Der Vorzeige-Diplomat
24.12.2021 NiederwilWalter (Wädi) Koch war zwölf Jahre lang Gemeindeammann von Niederwil – nun ist diese Ära vorbei
Für seine Gemeinde einstehen und sein Niederwil präsentieren. Das hat Walter Koch mit Hingabe gemacht. Zwei Jahrzehnte wirkte er im Gemeinderat, zwölf Jahre davon als Ammann. «Ich erlebte zwanzig schöne Jahre im Gemeinderat», sagt er. Und Niederwil hat sich in dieser Zeit positiv entwickelt.
Daniel Marti
Da muss er nicht lange studieren. Der Job als Gemeindeammann hat ihm mächtig Spass gemacht. Darum gibt es für ihn nur schöne Sachen. Und war es mal etwas ungemütlich, dann war Walter Wädi Koch um Ausgleich und Balance bemüht. Niederlagen sind allerhöchstens da, um daraus zu lernen und um daran zu wachsen, so seine Strategie. Der scheidende Gemeindeammann von Niederwil ist genau deshalb anerkannt – weit über die Gemeindegrenzen hinaus.
Niederwil ist doch cool
«Ich konnte und durfte immer die Gemeinde Niederwil repräsentieren», sagt er heute. Bei der Gemeindeammänner-Vereinigung, beim Regierungsrat, bei den Menschen allgemein. «Das war immer eine schöne Sache», fügt er an. Und nach all diesen Begegnungen durfte er stets das gleiche Feedback erfahren: «Niederwil ist eine coole Gemeinde. Niederwiler sind weltoffene Menschen.» Einen Teil von diesen Komplimenten darf er auch für sich in Anspruch nehmen.
In der Ära von Ammann Wädi Koch ist das Dorf um einen Viertel der Einwohnerzahl gewachsen und der Dorfkern wurde aufgewertet. Darum ziehen die Menschen gerne nach Niederwil, davon ist er überzeugt. «Und politisch haben wir vieles angepackt.» Von der ARA Stetten über die Sanierung und Erweiterung der Schulanlagen bis zur Sportplatz-Einweihung und zum Grossprojekt «Wasser 2035». «Da war Niederwil sogar Mitinitiant», betont er. Die Gemeinde Niederwil fragte nämlich bei der IB Wohlen AG an, wie es denn aussehen könnte mit einer besseren Verbindung zwischen Wohlen und Niederwil. Aus Wohlen kam das Zeichen, dass die Türen jederzeit offen seien und dass diese Angelegenheit grossräumig betrachtet werden müsse.
Das war so etwas wie das Startzeichen zur geplanten Ringleitung fürs Reuss- und Bünztal. Vor knapp zwei Wochen informierte die ibw, dass das Grossprojekt «Wasser 2035» umgesetzt werden kann. «Das ist ein Jahrhundertprojekt mit Nachhaltigkeit», freut sich der Niederwiler Ammann. Als gegenteiligen Punkt nennt er die Fusion der Feuerwehr. Die war ursprünglich mit Wohlen angedacht, klappte dann aber mit Fischbach-Göslikon. «Das zeigt halt, wie es ist in der Politik. Mal klappt etwas, mal eben nicht.»
«Vision 3500» ist eine Punktlandung
Weitere Enttäuschungen gibt es nur ganz wenige. Der im Grossrat abgewiesene Golfplatz beispielsweise. «Das ist echt schade», seufzt Koch, «ein Golfplatz wäre eine tolle Aufwertung gewesen». Oder die mehrfach kritisierte Starkstromleitung, da gibt es noch keine definitive Lösung mit der gewünschten Bodenverkabelung. Nach rund 20 Jahren als Dauerthema sei nichts Entscheidendes passiert. «Dieses Projekt habe ich von meinem Vorgänger übernommen, nun muss ich es meinem Nachfolger übergeben.»
Wädi Kochs Vorgänger war Thomas Peterhans, während acht Jahren arbeiteten die beiden im Gemeinderat noch zusammen. Das Verhältnis sei sehr gut gewesen und habe ihm dann den Einstieg als Gemeindeammann erleichtert, schaut Koch gerne zurück. In all dieser Zeit habe Niederwil über eine «gut funktionierende Verwaltung mit exzellenten Gemeindeschreibern» verfügt. Das habe vieles erleichtert. Und davon werde hoffentlich auch sein Nachfolger Norbert Ender profitieren können, so Koch.
Seine erste Amtshandlung als Gemeinderat vor 20 Jahren war die Eröffnung eines Radweges. Und die erste Amtshandlung als Gemeindeammann vor zwölf Jahren war die Lancierung der «Vision 3500». Die Zahl 3500 hat eine grössere Bedeutung. Es ist die maximal ausgelegte Bevölkerungszahl der Gemeinde. Diese Obergrenze wollte Koch immer im Auge behalten. Vor zwölf Jahren hat er die Planung eingeleitet, damit die Infrastruktur auf diese Grösse der Gemeinde künftig ausgerichtet sein wird. «So erlebten wir keine grösseren Überraschungen, denn diese strategischen Überlegungen wurden immer eingebunden.» Niederwil war in dieser weitsichtigen Angelegenheit immer gut unterwegs. Gegenwärtig geht die Einwohnerzahl Richtung 2900, und zwei grössere Überbauungen mit jeweils 50 Wohneinheiten sind in Planung. Bald wird also die 3000er-Marke überschritten. «Mit dieser 3500er-Strategie haben wir einen guten Job gemacht», darf der Gemeindeammann zufrieden feststellen. Da liegt er absolut richtig. «Wir sind auf Kurs.»
Koch ist in seiner Ammann-Zeit einiges gelungen. Er musste aber auch Opposition in Kauf nehmen. Bei der Garderobenfrage für den FC Niederwil, beim Land Gehren oder kürzlich beim Projekt Asylunterkunft. «Dass nicht immer die gesamte Bevölkerung ein Projekt oder eine Idee toll findet, das gehört doch zur Demokratie», sagt er. «Für mich gibt es bei solchen Auseinandersetzungen nie Sieger oder Verlierer. Denn es ist im Nachhinein ja keine Überprüfung möglich, was effektiv besser war.»
«Ich bin ein typischer Vereinsmeier»
Bei allen Projekten sei er stets Optimist. Wenn es dann anders kommt, dann sei halt viel Arbeit aufgeopfert worden. «Und wenn eine Opposition gelingt und zu einer Mehrheit führt», dann bringt er immer genug Verständnis auf. Als «typischer Vereinsmeier», wie er sich nennt, gehören demokratische Grundsätze einfach zum Leben. Jungwacht, Musik, FC Niederwil – überall war er dabei. Die liegen ihm alle am Herzen. Wie auch die Gemeinde Niederwil. Grundsätzlich hätte Koch die Gemeinde noch weiterführen können. «Theoretisch ja», sagt er dazu. Aber vor vier Jahren kündigte er seinen Rücktritt an. Dies auch mit Weitsicht. Der heute 63-Jährige wird in eineinhalb Jahren als Schulleiter pensioniert.
Darum leitet er jetzt den Übergang ein – und geht sein neues Projekt an. Wädi Koch wagt sich zusammen mit drei Schulkollegen ins Fachgebiet der Winzer vor. Bio-Winzer, wie er präzisiert. In drei Jahren sollen die ersten Flaschen eigener Wein aus Niederwil präsentiert werden können, sagt der Ur-Niederwiler, der im Restaurant Kreuz aufgewachsen ist. Wein, die neue Leidenschaft des aktuellen Ammanns. «Zudem gibt es Ideen für ein Freilichttheater», verrät er. Aber grundsätzlich freut er sich darauf, künftig einfach mehr freie Zeit für sich zu haben.
Für den scheidenden Gemeindeammann ist der Moment, jetzt loszulassen, auch aus anderen Gründen ideal. Die Gemeinde ist gut aufgestellt, alles funktioniert bestens. Bei den Investitionen werde es keine Überraschungen geben. Und der Steuerfuss liegt bei 99 Prozent. Darauf sei er stolz, sagt Koch. Vor 20 Jahren, bei seinem Antritt als Gemeinderat, lag dieser Wert über 20 Prozent. «Wir haben gut gewirtschaftet.»
Für regionale Zusammenarbeit
Mit Wädi Koch verlässt eine Persönlichkeit die Bühne der Gemeindeammänner. Einer, der sich nie in den Mittelpunkt stellte. Und immer die regionale Zusammenarbeit suchte. Wohlen sei wohl das Zentrum für viele Niederwiler, glaubt er. Aber es gibt Zusammenarbeit in irgendeiner Art mit Fischbach-Göslikon, Tägerig, Künten, Stetten, Hägglingen, Bremgarten, Mellingen und Wohlen. «Niederwil ist immer für regionale Arbeit eingestanden, Alleingänge sind in der Regel schlecht.» Der stete und anständige Austausch sei wichtig, sagt Wädi Koch, der folgerichtig auch als Vorzeige-Diplomat gilt.
Koch gehört der Mitte an – und fühlt sich dort wohl. Trotzdem sei er halt nicht der typische Politiker, meint er dazu. Wädi Koch: «Ich habe stets für Niederwil das Beste rausholen wollen und gleichzeitig trägt Niederwil viel für die Region bei.» Auch das ist ihm– wie so vieles – sehr gut gelungen.
Vizeammann lobt Zusammenarbeit
Auch Gemeinderat Peter Gauch beendet die Polit-Karriere
Er war in den letzten acht Jahren immer an der Seite von Gemeindeammann Wädi Koch. Peter Gauch war zwölf Jahre im Gemeinderat tätig, davon die letzten acht Jahre als Vizeammann. «Ich hoffe, dass ich alle Aufgaben, die wir erhalten haben, zur Zufriedenheit der Bevölkerung lösen und ausführen sowie Visionen aufgleisen konnte», so zieht Gauch Bilanz über seine Tätigkeit. «Die Zusammenarbeit mit Ammann Koch sei «stets super und interessant» gewesen. Diese Einschätzung trifft jedoch auf den ganzen Gemeinderat zu, so der scheidende Vizeammann.
Welches waren aus seiner Sicht die Highlights und was war die grösste Enttäuschung während den letzten zwölf Jahren im Gemeinderat? Laut Gauch gibt es diverse Highlights, und er mag gar nicht alle aufzählen. «Vor allem, dass ich zwölf Jahre lang für die Gemeinde an der Front mitwirken durfte», diese Tatsache sticht für ihn heraus. Darum gab es für ihn auch keine Enttäuschungen. «Ich versuchte, das Bestmögliche für die Bevölkerung zu erreichen – und nicht für mich. So konnte ich immer mit jedem Entscheid umgehen.» Und langweilig wird es Peter Gauch nach der politischen Karriere nicht. Er werde sich diversen «schönen und gemütlichen» Anlässen zuwenden, sagt er. Und die Lücke sei bereits gefüllt. --dm