Ersthelfer retten Leben
09.02.2024 MuriWertvolle Ersthilfe
Der Kanton Aargau setzt bei Notrufen mit Verdacht auf Herz-Kreislauf-Stillstand neu f lächendeckend auf First Responder. Das Spital Muri und ein Verein im Oberfreiamt sind dem schon fast ein Jahr voraus. Ein Apéro in der Spital-Cafeteria bot ...
Wertvolle Ersthilfe
Der Kanton Aargau setzt bei Notrufen mit Verdacht auf Herz-Kreislauf-Stillstand neu f lächendeckend auf First Responder. Das Spital Muri und ein Verein im Oberfreiamt sind dem schon fast ein Jahr voraus. Ein Apéro in der Spital-Cafeteria bot Gelegenheit zum Austausch zwischen Rettungssanitätern und freiwilligen Ersthelferinnen und -helfern. --tst
Beim Rettungsdienst des Spitals Muri ist man froh über die Zusammenarbeit mit Freiwilligen
Der Kanton Aargau hat per 1. Februar ein flächendeckendes First-Responder-System eingeführt. Im Oberen Freiamt bewährt sich der Einsatz dieser ehrenamtlichen Ersthelfer seit bald einem Jahr – mit Unterstützung des Spitals Muri.
Thomas Stöckli
Eine Person liegt mit Brustschmerz und Atemnot auf dem Boden. Daneben ein Angehöriger, der überfordert ist und die Ersthilfe erschwert, oder auch ein Betrunkener, der stört. Mit solchen und ähnlichen Situationen sehen sich die Rettungssanitäter des Spitals Muri in ihrer Arbeit regelmässig konfrontiert. Und mit solchen Szenarien wurden im vergangenen Jahr auch die freiwilligen Ersthelfer aus dem Oberfreiamt auf ihre wichtige Aufgabe vorbereitet.
Jede Minute zählt
Wenn der Rettungsdienst in die Südspitze des Freiamts ausrückt, dauert das auch unter idealen Bedingungen zehn, zwölf Minuten. Bei einem Kreislaufstillstand kann das zu lange sein: «Jede Minute sinkt die Überlebenschance um zehn Prozent», weiss Stefan Haber, Rettungsdienst-Leiter am Spital Muri. Gleichzeitig steigt ohne Sauerstoffversorgung das Risiko für bleibende Hirnschäden. Deshalb sei er ein riesiger Fan von First Respondern, sagt Haber. Zumal er auch selber schon gute Erfahrungen gemacht hat: Als sein Schwiegervater nach einem Herzinfarkt vom Fischen zurückkam, sei die Schwiegermutter maximal überfordert gewesen, berichtet er. Umso wertvoller die Erfahrung, dass bereits eine Minute nach dem Notruf First Responder auf Platz waren. Sie hätten wertvolle Unterstützung geleistet, bis nach zehn Minuten der Rettungsdienst eingetroffen sei, erzählt Haber.
Die First Responder Oberfreiamt sind als Verein organisiert. Initiiert im Mai 2020, hat dieser per 1. März letzten Jahres den Betrieb aufgenommen. Die Hauptaufgabe der Ersthelferinnen und -helfer: Im Falle eines Herzkreislaufstillstands möglichst schnell mit der Herzdruckmassage beginnen. Sie stellt die Sauerstoffversorgung sicher und vermeidet so Schädigungen des Gehirns. Weiter bringen die Ersthelfer einen Automatisierten Externen Defibrillator (AED) in den Einsatz. Dieses Gerät misst nach dem Einschalten und Anbringen der Elektroden den Herz-Rhythmus. Liegt ein Kammerflimmern vor, empfiehlt es einen Schock, also einen elektrischen Impuls, der die Herztätigkeit normalisieren und so Leben retten soll.
Doppelt so viele Einsätze
«Wir hatten viel mehr Einsätze als gedacht», zieht Thomas Huber, Vereinspräsident und Feuerwehrkommandant in Sins, Zwischenbilanz. Nach elf Monaten steht der Einsatz-Zähler bei über 40. Gerechnet habe man mit halb so vielen, wie Huber verrät. Als erfolgreiches Beispiel nennt er die Reanimierung eines älteren Mannes in Oberrüti. Mit dem zweiten abgegebenen «Schock» habe dessen Herz wieder zum Schlagen gebracht werden können. Nicht immer trafen die Ersthelfer auf eine solch lebensbedrohliche Situation. Aber auch in anderen Fällen seien die Patienten und ihre Angehörigen froh, wenn so schnell jemand da sei.
Mit 25 aktiven First Respondern stellt der Verein dies in den Gemeinden Auw, Abtwil, Dietwil, Mühlau, Sins und Oberrrüti sicher. «Wir hatten in den Einsätzen bisher immer genug Leute», sagt Thomas Huber. In der Alarmierungs-App des Kantons kann sich grundsätzlich jede Person registrieren, die ein anerkanntes BLS-AED-Zertifikat vorweisen kann, wobei BLS für «Basic Life Support» (lebensrettende Grundmassnahmen) steht. Vor allem wird dabei auf eine gute Herzdruck-Massage getrimmt. Will heissen: ausreichend tief, ausreichend schnell und ohne Pausen.
Gut ausgebildete Truppe
Die Ausbildung, welche das Spital Muri dem Verein als Starthilfe gratis ermöglicht hat, geht über diese Grundanforderung, die in einem vierstündigen Kurs vermittelt wird, hinaus. In einem ganztägigen Kurs wurden die Ersthelferinnen und -helfer auch darauf vorbereitet, was herausfordernde Einsätze in ihren Köpfen auslösen können. Was ist, wenn man die Person kennt, die man reanimieren soll? Wie geht man mit den Angehörigen um und wie mit den Bildern im Kopf, die man unweigerlich mitnimmt? In diesem Bereich durfte das Spital auf die Expertise von Anna Maria Schärer zurückgreifen, Leiterin des Care-Teams Zug. Weiter wurden Szenarien, wie die eingangs erwähnten, durchgespielt. Situationen, in denen es für die Helferinnen und Helfer darum geht, nebst ihrer Kernaufgabe, der Herzdruckmassage und dem Auf kleben der Defibrillator-Pads, auch noch andere Herausforderungen zu meistern, wie sie in der Praxis vorkommen. «Unsere Leute sind auf sehr hohem Niveau», so Thomas Huber stolz. Zumal diverse auch Erfahrung aus der Feuerwehr-Sanität, der Pf lege oder der Polizei mitbringen. Das Gelernte wird mindestens einmal im Jahr in einer Weiterbildung vertieft. Alle zwei Jahre ist zudem eine Auffrischung des BLS-AED-Kurses fällig.
Defibrillator und Sauerstoff dabei
Um ihre Einsatzkräfte bestmöglich zu koordinieren, nutzt der Verein First Responder Oberfreiamt ergänzend zur kantonalen Alarmierungs-App einen internen Chat. So wird sichergestellt, dass die Anfahrt möglichst kurz und das benötigte Material vor Ort ist. Im Gegensatz zu anderen Ersthelfern rücken die Vereinsmitglieder nämlich mit Defibrillator und Sauerstoffflasche aus. Dazu wurden 15 Rucksäcke angeschafft, die auf die Helferinnen und Helfer verteilt sind und bei Ferienabwesenheiten untereinander weitergegeben werden.
Rund 3000 Franken kostet das Material pro Rucksack. Dazu entschädigt der Verein seine Mitglieder für deren geleisteten First-Responder-Einsätze. «Die Finanzierung läuft primär über die sechs Gemeinden», sagt Thomas Huber. Sie beteiligen sich mit einem Fixbetrag von einem Franken pro Einwohner und Jahr an den laufenden Kosten. Weil die tatsächliche Einsatzzahl die Erwartungen weit übertreffe, reiche das allerdings bei Weitem nicht aus, so Huber. Entsprechend sucht der Verein nun Gönner und Sponsoren. Für Geld, das hilft, Leben zu retten.
Weitere Informationen unter firstresponderoberfreiamt.ch.