Ebenso kreativ wie rasant
13.08.2024 MuriRennfieber ohne Motorendröhnen
Mit selbst gebauten Kisten folgten diverse Piloten dem Aufruf der Fasnachtsgesellschaft Adelburg
Möglichst schnell den Hang runter – und das in kreativem Style. Daran durfte man sich einmal mehr in ...
Rennfieber ohne Motorendröhnen
Mit selbst gebauten Kisten folgten diverse Piloten dem Aufruf der Fasnachtsgesellschaft Adelburg
Möglichst schnell den Hang runter – und das in kreativem Style. Daran durfte man sich einmal mehr in Muri erfreuen.
Thomas Stöckli
Nach drei Bewertungspunkten werden am Grand Prix in Muri die Punkte vergeben. Der zweite und der dritte sind je eine Zeit- und eine Distanzwertung. Ihnen vorangestellt ist allerdings die Originalität. Und das hat man auch den Seifenkisten angesehen, die sich in beachtlichem Tempo durch den mit Pylonen und Reifen markierten Slalomparcours geschlängelt haben.
Neun Kisten waren diesmal für das grosse Rennen gemeldet, sechs von Kindern pilotiert, drei von Erwachsenen. Oder «etwas älteren Kindern», wie es die Fasnachtsgesellschaft Adelburg in ihrem Rennreglement auf den Punkt bringt.
Fest der Geselligkeit
Neun Kisten, das sind weniger als auch schon – die Rekord-Teilnehmerzahl lag bei 25, wie Simon Waltenspühl, Adelburg-Schultheiss und Rennleiter, zurückblickt –, Freude bereitet aber, dass sich viele Familien engagieren und somit die Tradition mit Leidenschaft weitertragen. So bleibt das Wochenende der Fasnachtsgesellschaft in bester Erinnerung. Das gilt auch fürs Waldfest. 80 Kilogramm Spiessbraten wurden da serviert. Knapp 300 Personen feierten am Samstagabend im grossen Festzelt und an der Bar.
Am Seifenkistenrennen der Fasnachtsgesellschaft Adelburg dürfen sich alle als Sieger fühlen
Das Resultat von stundenlanger Arbeit präsentieren dürfen, das ist ein wichtiger Aspekt am Seifenkistenrennen in Muri. Doch natürlich kommt am Anlass auch Rennfieber auf, spätestens wenn das Publikum den wagemutigen Pilotinnen und Piloten zujubelt.
Thomas Stöckli
Mit viel Schwung rauschen die liebevoll gestalteten Kisten den Hang hinab. Teilnahmeberechtigt seien einerseits Kinder im schulpflichtigen Alter, andererseits «die etwas älteren Kinder», heisst es im Rennreglement der Stadt Adelburg, die im Rahmen ihres Waldfests jährlich – mit Unterbruch – zum Grand Prix lädt. Diesmal bereits zum 36. Mal.
Umzugsmotto und Kreiseldeko
Von den neun Teams am Start sind deren drei dem Kindesalter entwachsen. «Heb di fescht» – so lautet das Motto des Murianer Fasnachtsumzugs 2025. Einen Vorgeschmack bietet die Kiste vom «Team Richi», wobei die namensgebende Figur über den Piloten hängt und der inspirierende Song der Mundart-Band «Stubete Gäng» in Endlosschleife läuft. Als Titelverteidiger starten sie mit grossen Ambitionen. Es ist denn auch die Rennkiste aus dem Vorjahr, der sie nochmals ein neues Design verpasst haben. «Vor dem grossen Stiefel haben wir schon Respekt», gibt «Team Richi» allerdings unumwunden zu.
Hinter genanntem Stiefel steckt – wen wundert es? – die Guggenmusik Stiefeliryter. Pilot Mauro Stutz und seine «Anhänger» Dario Käppeli und Damian Isler – sie hängen sich tatsächlich hinten an den Boliden – haben für den Event ihre Kreiseldeko recycelt. Der markante Stiefel wurde dazu in rund 75 Arbeitsstunden auf ein rund 40 Jahre altes Anhänger-Fahrwerk montiert. «Das haben wir für einen Franken aus ‹Tutti›», verrät der Guggenmusik-Rennstall unter grossem Gelächter. Druck verspüren sie vor dem Start keinen: «Wenn man weiss, dass man gut ist, braucht man das nicht», verkünden sie und lachen noch mehr.
Gesang und Süssigkeiten
Dabei sein ist alles – nach diesem Motto sind die Regi-Chor-Flitzer nach zwei Jahren Pause wieder am Start. Im obligatorischen Trainingslauf halten sie auf halber Strecke an, verteilen Süssigkeiten und lassen den Udo-Jürgens-Klassiker «Ich war noch niemals in New York» erklingen. Selbst das Wiederhochziehen und -stossen der rollenden Musikbox wird bei dieser Gute-Laune-Truppe zum Happening. Ein Happening, für welches die Rennstrecke gesperrt werden muss, denn im Gegensatz zu den meisten anderen Kisten reicht hier das Trottoir nicht für den Rückweg. Als es dann ernst gilt, verzichten allerdings auch die Regi-Chor-Flitzer auf den Zwischenhalt.
Im ersten Lauf gilt es, die mit Pylonen und Reifen markierte Slalomstrecke unterhalb der reformierten Kirche, von der Grindel- in die Lindenfeldstrasse, in möglichst kurzer Zeit zu absolvieren. Im zweiten Lauf ist das Ziel, möglichst viel Schwung mitzunehmen. Nun wird nämlich die zurückgelegte Distanz gemessen.
Künstler und Tüftler am Werk
Im Vergleich zu anderen Seifenkistenrennen ist das Reglement für den Grand Prix der Adelburger knapp gehalten. Zur Veranschaulichung dienen die Vorgaben bezüglich Bremsen: «Die Kiste muss in voller Fahrt nach ungefähr 30 km anhalten können.» Weiter dürfen die Kisten nicht länger sein als die Strecke. Mindestens genauso wichtig wie die Fahreigenschaften ist allerdings die Originalität: «Die Kisten sollen möglichst fantasievoll konstruiert und gestaltet sein», heisst es dazu im Reglement. Entsprechend liebevoll sind die Gefährte optisch gestaltet. Von der Wildsau, die von Asterix und Obelix den Hang hinuntergejagt wird, reicht die Vielfalt über ein fahrbares Tierspital, eine rollende Badewanne und einen glitzernden Disco-Zylinder bis hin zum Zugkraft-Flitzer mit Bieranhänger für «Schüttelbräu».
Dagegen kommt das Mausmobil mit Kartonchassis in Käseform eher bieder daher. Dafür ist dies die einzige Kiste, die aus eigener Kraft auch wieder den Hang hochkommt. Jan und sein Vater Andi Diethelm haben nämlich einen Elektromotor verbaut. Konkret handelt es sich um einen 800-Watt-Antrieb, wie er in E-Rollern oder E-Bikes üblich ist. Während der Rennläufe bleibt der Elektroantrieb natürlich ausgeklinkt. Für seine Kiste hat das Vater-Sohn-Duo sich extra Fertigkeiten im Schweissen angeeignet. Das habe denn auch am meisten Spass gemacht, verrät Jan. Besonders lange tüftelten sie an der Lenkung. So viel Aufwand für ein Rennen? Das dann doch nicht: Nach dem Grand Prix kommt das Käse-Chassis weg: «Wir machen einen Mercedes daraus», verrät Jan Diethelm.
Geteilter Sieg
Für einen Podestplatz hat es der einzigen Elektrokiste im Feld nicht gereicht. Stattdessen machten Hanna und Maja Klausner alias Asterix und Obelix auf Wildschweinjagd das Rennen, gefolgt vom Badi-Muri-Mobil von Yvo Richner und der Tierambulanz, pilotiert von Nora Sidler, Robin Piller und Emma Prater. Über einen Preis durften sich alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer freuen. Bei den Erwachsenen teilten sich gar alle drei Teams den Sieg. «Das hatten wir noch nie», sagt Rennleiter Simon Waltenspühl, «wir haben alles dreimal durchgerechnet.»
«Es soll in erster Linie eine fröhliche, lustige und aufgestellte Angelegenheit werden», hat die organisierende Fasnachtsgesellschaft Adelburg in ihrem Rennreglement festgehalten. Dass dieses Ziel einmal mehr erreicht wurde, dazu haben alle Teilnehmenden ihren Beitrag geleistet. Nicht zuletzt auch die rund 100 Zuschauerinnen und Zuschauer, die der drückenden Hitze trotzten, die bereitgestellten Sonnenschirme dankbar nutzten und sich zur Abkühlung auch gerne mal ins Festzelt am Waldrand zurückzogen.