Der «Stiefeliryter» ist zurück
20.11.2020 MuriDie Kalkstein-Skulptur ist restauriert und seit dieser Woche wieder an der Marktstrasse platziert
Der «Stiefeliryter» ist in Muri präsent. Einst meineidiger Klostervogt, sind nach ihm eine Guggenmusik, ein Wein und eben eine Skulptur benannt.
Annemarie Keusch
Ein Sympathieträger war der «Stiefeliryter» nicht. Glaubt man den Sagen, war es einer, der nachts Grenzsteine versetzte und nachher unter Eid schwörte, dass das Gehölz im Büttiker Bärholz dem Kloster und nicht den dortigen Bauern gehörte. Kaum meineidig geworden, kippte er tot um, sein Kopf um 180 Grad verdreht.
Es ist die Geschichte des «Stiefeliryters», wie sie in und um Muri viele kennen. Und trotzdem wollte Urs Hänggli eine Skulptur des «Stiefeliryters» vor seiner Liegenschaft an der Marktstrasse 17. «Es soll eine Referenz sein, als Eingangstor zum Klosterbezirk», sagt Urs Hänggli heute, 30 Jahre später. Der Kunstliebhaber vergab den Auftrag damals dem Murianer Bildhauer Romano Galizia.
Von einem Auto umgefahren
Seit 1990 stand die Statue zwischen Chäsi und dem Stoff- und Wulle-Hüsli. Auf Urs Hängglis Grundstück, wo der Notar lange mit Rechtsanwalt Nietlispach ein Büro teilte, obwohl er mit seiner Frau – einer Ex-Murianerin, die ihre Jugendjahre in der Post Aristau verbrachte – längst in Brugg lebte. «Ich erfreute mich immer an der Skulptur. Sie gehört zu Muri», sagt Hänggli, der in Birri aufwuchs. Im letzten Sommer wurde der «Stiefeliryter» weggeräumt. Von einem Auto umgefahren, wies er verschiedenste Schäden auf. Steinmetz Rafael Häfliger aus Wohlen und sein Team restaurierten die Statue und nun steht sie wieder am alten Platz.
Die Kopie bereits befürchtet
Die «Stiefeliryter»-Skulptur von Romano Galizia war kaputt – nun wurde sie fachmännisch geflickt
Der Kopf des Pferdes war weggebrochen. Verschiedenste Ecken fehlten, nachdem im letzten Sommer ein Auto die «Stiefeliryter»-Skulptur an der Marktstrasse umfuhr. Auf Raten der Denkmalpflege kam Besitzer Urs Hänggli mit Steinmetz Rafael Häfliger in Kontakt. Mit seinem Team sorgte Häfliger dafür, dass die Skulptur aussieht wie vorher.
Annemarie Keusch
«Mutter und Kind» beim Spital Muri, die Figurengruppe beim Gemeinschaftsgrab auf dem Friedhof Wohlen, die Schwäne vor dem Schulhaus Merenschwand, der «Güggel» beim Schulhaus Rudolfstetten, die Plastik aus Bronzeblech beim Schulhaus Geltwil, das Priestergrab in Hägglingen – Skulpturen von Romano Galizia sind im öffentlichen Raum im Freiamt keine Seltenheit. Eine fehlt in der unvollständigen Aufzählung. Diejenige, die Kunstliebhaber Urs Hänggli in Auftrag gab: der «Stiefeliryter».
Aus Laufener Kalkstein ist die Figur, die seit 30 Jahren auf Hängglis Grundstück an der Marktstrasse 17 steht. Den Künstler Galizia lernte Urs Hänggli beruflich erst richtig kennen. «Über die Eltern waren wir uns vorher schon bekannt, aber nur flüchtig», sagt Hänggli. Bei den Renovationsarbeiten in der Klosterkirche Königsfelden kamen sie näher in Kontakt. Und das, was Romano Galizia schuf, gefiel Urs Hänggli. Er war es auch, der zum 70. Geburtstag des 2005 verstorbenen Bildhauers einen Bildband initiierte.
Reparatur schien anfangs unmöglich
Dass er eine Skulptur machen lassen will, war ein weiterer Teil seiner Begeisterung. «Der ‹Stiefeliryter› gehört hierhin», sagt Urs Hänggli. Zur Klostergeschichte gehöre die Sage des tyrannischen und meineidigen Klostervogts. «Ich wollte diese Geschichte und den Bildhauer in einem Werk verewigen», erklärt Urs Hänggli. Seit 30 Jahren erfreut er sich an der Skulptur. Auch wenn er mittlerweile pensioniert ist, das Notariatsbüro aufgegeben hat, verwaltet er die Liegenschaft an der Marktstrasse nach wie vor. Überhaupt, die Verbindung zum Freiamt ist bei ihm und seiner Frau, die beide aus dem Freiamt kommen, ungebrochen. «Wir sind gerne in Muri und in der Region. Ein Teil der Familie lebt noch hier. Und wir geniessen gerne die Kultur, die hier geboten wird», sagt Lisbeth Hänggli.
Im Sommer letzten Jahres war es, als die «Stiefeliryter»-Skulptur von einem Auto umgefahren wurde. Der Kopf des Pferdes war abgebrochen, verschiedene Ecken fehlten. «Wir haben schon befürchtet, dass wir eine Kopie anfertigen lassen müssen, wenn wir wieder die gleiche Statue haben wollen», gesteht Urs Hänggli. Die defekte Skulptur reparieren? Auf den ersten Blick schien das unmöglich. Bis über die kantonale Denkmalpflege der Kontakt zum Wohler Steinmetz Rafael Häfliger zustande kam.
Schon die zweite Kollision
Jetzt steht die Skulptur wieder am alten Platz. «Jetzt fährt dort niemand mehr mit dem Auto durch», versichert Lisbeth Hänggli. Blumentöpfe stehen zusätzlich im Weg. «Der ‹Stiefeliryter› sieht wieder aus wie vorher.» Urs Hänggli strahlt. Und auch Rafael Häfliger freuts. Die Hängglis hatten möglichst alle abgebrochenen Teile aufgesammelt. Mittels Steinmehl und verschiedenen mineralischen Zusätzen «klebten» Häfliger und sein Team die Ecken wieder an. Dabei zeigte sich: Die Skulptur wurde schon einmal geflickt. «Ja, es gab schon einmal eine Kollision mit einem Auto», sagt Urs Hänggli.
Riss im Kopf des Pferdes ist kaum mehr zu sehen
Rund ein Jahr verbrachte die Skulptur in Häfligers Werkstatt. «Wir waren extrem ausgelastet, darum dauerte es länger», erklärt er. Weil speziell aufwendig oder schwierig war die Aufgabe für Häfligers Team nicht. «Wir arbeiten oft mit der Denkmalpflege zusammen, restaurieren Wegkreuze, Brunnen oder sind in Kirchen tätig.» Entsprechend waren die Hängglis auch zuversichtlich, als sie in Häfliger einen Fachmann fanden: «Von da an wussten wir, dass es gut kommt.»
Und es kam gut. Der geflickte Riss beim Hals des Pferdes ist kaum mehr zu sehen. Zudem ist die Skulptur neu mit einem Fundament und einer Gewindestange im Innern zusätzlich stabilisiert. Vor neuerlichen Schäden sollte sie also geschützt sein.