lächelt. Heute gibt es spezielle Anschiebbahnen. «Dort habe ich fast den ganzen Sommer über trainiert», meint sie.
«Für welchen Verein fährst du eigentlich?», will Forster wissen. «St. Moritz», antwortet Hasler. St.Moritz, ein Dorf, eine Bahn, die beide sofort erstrahlen lässt. «Das ist meine Lieblingsbahn», sagen beide – und fast gleichzeitig. In diesem Winter findet dort die Weltmeisterschaft statt. «Wer weiss, vielleicht schaffe ich es nochmals nach St. Moritz», meint Forster und sagt, dass er mit seinem «Cadillac» (wie er seinen Rollator nennt) immer noch ziemlich mobil ist. «Wer weiss, vielleicht hole ich eine Medaille», sagt Hasler.
Die junge Bobpilotin will dann von ihm wissen, für welchen Bobclub er damals an den Start ging. «Bobclub Zürichsee», antwortet Forster. «Dort war ich letzthin an der Generalversammlung. Da hat ein junger Bobpilot zu den Menschen gesprochen. Vogt oder so heisst der, ein prima Kerl und ein ganz starker Bobpilot», erklärt Forster. Melanie Hasler muss so laut lachen, dass die Kaffeetasse auf dem Tisch vibriert. «Das ist Michael Vogt, mein Freund.»
«Erzähl von deinen Zielen»
«Erzähl von deinen Zielen in dieser Saison», fragt der «Oldie» gespannt. Hasler wird ernst, erzählt ausführlich, was gerade aktuell ist. Sie ist zu 50 Prozent beim Schweizer Militär angestellt, so kann sie sich voll auf den Sport konzentrieren und braucht sich um die finanziellen Dinge keine Sorgen zu machen. «Ein riesiges Privileg», meint Hasler. Denn alle vier Jahre werden dafür nur 18 Sportler ausgewählt. «So etwas hätte ich auch benötigt», meint Forster.
Beim Treffen Anfang November war Hasler kurz vor ihrem Flug nach Nordamerika. Der Saisonstart in Whistler, Kanada, steht an. «Ich weiss nicht, wo ich stehe. Ich möchte es aber unter die besten 5 der Welt schaffen.» Nach Kanada gehts in die USA, zu den Rennen in Park City und Lake Placid. Im neuen Jahr folgen dann die Wettkämpfe in Europa. Insgesamt 16 Weltcup-Rennen stehen auf dem Programm, acht im Zweierbob, acht im Monobob. Als Hasler alle Weltcup-Orte aufzählt, nickt Forster ständig. Er kennt diese Bahnen fast alle schon aus seiner Bobzeit. «Ich werde die Rennen im Fernsehen mitverfolgen. Gib Gas», sagt er zur rund 60 Jahre jüngeren Hasler. «Das werde ich», verspricht sie. Forster fügt an: «Denk an mich. Und vergiss nicht: Ruhe bewahren und am Start explodieren. Mit dieser Taktik wurden wir damals Weltmeister. Mit dieser Taktik wirst du die Beste der Welt.» Hasler lächelt und meint: «Deine Glücksbringer werden mir auch helfen. Ich werde sie ab sofort immer dabeihaben.» Angesichts dieser Aussage ist der Oldie-Bobfahrer sichtlich gerührt.
«Ich alter Klaus ...»
Bei der Verabschiedung hat auch Melanie Hasler ein Geschenk für Max Forster. Eine Autogrammkarte, auf der steht: «Für Max». Zudem das Versprechen, dass sie ihm aus Nordamerika eine Postkarte senden wird. Als sie sich zum Abschied umarmen, meint der Weltmeister von 1971: «Dieses Jahr bist du ganz vorne dabei.» Und es klingt schon fast wie ein Befehl. «Ich alter Klaus weiss nicht viel, aber ich sehe ein Bobtalent aus 100Metern Entfernung. Und Melanie Hasler ist ein riesiges Talent.» Und jetzt ist die 24-Jährige sichtlich gerührt und sagt: «Danke, Max. Wir sehen uns.» Altmeister Max Forster ist nun irgendwie zum Glücksbringer von Melanie Hasler geworden.