Der Stolz der Ortsbürger
17.09.2024 MuriSich und den Rebberg zeigen
Murianer Ortsbürger sind Teil des ersten nationalen Tages der Bürgergemeinden und Korporationen
Er ist der Stolz der Murianer Ortsbürger: der Rebberg. Interessierte erhielten nun einen spannenden ...
Sich und den Rebberg zeigen
Murianer Ortsbürger sind Teil des ersten nationalen Tages der Bürgergemeinden und Korporationen
Er ist der Stolz der Murianer Ortsbürger: der Rebberg. Interessierte erhielten nun einen spannenden Einblick.
Annemarie Keusch
Es ist kein schönes Bild, das die Ortsbürger beim Rebberg präsentieren können. «Lausig», sagt Rolf Stöckli, Mitglied der Ortsbürgerkommission. Viele Blätter der Reben sind braun gefärbt. Trauben sind vor allem auf den Blauburgunder-Pflanzen fast keine zu sehen. «Der Mehltau hat den ganzen Rebberg befallen», erklärt Stöckli. Eine Pilzkrankheit, die für starke Einbussen sorgt. Immerhin darf bei den weissen Riesling-Silvaner-Trauben damit gerechnet werden, dass die Hälfte des Ertrages eines normalen Jahres geerntet werden darf. Und wegen der misslichen Lage rund um die Blauburgunder zeigen sich die Ortsbürger erfinderisch. Sie mischen diese Trauben mit der Gamaret-Sorte – ein Cuvée ist also geplant.
Der Rebberg, die drei Weine «Stiefeliryter», «Klosterfelder» und «Tribus». Sie sind der grosse Stolz der Murianer Ortsbürger. «Dass wir an diesem ersten nationalen Tag der Bürgergemeinden und Korporationen teilnehmen, stand für uns ausser Frage; dass wir den Rebberg zeigen, ebenfalls», sagt Hanspeter Frey, Präsident der Ortsbürgerkommission.
Der Nachmittag wurde abgerundet von zwei Referaten, die bestens zusammen- und zu den Ortsbürgern passen: Wein und Käse.
Wein und Käse: der nationale Tag der Bürgergemeinden und Korporationen in Muri
Dass Wein und Käse gut zusammenpassen, ist nicht neu. Die Ortsbürgergemeinde bewies dies erneut – in theoretischer und praktischer Natur. Zudem zeigte sie der interessierten Bevölkerung ihren Rebberg. Auch wenn heuer die Ernte ziemlich dürftig ausfallen wird.
Annemarie Keusch
Rolf Stöckli erinnert sich an die guten Jahre, die konstanten Jahre. Seit 1995 ist er, der aktuell Mitglied der Ortsbürgerkommission ist, im Rebberg tätig. Er spricht von Jahren, in denen es kleine Frostschäden gab, als Hagel den Rebberg beschädigte. «Aber grundsätzlich lässt sich sagen: die ersten 20 Jahre liefen praktisch immer gleich ab.» Dem ist längst nicht mehr so. In den letzten Jahren spielt das Wetter und damit der Rebberg verrückt. Dem Hagel war geschuldet, dass ein Jahr ganz ohne Ernte blieb, als in einem Tag der ganze Rebberg durch Hagelkörner zerstört wurde. Auch das Folgejahr war mager, weil sich die Pflanzen noch nicht genug erholt hatten. «Und dann kam 2023, ein Rekordjahr. Nun stehen wir wieder hier, etwas ratlos», meint Stöckli.
Viele Blätter weisen braune Flecken auf, Trauben hat es nicht viele. Besonders weh tut einem der Anblick der Blauburgunder, die Gamaret und Riesling-Silvaner sind viel weniger befallen. «Mehltau», erklärt Stöckli. Verschiedene Experten hätten versucht, diesen aufzuhalten, ohne Erfolg. Das laufende Jahr wird wieder ein schwieriges für Stöckli und das Rebberg-Team.
Bio-Wein noch kein Thema
Seit 1973 gibt es den Rebberg in Muri, der eine Fläche von rund einer Hektare umfasst. Nach einer Erneuerung tragen hier drei Traubensorten jährlich Früchte: Riesling-Silvaner, Blauburgunder, Gamaret. «Stiefeliryter», «Klosterfelder» und «Tribus» sind die mittlerweile drei Produkte, die daraus entstehen. Etiketten, Flaschen – vieles hat sich über die gut 50 Jahre verändert. Der Stolz der Ortsbürger auf ihren Rebberg ist geblieben. Und das Interesse. Das zeigte sich auch im Rahmen des nationalen Tages der Bürgergemeinden und Korporationen. Auch wenn sich Kommissionspräsident Hanspeter Frey gewünscht hätte, dass noch mehr als die gut 40 Anwesenden dabei wären.
Sie wollten wissen, warum denn regelmässig Fungizide gespritzt werden müssen. «Weil sonst die nachwachsenden Pflanzenteile nicht geschützt wären.» Und ob denn biologischer Anbau nie ein Thema war. «Bisher nicht. Der Aufwand wäre grösser, es bräuchte neue Rebsorten, andere Maschinen. Aber vielleicht wird es bei der nächsten Erneuerung ein Thema», meint Rolf Stöckli. Vor allem aber erfuhren sie, wie viel Arbeit in einem solchen Rebberg anfällt. Sodass Präsident Frey später am Nachmittag betonen wird: «Kauft und trinkt Schweizer Wein. Wir konnten heute hinter die Fassade blicken und wissen, dass es diesen für 2.25 Franken gar nicht geben kann.»
Auf 15 000 Hektaren
Dazu trug auch Önologe Michael Hänzi bei, der vieles über die Weinproduktion zu erzählen wusste. Sei es, dass Blauburgunder und Pinot eigentlich auf derselben Rebsorte beruhen, nur auf anderen Untersorten. Oder dass in der Schweiz auf 15 000 Hektaren Fläche Weinbau betrieben wird. Wenig im internationalen Vergleich. Und Hänzi weiss, dass rund ein Drittel des in der Schweiz konsumierten Weins auch hier produziert wurde. «Bestrebungen, diese Zahl zu erhöhen, gab es immer wieder, aber es gelingt kaum.» Diesen Sommer seien gerade in der Gastronomie die Einbussen für Weinhändler enorm, ob bei Schweizer oder importiertem Wein. Zudem berichtete er über das Handwerk des Kelterns und über Vorurteile. Etwa, dass im Barrique-Fass ausgebauter Wein als edel gelte. «Dem gilt noch nicht lange so. Entsprechend muss es nicht partout stimmen.»
Die Ortsbürger von Muri auf ihren Wein zu reduzieren, wäre zu einfach. 112 Hektaren Wald. Die Waldhütte Tannenlaube, die jährlich bis zu 120mal vermietet ist. Wenig Bauland. Pachtland für Landwirte. Liegenschaften – das Mehrfamilienhaus am Caspar-Wolf-Weg und die Chäsi. Die Ortsbürgergemeinde ist vielseitig aufgestellt, gesund und aktiv, wie Hanspeter Frey stolz feststellt. Dies gegen aussen zu zeigen, ist eines der Ziele hinter dem nationalen Tag der Bürgergemeinden und Korporationen. «Ortsbürgergemeinden fördern das soziale und kulturelle Leben im Dorf. Auch wir wollen in Muri Positives für die Zukunft beitragen», betont Frey.
300 Tonnen Käse jährlich
Dazu gehört etwa, dass die Chäsi an der Marktstrasse als Laden erhalten bleiben konnte. Dieser wird durch die Brülisauer Käse AG in Künten geführt. Fabian Spielhofer, der seit zehn Jahren dort arbeitet und den Betrieb vor vier Jahren übernehmen konnte, erzählt: «Wir sind eine der zwei letzten traditionellen Käsereien im Aargau.» 1980 gab es noch deren 45. Aus jährlich 2,5 Millionen Kilogramm Milch, produzieren er und sein Team knapp 300 Tonnen Käse – 18 verschiedene Eigenmarken plus zehn Raclette-Sorten. Er berichtet vom Prozess des Käsens, von der Funktion des Labs, vom Lagern und dem Pflegen der Laibe in Kellern. Sieben davon betreibt Spielhofer, in ganz Künten verteilt. Und er berichtet vom Fachkräftemangel, der auch vor seiner Branche nicht haltmacht. «Aktuell bin ich der einzige gelernte Käser im Betrieb.»
Käse und Wein. Das passt. Spätestens beim Apéro kam dies auch kulinarisch zum Ausdruck.




