Der Schwarzarbeit auf der Spur
03.05.2022 MuriArbeitsmarktkontrolleurin erzählt im Kino Mansarde aus ihrem Alltag
Sie arbeiten, ohne angemeldet zu sein. Sie arbeiten für wenige Franken Stundenlohn. Oder sie arbeiten viel zu viele Stunden. Arbeitsmarktinspektoren sind ihnen – und vor allem ihren Arbeitgebern auf der Spur. Einen Einblick gewährt der neue Schweizer Film «Schwarzarbeit» – und in Muri Arbeitsmarktinspektorin Barbara Bera.
Annemarie Keusch
Ob das Thema nicht interessiert? Ob es am zu guten Wetter liegt? Ob der Grund darin liegt, dass der Film just an diesem Tag erscheint und noch nicht bekannt ist? Das Kino-Mansarde-Team stellt sich an diesem Abend genau solche Fragen. Die Besucherinnen und Besucher im Kino Mansarde sind an wenigen Händen abzuzählen. «Schade», sagt Leiter Reto Holzgang. Vor allem für Barbara Bera, aber auch für die Besucherinnen und Besucher, die sich diesen Abend entgehen liessen. Denn der Film «Schwarzarbeit» und Beras Erzählungen aus dem Alltag als Arbeitsmarktinspektorin zeigen, dass es Lohndumping, Schwarzarbeit und Ausbeutung auch hierzulande gibt – und wohl öfter, als gedacht. Es sind wenige Branchen, die im Film und in Beras Erzählungen präsent sind: vor allem die Baubranche und die Gastronomie. «Aber auch in Reinigungsbetrieben oder in Coiffeurgeschäften schauen wir regelmässig vorbei», sagt Bera.
Arbeitsmarktinspektoren kontrollieren, ob die Gesetze eingehalten werden, etwa, ob alle Personen auch wirklich arbeiten dürfen, ob sie gemeldet sind, ob ihre Anstellungsbedingungen den gesetzlichen Vorgaben entsprechen. «Wir versuchen, die schwarzen Schafe aus dem Verkehr zu ziehen», sagt Bera. Sie spricht von traurigen Momenten, dann etwa, wenn Arbeitgeber infolge Sanktionen Konkurs anmelden, die Arbeitnehmer ohne Lohn bleiben und einen Monat später wieder eine neue Firma im Handelsregister eingetragen wird. Aber sie spricht auch von schönen: «Es ist eine Genugtuung, etwas Gutes zu tun. Wir setzen uns ein für gerechte Arbeitsbedingungen und dafür, dass die Spiesse bei allen gleich lang sind.»
Oft geht es um ausländische Arbeitnehmer
Mit «Schwarzarbeit» sind die Zuschauerinnen und Zuschauer quasi dabei, wenn Arbeitsmarktinspektoren Betriebe kontrollieren, auf der Baustelle, im Restaurant. «Sie haben quasi meinen Alltag gesehen», sagt Barbara Bera. Dass die gesetzlichen Gegebenheiten nicht eingehalten werden, treffen sie oft bei ausländischen Arbeitnehmern an. «Arbeitgeber suchen extra Leute, die die Sprache nicht beherrschen, weil sie so leichter unter Kontrolle zu halten sind», sagt Bera. Oft arbeiten sie für einen viel zu tiefen Lohn, absolvieren 12-Stunden-Schichten. «Kurz, sie werden ausgebeutet.» Und sie sind die Informanten der Arbeitsmarktinspektoren und doch kann Bera ihnen im Alltag oft nicht helfen. «Auch wenn das schwierig tönt. Wir arbeiten nicht für die Arbeitnehmenden, sondern gegen die Arbeitgebenden, die sich nicht an die Gesetze halten.»
Für die Informanten hat ihre Aussage oft die Kündigung als Folge. «Ja, damit umzugehen ist nicht immer einfach. Es sind viele Schicksale, die wir antreffen.» Dennoch sagt Bera überzeugt: «Unsere Arbeit ist vor allem zugunsten der Arbeitnehmenden.» Es gelte, die Betriebe und Arbeitgebenden aus dem Verkehr zu ziehen, die sich nicht an die Regeln halten. «Flächendeckende Kontrollen sorgen dafür, dass es weniger Lohndumping, weniger Schwarzarbeit gibt.» Statistik zu führen, sei oft nicht einfach. Und Bera sagt: «Die Schwarzarbeit wird in der Schweiz nicht weniger. Aber wir können solche Unternehmen doch nicht wuchern lassen.»
Kontrolleure sprechen viele Sprachen
Immer einfach sei ihr Alltag aber überhaupt nicht. «Es gibt Kontrollen, die an die Nieren gehen.» Etwa, wenn Arbeitnehmer auf der Baustelle bei einer Kontrolle einen Zusammenbruch haben. Und es gebe auch brenzlige Situationen. «Wir haben es oft mit eingeschüchterten Personen zu tun. Es gibt wenige, die aggressiv reagieren, aber es gibt sie.» Oft helfe es, wenn die Kontrolleure mit den Arbeitnehmenden in ihrer Muttersprache kommunizieren können. «In unserem Team decken wir ein breites Spektrum an Sprachen ab», sagt Bera. Zu diesem Team gehören mehrheitlich Männer. Barbara Bera hat in der Arbeitsmarktkontrolle aber ihren Traumberuf gefunden. «Es gibt trotz schwieriger Momente auch ganz viele schöne.»
Auch in diese gab sie den wenigen Besucherinnen und Besuchern Einblick. «Und, gefällt Ihnen mein Beruf?», fragte sie nachher. Wirklich genickt hat niemand, aber verneint auch nicht. Die meisten waren wohl beeindruckt darüber, wie dieser Beruf wirklich aussieht. Und auch ein wenig schockiert darüber, wie viel Vergehen es bezüglich Schwarzarbeit, Lohndumping und Ausbeutung gibt.