Die ganz grosse Gemüsevielfalt
23.09.2022 Region OberfreiamtDas Projekt «Sälberernte» in Wallenschwil hat die erste Saison fast hinter sich
Sie pflanzen zig Gemüsesorten an. Die Kundinnen und Kunden mieten ihre Felder und ernten selber, was dort wächst. Das ist das Konzept von Astrid Elsässer und Markus Wolfisberg. Und dieses kommt an. 42Felder vermieteten sie in ihrer ersten Saison. Und die beiden haben Pläne, wie das Projekt wachsen und rentabel werden kann.
Annemarie Keusch
Im Frühling war noch alles braun. Die Beete, die Wege zwischen den Beeten. Und jetzt ist alles grün. Überwuchert könnte man es nennen. Üppig angepflanzt würden es wohl Astrid Elsässer und Markus Wolfisberg beschreiben. Da wachsen Zucchetti, noch hat es an einigen grosse Exemplare, die noch geerntet werden können. Daneben strecken sich erst vor zwei Wochen gesetzte Salatsetzlinge der Sonne entgegen. Tomaten wechseln hinter der Plastikkonstruktion von grüner zu roter und damit reifer Farbe. Krautstiel ist noch da, auch Kohl und, und, und. «Es läuft gut», sagt Astrid Elsässer und lässt ihren Blick über das Feld schweifen. «Der viele Sonnenschein sorgte für üppiges Wachstum. Das ist natürlich toll.»
Und auch sonst hat sich auf dem «Sälberernte»-Feld einiges verändert. Enten schnattern und Ziegen meckern. «Die Enten fressen die Schnecken und die Ziegen beschützen die Enten», erklärt Astrid Elsässer. Eine weitere Attraktion sind die zwei Turopolje-Schweine. «Eine Rasse, die das ganze Jahr durch draussen sein kann», erklärt Markus Wolfisberg. Diese beiden Schweine seien weitherum bekannt. Und für das Projekt der beiden sind sie nützlich. «Sie pflügen den Boden um, fressen Wurzelunkräuter», erklärt Wolfisberg. Ein wichtiger Bestandteil der Fruchtfolgeflächen, wie es Wolfisberg und Elsässer geplant haben.
Wöchentliche Ernte-Mails
Wirklich Anhaltspunkte hatten die beiden im Frühling nicht. Aber sie waren überzeugt von ihrer Idee. Überzeugt davon, dass es funktionieren kann, für Abonnentinnen und Abonnenten verschiedenste Gemüsesorten anzupflanzen. Ihnen das Jäten, das Pflegen abzunehmen, dafür das Erlebnis des Erntens zu ermöglichen. Nun ist die erste Saison bald beendet. «Bis Mitte Oktober wird es wohl noch frisches Gemüse haben auf dem Feld», sagt Astrid Elsässer. 42 Abonnenten belieferten sie wöchentlich mit Ernte-Mails. Wiesen darauf hin, welches Gemüse erntereif ist, und schickten auch gleich Ideen mit, was mit dem jeweiligen Gemüse gekocht werden kann. «Diese Tipps kamen sehr gut an», sagt Wolfisberg.
Besonders geschätzt werde die grosse Vielfalt. «Beim Einkaufen im Laden greifen viele Kunden immer zu denselben Gemüsesorten. Hier lernten sie Neues kennen. Unser Projekt ist für die Abonnenten auch eine Horizonterweiterung.» Besondere Vorfreude haben sie auf die reifen Edamame festgestellt. «Eine Sojabohnensorte, die bei uns noch kaum bekannt ist», erklärt Astrid Elsässer. Auch das gemeinsame Kartoffelnausgraben sei ein grosses Highlight gewesen.
Grössere oder kleinere Zucchetti
Alle mindestens wöchentlich, die einen täglich. Die Abonnenten hätten sich um ihr Feld gekümmert, sich dafür verantwortlich gefühlt. «Vor Ort gaben wir ihnen gerne Tipps auf den Weg. Aber es war auch schön zu sehen, dass die einen ihre Zucchetti viel grösser wachsen lassen, während ich sie eher kleiner ernten würde.» Einige ihrer Kunden bringen Gartenerfahrung mit, probieren vieles aus. «Manchmal darf ich schon nicht allzu genau hinschauen, einfach, weil ich es ganz anders machen würde», sagt die gelernte Gemüsegärtnerin Astrid Elsässer und lacht. «Viele fragen mich auch und ich gebe mein Wissen gerne weiter.» Es ist eine Idee, die die beiden für die nächsten Jahre hegen: Gartenkurse zu geben. «Wir nehmen das Interesse als gross wahr.»
Wie die Abonnentinnen und Abonnenten mit dem Angebot zufrieden sind, können Elsässer und Wolfisberg nur mutmassen. «Aktuell läuft eine Umfrage. Wir sollten bald mehr wissen. Aber die Rückmeldungen, die zu uns kommen, sind durchwegs positiv», erklärt Markus Wolfisberg. Sie hätten mehr Gemüse gegessen, war eine davon. Andere bissen direkt auf dem Feld in eine Kohlrabi und erfreuten sich am ganz anderen und viel besseren Geschmack. «Für einige war die Menge fast zu viel, aber sie verschenkten das Gemüse in ihrem Umfeld weiter», weiss Elsässer. Den Tiefkühler hätten sicher alle gefüllt für den Winter. Was die beiden überrascht hat, ist die Herkunft der Kundinnen und Kunden. «Wir rechneten vor allem mit Familien und Leuten, die im urbaneren Muri in Siedlungen leben», sagt Astrid Elsässer und schmunzelt. Nun sind es viele ältere Leute, aber auch Familien aus den umliegenden Dörfern. «Viele leben in Wohnungen oder Häusern, haben selber einen Garten, pflanzen dort aber wenig Gemüse an», erklärt sie. Die Regionalität ist ihr und Markus Wolfisberg wichtig. «Etwa die Hälfte kommt zu Fuss zu uns oder mit dem Velo.»
Tag der offenen Tür am Samstag
Für Astrid Elsässer ist das «Sälberernte»-Feld seit Frühling ein Vollzeitpensum. Davon leben kann sie nicht. «Noch nicht. Wir haben damit gerechnet, dass der Aufwand im ersten Jahr grösser ist.» Erste Erkenntnisse für Vereinfachungen sind da, etwa, dass die begrünten Wege breiter werden, um sie ohne Probleme mit dem Rasenmäher mähen zu können. Und auch andere Änderungen sind vorgesehen. «Dieses Jahr kauften wir alle Setzlinge zu, im nächsten Jahr ziehen wir sie selber und verkaufen auch solche.» Wolfisberg und Elsässer gehen den eingeschlagenen Weg weiter, erweitern die «Sälberernte»-Fläche, planen mit einem zweiten Abonnement, mit dem Gemüse nach Hause bestellt werden kann.
Morgen Samstag, 24. September, 11 bis 16 Uhr, zeigen Astrid Elsässer und Markus Wolfisberg ihr Projekt erneut an einem «Tag des offenen Gartentors». «Unsere Kunden erklären vielen Passanten, was hier angeboten wird. Wir wollen uns nochmals allen zeigen.» Zeigen, wie viele unterschiedliche Gemüsesorten hier üppig wachsen. Und wie die Enten die Schnecken fressen, die Ziegen die Enten beschützen und die Schweine den Boden pflügen. Ein ganz natürlicher Kreislauf eben.