Eisiger Weg nach oben

  03.07.2020 Sport

Melanie Hasler ist eine von sieben Frauen, die in Magglingen die Spitzensport-RS absolvieren dürfen. Die Bob-Pilotin aus Berikon erlebt eine ereignisreiche und anstrengende Zeit. «Es bringt mir enorm viel», sagt die 21-Jährige. Die Freiämterin will im Eiskanal an die Weltspitze. Diesem Ziel ordnet sie alles unter. Melanie Hasler macht den Anfang in der Sommerserie «Starke Frauen». --spr


Kräftige Frau, steiler Weg

Sommerserie «Starke Frauen»: Bobfahrerin Melanie Hasler absolviert die Spitzensport-RS

Ob im Eiskanal oder in der Spitzensport-RS: Melanie Hasler muss sich beweisen in einer männerdominierten Sportart. «Es ist der beste Weg an die Weltspitze», so die 21-Jährige aus Berikon.

Stefan Sprenger

«Es ist eine Ehre, dass ich auserwählt wurde.» Melanie Hasler ist stolz auf die Spitzensport-Rekrutenschule. Und dass sie einen Platz in Magglingen bekommen hat, ist nicht selbstverständlich. Seit dem 14. Mai trainiert sie total fokussiert und unter besten Bedingungen für ihr Ziel. Von 33 Wintersportlern sind nur sieben Frauen dabei. Ebenfalls in der Spitzensport-RS ist NHL-Star Nico Hischier.

Die Grundausbildung online bewältigt

Ihr Alltag ist vom Sport bestimmt. Nach dem Frühstück wird trainiert. Nach dem Mittagessen wird trainiert. Kraft, Sprint, Sprünge. Dazu kommen Regeneration, Medientraining oder mentales Coaching. «Hier wird optimal auf die Sportler und ihre Bedürfnisse eingegangen. Die Infrastruktur ist top. Und wir sind hier wie eine kleine Sportlerfamilie. Es ist bislang ein sehr cooles Erlebnis», so Hasler.

Wegen der Coronapandemie absolvierte sie die Grundausbildung der Rekrutenschule online. Die Grundlagen wurden theoretisch geübt und getestet. Auch jetzt gibt es Einschränkungen wegen Corona. Alles ist strukturiert und Regeln werden strikt eingehalten. Nach zwei Stunden müssen beispielsweise alle den Kraftraum verlassen. Weil alles desinfiziert wird. Duschen ist nur im Zimmer möglich. «Der Austausch mit den anderen Sportlern ist deshalb gering – leider.»

Für ihren Weg an die Weltspitze ist diese Zeit aber enorm gewinnbringend. Die Berikerin will im Bobfahren ganz nach oben kommen. Sie will an die Olympischen Spiele. «Und die Spitzensport-RS ist der beste Weg dorthin», wie sie sagt. «Jeden Tag Höchstleistung bringen, das ist anstrengend. Ich schaue sehr auf meine Ernährung und dass ich meine Kräfte einteile.»

Sie findet es «schade», dass 50-km-Marsch ausfällt

Zu den rund 20 Stunden Trainingsaufwand pro Woche kommen noch weitere Aufgaben an den Wochenenden. Dann geht sie jeweils nach Hause ins Freiamt – und ist doch nur selten zu Hause. Sie organisiert die Saison, trifft sich mit ihrer Bob-Partnerin Jasmin Näf zum Anschiebtraining oder trifft mögliche Sponsoren. Bobfahren ist eine teure Randsportart und Hasler ist zwingend auf Geldgeber angewiesen. In der momentanen Coronakrise ist die Suche nach Sponsoren aber einiges schwieriger. Alles in allem ist der Weg an die Spitze sehr anstrengend. Oder wie Hasler es lachend ausdrückt: «Abends bin ich hundemüde, aber sehr zufrieden.»

Die Powerfrau scheint gigantisch viel Kraft zu besitzen. Sonst würde sie es nicht «schade» finden, dass wegen der Coronakrise der 50-km-Marsch nicht durchgeführt werden konnte. «Ich hätte diesen sehr gerne gemacht.» Sie hofft, dass dieser in kleinerem Rahmen doch noch marschiert wird – natürlich im grünen Militär-Tenue. «Ich trage die Uniform sehr gerne. Ein cooles Gefühl», meint die junge Frau.

Wo sie unbedingt zulegen muss, ist bei ihrem Gewicht. Melanie Hasler ist 1,78 m gross und 73 kg schwer. «Ich brauche mehr Muskelmasse, mehr Gewicht. Das bringt im Bobsport sehr viel.» Dafür trainiert sie heftig. Halbtiefe Kniebeugen schafft sie mit 210 kg. Tiefe Kniebeugen mit 100 kg. Trotzdem sagt sie: «Da muss noch mehr kommen.»

Von Klavier bis Volleyball: Hasler, das Multitalent

Erstaunlich, dass sie schon so weit ist im Bobsport. Denn sie ist erst seit wenigen Jahren dabei. Als Kind und Jugendliche ist Melanie Hasler ein Multitalent. Sie tanzt Hip-Hop, geht in die Jugi, nimmt Gesangsstunden, spielt Klavier und geht ins Volleyball – alles gleichzeitig. «Viel mehr hatte nicht Platz», meint sie augenzwinkernd. Später absolviert sie die Sportschule Zürich und setzt auf die Karte Volleyball. In der Saison 2016/17 spielte sie in der Nationalliga B Volleyball für den VBC Steinhausen und in der Jugendnationalmannschaft. Auch im Beachvolleyball ist sie talentiert, schafft es in die Elite. Im Jahr 2017 – nach einem überdurchschnittlich starken Leistungstest bei der Sprungkraft – wurde der Bobverband auf sie aufmerksam. Und sie entschied sich, fortan Bob zu fahren. Als Anschieberin war Hasler daraufhin unter anderem im Europacup am Start. An der Junioren-Schweizer-Meisterschaft holte sie die Goldmedaille. Seit der Wintersaison 2018/19 ist sie als Pilotin im Europacup unterwegs. Und sie wird immer besser. Diesen Frühling durfte sie erstmals im Weltcup starten. An der Junioren-EM holte Hasler Bronze.

«Keinen Platz» für Beziehung

Ihrem grossen Talent, ihren optimalen körperlichen Voraussetzungen, ihrem taffen Auftreten und ihrem eisernen Willen hat sie es zu verdanken, dass sie einen Platz in der Spitzensport-RS ergatterte. «Nun werde ich nochmals einen Schritt vorankommen. Es ist eine grosse Chance für mich und der beste Weg an die Spitze», so die Freiämterin. Nun wird sie noch bis Mitte August in Magglingen sein.

Auch wenn sie ihre Familie viel zu selten sieht, sie «keinen Platz» für eine Beziehung hat und auf vieles verzichten muss: Der Aufwand ist es ihr wert. «Ich will besser werden. Ich will an die Weltspitze. Ich will an die Olympischen Spiele», sagt Melanie Hasler und fügt lächelnd an: «Vielleicht sehe ich dort dann einige meiner jetzigen Spitzensportkollegen wieder.»


Vieles unklar für die neue Saison

Aufgrund der Coronapandemie ist auch im Bobsport vieles unklar. Ab Mitte Oktober kann im Eiskanal trainiert werden. Im November folgen dann die ersten Rennen im Welt- und Europacup. Hasler startet im Europacup, hofft aber auf Einsätze im Weltcup. Dies wird je nach Leistungen in den Rennen entschieden. Klar ist: Im Weltcup in St. Moritz darf sie definitiv starten. Höhepunkt der Saison: In den USA wäre die Bob-WM geplant. Ob diese stattfindet, steht aber in den Coronasternen. --spr


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