«Es gibt eine Lösung: Gut spielen»

  14.08.2020 Sport

FC-Wohlen-Verwaltungsratspräsident André Richner im Interview

Zusammenarbeit mit GC im Juniorenbereich, Unsicherheit wegen Corona und hohe Erwartungen vor dem Saisonstart morgen Samstag (16 Uhr) gegen Buochs: André Richner erlebt turbulente Zeiten – im Sport und im Unternehmen.

Stefan Sprenger

Der Bundesrat hat entschieden: Ab 1. Oktober fällt die 1000er-Grenze. Sind Sie glücklich über diesen Entscheid?

André Richner: Ich bin skeptisch. Ich hätte mir eine nationale Lösung erhofft. Föderalismus ist in diesem Fall eigentlich fehl am Platz. Für den FC Wohlen hat dies keinen Einfluss. Mehr als 1000 Zuschauer haben wir höchstens im Derby gegen Baden, in einem Spiel im Schweizer Cup oder bei Aufstiegsspielen.

Wie sieht es für Ihre Firma aus, die «Richnerstutz AG» ist ja grösstenteils im Eventbereich tätig.

Kurzfristig bringt es nicht viel. Es ist aber motivierend für die Zukunft. Für sportliche Anlässe oder Events im Freien ist der Fall der 1000er-Grenze sicher gut. Für kulturelle Anlässe in Räume sehe ich aber schwarz. So lange es keine flächendeckende Imfpung gibt, werden wir darunter leiden. Wir leben von Grossveranstaltungen wie das Montreux Jazz Festival oder das WEF in Davos. Es ist aber positiv, dass man jetzt mit einem starken Schutzkonzept eine Bewilligung erhalten und so grössere Anlässe durchführen kann. Unsere Firma kann da die Veranstalter unterstützen.

Inwiefern?

Wir helfen bei der Erstellung eines standhaften Konzeptes. Ausserdem haben wir nach dem Zählsystem «CountMe» nun ein neues Produkt in Entwicklung. Wir haben eine Fiebermess-Box entwickelt, wo man als Besucher eines Anlasses durchgeht und automatisch die Körpertemperatur gemessen wird.

Eine innovative Idee. Haben Sie diese auch beim FC Wohlen? Der Verein verfolgt ja immer das Ziel, mehr Zuschauer in die Niedermatten zu locken.

Ich hoffe, dass die Zuschauer wie wir ebenfalls Entzugserscheinungen haben nach dieser langen Fussballpause (lacht). Dazu mache ich mir immer viele Gedanken. Und im Endeffekt gibt es nur eine Lösung: Wir müssen gut spielen. Mit attraktivem und erfrischendem Fussball, der natürlich auch erfolgreich ist, begeistert man die Menschen und holt sie an die Heimspiele in den Niedermatten.

In der Vorrunde der Saison 2019/20 spielte der FCW vorne mit. Gab es mehr Leute?

Ja. Je länger die Saison dauerte, und je länger wir vorne mitspielten, desto mehr Menschen sind gekommen. Da wollen wir anknüpfen. Wir wollen Menschen begeistern, Feuer entfachen, Emotionen wecken und ein Thema sein. Wichtig ist, dass wir bei unseren Heimspielen die Coronamassnahmen im Griff haben.

Wie setzt man diese Massnahmen um?

Wir haben ein Konzept erstellt. Am Eingang werden die Personalien aufgenommen. Und das Stadion wurde in vier verschiedene Zonen eingeteilt. Auf der Tribüne hat es drei Zonen und die Stehplätze gelten als eine Zone. Auf der Tribüne wird jeder zweite Sitz gesperrt sein und dort wird es zusätzliche Getränkestände geben. Die Würste verkaufen wir «to go». Das heisst: Die Wurstverkäufer laufen im Stadion umher und verkaufen diese. So will man eine Durchmischung an den Getränke- und Essensständen verringern. So müssen die Zuschauer die Tribüne nur verlassen, um die Toiletten aufzusuchen.

Wird das funktionieren?

Wir sind natürlich auf die Besucher angewiesen, dass sie sich an die Regeln und den Abstand halten.

Morgen Samstag geht es nach zehn Monaten wieder los. Ihre Erwartungen?

Ich erwarte einen Sieg. Es ist wichtig, dass wir das erste Spiel zu Hause gewinnen.

Ihr Eindruck vom Team?

In den Testspielen gab es viele gute Dinge, aber sie haben auch Baustellen aufgezeigt. Ich glaube, wir haben eine erfahrene Mannschaft mit einem guten Mix. Und die Jungs sind hungrig, dass es endlich wieder losgeht.

Sind Sie zufrieden mit dem Trainerstaff?

Ich habe vollstes Vertrauen in Trainer Thomas Jent und seinen Staff. Mit Assistenztrainer Alessandro Vicedomini gibt es einen Menschen, der sehr nahe am Team ist. Goalietrainer Boris Ivkovic bringt Erfahrung und den Spassfaktor rein. Der Staff arbeitet konsequent, professionell und ruhig. Thomas Jent schafft es mit diesem Team, genau diesen Fussball zu zeigen, den wir uns wünschen. Frech, attraktiv und erfolgreich.

Während den Spielen ist er aber sehr ruhig.

Das hat seine positiven Seiten. Das Team hört auf ihn. Aber ja, er dürfte manchmal mehr Einfluss nehmen von aussen.

Was ist das Saisonziel?

Klarer Fall. Wir wollen in die Aufstiegsspiele.

Wie stehen die Chancen dazu?

Auch wenn Topskorer Davide Giampà uns verlassen hat, so haben wir nach wie vor sehr viel Qualität. Ich glaube, wir schaffen das.

Der FC Wohlen will also zurück in die 1. Liga Promotion?

Ja. Über kurz oder lang wollen wir in die 1. Liga Promotion. Mit diesem Stadion, der Infrastruktur und dem Umfeld gehören wir da hin. Wenn es diese Saison nicht klappt, dann eben die nächste.

Ist es ein Ziel des FC Wohlen, hinter dem FC Aarau die Nummer 2 im Kanton zu sein?

Dieses Ziel ist nicht unbedingt ein Ansporn. Ich sehe uns auf Augenhöhe mit dem FC Baden. Beide Teams wollen in die 1. Liga Promotion, das ist eine gesunde Rivalität. Ein starker FC Baden pusht uns ebenfalls nach oben – und umgekehrt. Ich selbst bin Donator beim FC Baden und Baden-Präsident Heinz Gassmann macht bei unseren Donatoren mit. Wir haben ein sehr gutes Einvernehmen.

Wie hoch ist denn das Budget für die erste Mannschaft?

Da greifen viele Elemente ineinander. Das Gesamtbudget des Vereins beträgt 950 000 Franken. Zirka 45 Prozent, also rund 450 000 Franken, sind für die erste Mannschaft. Es ist ähnlich wie in der Vorsaison.

Was für Auswirkungen hat die Coronakrise auf den Verein?

Der Abschluss ist noch nicht ganz erstellt. Aber: Wir können unsere Rechnungen bezahlen und werden die Saison mit einer schwarzen Null, eventuell mit einem kleinen Minus abschliessen. Wir sind im letzten halben Jahr sehr haushälterisch mit unseren Ausgaben umgegangen und haben jeden Franken umgedreht. Die Einnahmen der Heimspiele fehlen uns natürlich. Auch der Restaurantbetrieb unter der Woche ist eine wichtige Einnahmequelle. Dies hat alles seine Spuren hinterlassen. Aber wir können es verkraften und hoffen, dass wir in dieser Saison eine Reserve schaffen können.

Wie war die Solidarität im Verein während der Coronazeit?

Das ist wahrlich ein positiver Aspekt von Corona. Wir sind zusammengerückt. Alle Trainer im Verein haben auf ihre Entschädigung verzichtet. Die Spieler der ersten Mannschaft sind uns auch sehr entgegengekommen. Man darf nicht vergessen: Auch wenn nicht gespielt wurde, haben alle Spieler laufende Verträge und hätten auf das Geld beharren können. Es war schön zu sehen, dass alle hinter dem Verein stehen.

Was für Reaktionen haben Sie von den Sponsoren gekriegt?

Wir wussten nicht, wie es die vielen Gönner und Sponsoren aufnehmen werden. Immerhin wurde eine halbe Saison lang nicht gespielt. Aber kein einziger Donator, Gönner oder Sponsor wollte sein Geld zurück. Ich spürte viel Zuspruch und erlebte positive Reaktionen. Dafür sind wir sehr dankbar.

Apropos Donatoren: Da gab es einen Wechsel. Urs Schürmann, der jahrelang Präsident der Vereinigung war, tritt ab. Er übergibt an Marco Duschén. Ihre Gedanken dazu?

Urs Schürmann sagte schon vor einem Jahr, dass er nach so langer Zeit das Amt abgeben möchte. er leistete stets hervorragende Arbeit. Und jetzt übernimmt mit Marco Duschén mein Wunschkandidat dieses Amt. Ich wollte jemanden aus der jüngeren Generation. So gibt es neues Blut bei den Donatoren. Duschén ist jung, gut vernetzt und ein feiner Mensch. Ich bin sehr froh über diese Nachfolge.

Der FC Wohlen möchte schon länger seine Aktiengesellschaft auflösen. Aufgrund von Bestimmungen des Verbands war dies bislang nicht möglich. Wie ist da der Stand der Dinge?

Es ist mühsam und kompliziert. Die Aktiengesellschaft müssen wir behalten. Der Verband kommt uns da bislang nicht entgegen. Das Gebilde des FC Wohlen ist sehr komplex. Mit der AG, der GmbH und dem Verein gibt es drei Buchhaltungen. Um da den Überblick zu haben, muss man Profi sein. Zum Glück haben wir mit Verwaltungsratsmitglied Adrian Büchler und der guten Seele Lucien Tschachtli zwei absolute Finanzgenies in unseren Reihen.

Der FC Wohlen ist aus dem Gebilde des Team Aargau ausgestiegen und arbeitet neu mit GC zusammen. Im neuen Juniorenkonzept heisst es: «Jeder, der will, hat seinen Platz beim FC Wohlen.» Klappt das?

Wir haben mittlerweile jeweils eine neue C- und D-Junioren-Mannschaft. Unser «Drü» wurde letzte Saison gegründet. Ich glaube, wir haben Platz für alle und sind mehr in die Breite gewachsen.

Aber hat der FC Wohlen auch die benötigten Platzverhältnisse?

Dieses Thema ist und bleibt ein Problem. Da müssen wir viel jonglieren. Der Rigackerplatz schafft ein wenig Abhilfe. Im Moment kommen alle Teams aneinander vorbei, aber es ist eng auf unseren Plätzen. Auf Dauer wird der Kunstrasen wieder zum Thema. Dies gehen wir aber zu einem späteren Zeitpunkt wieder an.

Wie sieht es mit der Sanierung des Hauptfeldes aus?

Momentan sieht der Hauptplatz so gut aus wie wohl noch nie zuvor. Dank der Coronapause. Bezüglich Sanierung sind wir mit dem Gemeinderat in engem Kontakt. Unser Ziel ist es, dass dies 2022 realisiert werden kann. Spruchreif ist aber noch nichts.

Wie ist das Einvernehmen mit den Nachbarclubs im Freiamt?

Die Kontakte nach Villmergen und Muri sind seit längerer Zeit gut. Im Januar wollten wir aktiv etwas auf die Beine stellen. Wir planten eine Zusammenkunft mit allen Präsidenten der Freiämter Fussballvereine, leider kam Corona dazwischen.

Was wäre denn das Ziel gewesen dieser Zusammenkunft?

Unser Ziel war es, ein grösseres Miteinander im Freiamt zu schaffen. Zusammenrücken, austauschen, Probleme besprechen und lösen. Und natürlich auch in Bezug auf die Juniorenarbeit aufklären.

Was hätte man erklärt?

Wieso der FC Wohlen die Zusammenarbeit mit dem Team Aargau auflöste und jetzt mit GC zusammenarbeitet.

Wie wurde dies von Eltern und Junioren aufgenommen?

Es gab ganz wenige Spieler, die den FC Wohlen leider verlassen haben. Aber grösstenteils waren die Reaktionen der Eltern und Junioren sehr positiv. Die Zusammenarbeit mit GC hat für uns nur Vorteile und er ist ein fairer Partner für uns.

Zurück zur Coronapandemie. Was denken Sie, was Corona für einen Einfluss auf die neue Saison hat?

Das ist wie Kaffeesatz lesen. Wenn es einen Coronafall gibt, dann wird es Quarantänen geben und Spielverschiebungen. Wir müssen wohl lernen, damit zu leben.

Ihre Firma, die «Richnerstutz AG» in Villmergen, wurde knallhart von Corona getroffen. Die Eventbranche ist zusammengebrochen. Wie ist die Situation?

Schlecht. Wir sind mittlerweile bei rund 40 Prozent des budgetierten Umsatzes. Wir sind im Notfallmodus und immer noch auf Kurzarbeit.

Ist die Firma in Gefahr?

Die «Richnerstutz AG» wird es auch in zehn Jahren noch geben. Aber es ist nicht einfach, wir müssen jeden Franken zweimal umdrehen, die Mitarbeiter haben Ängste. Wir überlegen immer, was wir noch tun können. Mit dem «Count Me»-Zählsystem haben wir ein gutes Produkt in dieser Krise entwickelt. Das hilft aber nur bedingt. Irgendwann kriegen wir ein Problem, irgendwann müssen wir personelle Massnahmen treffen. Wenn es so weitergeht, wird es auch schwierig bleiben für unsere Firma.

Was ist die Lösung?

Wenn es wieder grössere Veranstaltungen gibt, werden auch wir uns wieder erholen. Vorher nicht.


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