Dynastie endet

  09.07.2021 Region Unterfreiamt

Die Firma Josef Wey Holzbau schliesst nach fast 100 Jahren ihre Türe

1923 gegründet, vor wenigen Tagen geschlossen. Nach drei Generationen schliesst Josef Wey das Traditionsunternehmen Josef Wey Holzbau. Der 63-Jährige macht dies nicht freiwillig. Aber aus gutem Grund.

Stefan Sprenger

Alles leer. Alles weg. Erleichtert stehen Josef Wey und seine Frau Andrea in der grossen Halle der Firma. Hier hat er als kleiner Junge schon unzählige Stunden verbracht. Oder wie er sagt: «Mehr als mein halbes Leben war ich hier.» In den letzten Wochen haben sie das 2800 m² grosse Areal leer geräumt. Die meisten Maschinen wurden an eine Zimmerei weitergegeben. Vieles wurde entsorgt. Die Liegenschaft ist verkauft. «Schön und gleichzeitig schwierig», beschreibt Wey seine Gefühlslage. Am 1. Juli hat er die Liegenschaft an der Bündtenstrasse endgültig abgegeben. Das Gebäude wird irgendwann abgerissen und in zwei, drei Jahren wird hier eine Überbauung mit Einfamilienhäusern stehen. Das genaue Projekt ist noch nicht bekannt.

1923 haben sein Grossvater und dessen Bruder die Firma gegründet. Damals war hier ein Sumpfgebiet und rundherum stand kaum ein Gebäude. 1955 übernimmt sein Vater und 1990 schliesslich Josef Wey. «Die drei Generationen haben ihre Zeit ziemlich genau gedrittelt», rechnet er vor. Heute ist das Firmengelände umgeben von Häusern, gleich daneben sind der Kindergarten und die Kirche.

Josef Wey, leidenschaftlicher Fischer und Hobbykoch, hatte immer Spass am Arbeiten mit Holz. «Es ist mein Hobby, meine Passion, meine Berufung. Es fühlte sich nie wie arbeiten an, weil ich es immer sehr gerne machte. Holz ist faszinierend.» Der Zimmerei- und Holzbaubetrieb, der bis zu 12 Mitarbeiter hatte, war vielseitig unterwegs. Gebäudesanierungen, Elementbauten, Wärmedämmung im Dach- und Fassadenbereich, Innenausbauten mit Decken und Böden, Einbauten von Dachfenstern und Solaranlagen. Am liebsten tätigte er Umbauten an alten Gebäuden. «Jeder Tag in den letzten drei Jahrzehnten war eine neue Herausforderung», sagt er.

Nach 31 Jahren erstmals den Wetterbericht ignoriert

Seine Frau Andrea Wey hat ihn immer unterstützt und im Betrieb mit angepackt. «Immer, wenn ich sie gebraucht habe, war sie da», sagt er. Andrea steht daneben und muss schmunzeln. Dann erzählt sie: «Am letzten Wochenende hat er zum ersten Mal seit 31 Jahren nicht mehr den Wetterbericht studiert.» Er fügt lachend an: «Ja. Es war mir ziemlich egal.» Normalerweise hat Geschäftsführer Josef Wey immer ein Auge auf den Wetterbericht gehabt, weil es für viele Arbeiten von grosser Bedeutung war, dass es nicht zu heiss oder nicht zu nass ist. Ab sofort spielt das alles keine Rolle mehr.

In den letzten Jahren hat sich abgezeichnet, dass diese grosse Villmerger Holz-Dynastie ein Ende nehmen wird. Er musste den schwierigen Entschluss fällen, dass die Firma nach 98 Jahren ihre Tätigkeiten einstellt. «Es ist ein guter Entscheid, es musste sein», erzählt er. Die Wehmut ist im Laufe der Zeit verflossen. Der Beschluss, dass es zu Ende geht, ist schon länger gefällt. «Wenn die Bagger auffahren und alles abgerissen wird, dann löst dies sicherlich nochmals etwas aus bei mir», erzählt er.

Grösstes Projekt: Hofmattenhalle

Josef Wey, von allen «Jo» genannt, erinnert sich nochmals an seine grossen Projekte. Als man den Villmerger Kirchturm sanierte oder vor 20 Jahren einen der grössten Aufträge der Firmengeschichte realisierte: den Bau der Hofmattenhalle in Wohlen. Jetzt ist das Firmenareal zwar geräumt und abgegeben, doch er hat noch einen kleinen Papierkrieg vor sich, bis alles geregelt ist. «Es gibt noch einiges zu tun, alles bürokratische Arbeiten», sagt er.

Der Grund, dass nach fast 100 Jahren die Josef Wey Holzbau endet, ist seine Gesundheit. Er benötigt zwei neue Kniegelenke. Und da braucht es Zeit, bis er wieder fit ist. An arbeiten auf dem Bau ist da nicht zu denken. «Also musste ich diesen Entscheid fällen», sagt Wey, der früher viele Jahre lang beim TV Villmergen Handball spielte. «Die Gesundheit geht vor. Ich möchte irgendwann wieder wandern gehen», so der 63-Jährige, der früher jahrelang tätig war in der Baukommission, der Feuerwehr und im Vorstand des Gewerbevereins Villmergen sowie im Berufsverband Holzbau Aargau als Experte bei den Lehrabschlussprüfungen.

In Pension geht er noch nicht. Wenn alles rundläuft, die Kniegelenke nach den Operationen wieder einen schmerzfreien Alltag ermöglichen, steigt er am 1. Januar 2022 als Teilzeit-Projektleiter bei der AussenHolz-Bau GmbH in Villmergen ein. Das Logo der Josef Wey Holzbau wird in dort weiter existieren. So bleibt ein Stück des Traditionsbetriebes erhalten und seine ehemaligen Kunden haben eine neue Anlaufstelle.

«Ein wenig Wehmut bleibt»

Am 1. Juli ging das Areal in neue Hände über. Es war ein Freitag. In den vergangenen 98 Jahren war es am Freitagabend jeweils Tradition, dass man zum Feierabendbier zusammensitzt. Die Abende dauerten mal ein paar Stunden und manchmal auch bis zum Morgengrauen. Am letzten Freitag der langen Geschäftshistorie erlebte Josef Wey eine Überraschung, die ihn riesig freute. 18 ehemalige Lehrlinge und Arbeiter sind spontan aufgetaucht und haben mit ihm bis tief in die Nacht hinein den Abschied gefeiert. Als Sahnehäubchen vermeldet Wey: «Der letzte Lehrling, Timo Joller, hat seine Prüfung vor Kurzem bestanden.» Ende gut. Alles gut. «Ein wenig Wehmut bleibt», sagt er.


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