Eine gescheiterte Revolution

  23.11.2021 Muri

Stiftung Geschichte Kloster Muri präsentiert die Publikation Nr. 9 der Reihe Murensia

«Die Reformation in den Freien Ämtern» ist die neuste Publikation aus der Reihe Murensia. Dominik Sauerländer stellte den Inhalt seiner Schrift in der reformierten Kirche vor.

Susanne Schild

Im Hinblick auf das 1000-Jahr-Jubiläum des Klosters Muri wurde 2011 auf Anregung von Abt Benno Malfèr von Muri Gries die Stiftung «Geschichte Kloster Muri 1027–2027» geschaffen. Unter der Federführung von Thomas Meier und einem Kreis von 45 Autorinnen und Autoren wird ein völlig neu erarbeitetes, wissenschaftlich fundiertes, mehrbändiges Geschichtswerk zur Klostergeschichte erscheinen.

«Wir sind auf Hochtouren dabei, das Werk zu produzieren», teilte Thomas Meier an der Buchpräsentation mit. Ein weiterer Schritt zur Vervollständigung sei das Heft Nr. 9 von Dominik Sauerländer, das heute vorgestellt werde. In seiner Studie ist der bekannte Aargauer Historiker dem vielfältigen Geschehen im Freiamt in der Reformationszeit nachgegangen. Auf 64 Seiten beschreibt er die wirtschaftlichen, gesellschaftlichen und glaubensmässigen Voraussetzungen dieser Zeit im Freiamt, zeichnet die politischen Vorgänge nach und analysiert, warum die Reformation im Freiamt zuerst erfolgreich war und am Schluss doch scheiterte.

Die Reformation als neuer Weg zum Heil

«Warum macht man so einen grossen Schritt weg vom alten Glauben hin zu einem neuen Glauben?», so die Fragestellung von Sauerländer. Die Reformation ist die zweite Aufspaltung der christlichen Kirche nach dem Schisma von 1054. «Sie war kein politischer Entscheid, sondern ein Glaubenskonflikt», sagte Dominik Sauerländer. Die Reformation sei eine neue Interpretation des Wegs zum Heil. Die zentrale Frage hierbei sei gewesen: «Wie komme ich zum Heil, wie bekomme ich Zugang zum öffentlichen Leben?»

1519 formulierte Luther seine 95 Thesen und Zwingli trat sein Amt in Zürich an. Daraus resultierten die zwei Zentren der Reformation, Wittenberg und Zürich. Zur Reformation kam es, weil der Wunsch nach mehr Seelsorge zur Sicherung des Seelenheils stark war. Auch die Kommunalisierung als gesamtgesellschaftliches Phänomen trug dazu bei. Wer Gemeinden einband, gewann die Menschen. «Ziel war es, dass jedes Dorf seine eigene Kirche haben sollte», so Dominik Sauerländer.

Wo gelang die Reformation?

Die Kontrolle der Kirche war im Norden in der Hand des Klosters Muri. Im Süden gab es diverse Kirchherren, die aber alle unter der Kontrolle Luzerns und der Waldstätte stehen. Im Norden ist Zürich nah, im Süden Luzern. «Die unteren Freien Ämter sind Teil der Zürcher Landschaft», so Sauerländer. Im Jahr 1529 treten Wohlen, Villmergen, Hägglingen, Wohlenschwil, Hermetschwil, Niederwil, Göslikon und Boswil per Abstimmung zur Reformation über. Ausser in Boswil und Hermetschwil findet überall der Bildersturm statt. Muri bleibt wie Sarmenstorf und Hitzkirch geteilt.

Das Freiamt als eidgenössisches Kriegsgebiet

Zürich und Luzern mobilisieren nach gegenseitigen Provokationen, es kommt aber nicht zum Krieg. Als Kompromiss wird der 1. Kappeler Landfrieden geschlossen. Die reformierte Bevölkerung will weiterhin keinen Krieg, weder in Zürich noch in Bern noch im Freiamt. Doch Zwingli gibt sich mit dem Kompromiss im 1. Landfrieden nicht zufrieden. Er will die Schweiz zur Reformation zwingen. Die Innerschweiz mobilisiert schliesslich, Zürich verschläft den Krieg und Bern bleibt unwillig. Schliesslich geben die reformierten Städte rasch auf, als die Bevölkerung eine Fortsetzung nach Zwinglis Tod ablehnt. «Die Bevölkerung wollte keinen Krieg», betonte der Historiker. Dies sei auch einer der Hauptgründe gewesen, weshalb die Reformation scheiterte. Zwar konnte im 16. Jahrhundert, unter der umtriebigen Arbeit des Zürcher Reformators Zwingli, die Reformation weit ins Freiamt eindringen und sich in manchen Dörfern festsetzen. So war Boswil einige Jahre reformiert. In Muri hielten sich Alt- und Neugläubige die Waage und stritten darüber, in welcher Weise die Gottesdienste in der Pfarrkirche gefeiert werden sollten. Das Kloster allerdings blieb dem alten Glauben immer treu und hatte auch nur wenige Austritte zu verzeichnen. Nach der Niederlage der Reformierten in den Schlachten bei Kappel am Albis und auf dem Gubel oberhalb von Zug 1531 konnten die Innerschweizer Kantone die Reformation im Freiamt wieder zurückdrängen und sogar zum Verschwinden bringen.

 


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