Für Kinder ein Vorbild sein
31.10.2025 MuriFamilienberatung Bezirk Muri lud zum Vortrag über digitale Medien im Kleinkindalter
Sie kommen quasi mit dem Finger auf dem Bildschirm zur Welt. Welche Rolle spielen digitale Medien im Säuglingsund Kleinkindalter? Oder welche Rolle sollten sie spielen? Diesen ...
Familienberatung Bezirk Muri lud zum Vortrag über digitale Medien im Kleinkindalter
Sie kommen quasi mit dem Finger auf dem Bildschirm zur Welt. Welche Rolle spielen digitale Medien im Säuglingsund Kleinkindalter? Oder welche Rolle sollten sie spielen? Diesen und weiteren Fragen gingen zwei Referentinnen von zischtig.ch auf die Spur.
Annemarie Keusch
Ein Patentrezept präsentierten Alicia Schröder und Stefanie Crameri nicht. «Gibt es auch nicht», sagt Schröder. Dafür sei das Thema zu vielschichtig, die Ansätze zu unterschiedlich. Aber Empfehlungen, die gibt es. Dass Kinder vor dem dritten Lebensjahr möglichst nicht mit digitalen Medien in Berührung kommen. Und dass die echte Welt immer Vorrang hat. Aber auch, dass die digitalen Medien eben dazugehören. Für ein Kind, 3- bis 6-jährig, für höchstens 30 Minuten am Tag und für 7- bis 11-Jährige höchstens eine Stunde am Tag. Alicia Schröder nimmt es vorneweg: «Sich dem Ganzen kategorisch zu entziehen, das wird kaum funktionieren.» Stattdessen spricht sie von einer Gratwanderung.
Schröder und Crameri sind Teile des Vereins zischtig.ch. Schweizweit ist er unterwegs in den Bereichen Medienbildung und -prävention – vom Kindergarten bis zur Kantonsschule. Rund 20 000 Klassen besuchen sie jährlich. Aber sie referieren auch vor Eltern – wie an diesem Abend. Die Familienberatung Bezirk Muri lud dazu ein. Mütter- und Väterberaterin Priska Kaufmann sagt: «Es ist ein Thema, das alle beschäftigt.» Schliesslich seien die Bildschirme quasi ab Tag eins nach der Geburt präsent. Die Digitalisierung lasse sich nicht aufhalten. «Viel mehr geht es um einen bewussten und verantwortungsvollen Umgang.»
Unter 4-jährig schon eigene Geräte
So betonen es auch die beiden Referentinnen. Und sie halten fest, dass alle Generationen mit anderen Arten von Medien aufwachsen. Tamagotchi, «Nokia-Knochen» – es sind zwei Beispiele, die Alicia Schröder nennt. Ganz allgemein sagt sie: «Ein differenzierter Umgang ist wichtig. Ebenso das stetige Reflektieren.» Weil eben, den einen richtigen Weg gibt es nicht. Es sind nicht die Verbote. Es ist aber auch nicht der leichtsinnige Umgang mit den Geräten. Denn die Statistiken lassen auch die rund 40 Teilnehmenden im St. Martin staunen. 23 Prozent der unter 4-Jährigen haben laut deutscher Statistik ein eigenes Gerät – ob Tablet oder Handy. «Es gibt gar Halterungen an Kinderwagen, damit die Kleinsten dort nicht darauf verzichten müssen», weiss Stefanie Crameri. Es werde empfohlen, erst ab 3-jährig Kindern ein Gerät zur Nutzung in die Hand zu geben. «Wenn Sie länger warten wollen, tun Sie das noch so gerne», ermunterte Alicia Schröder.
Wichtig sei dabei vor allem auch die Art der Nutzung der digitalen Medien. Auf spielerische und kreative Weise sei es am besten. In der Interaktion mit den Eltern sowieso. «Das Kind alleine vor das Gerät zu setzen, das ist nicht zielführend.» Auch wenn sie verstehe, dass dies in gewissen Situationen verlockend sei. Schröder hielt fest: «Wenn das Handy kommt, geraten alle anderen Spielzeuge derart in Hintergrund.» Genau das sei die Gefahr. Einen gesunden Umgang zu lernen, ist darum von Anfang an sehr wichtig. Sie weiss: «Für Kinder sind solche Geräte sehr lange einzig Spass-Geräte.» Wenn ihre Eltern Zeit am Laptop oder am Tablet verbringen, meinen die Kleinsten, sie spielen. «Das sollte man sich vor Augen führen.» Und wenn die Eltern viel Zeit mit den technischen Geräten verbringen, erhielten diese auch für die Kinder eine Wichtigkeit, die nicht gut sei. «Kommt hinzu, dass Eltern in solchen Situationen auf ihre Kinder fast abweisend wirken.» Die eigene Nutzung zu hinterfragen, sei darum enorm wichtig.
Abwechslung und Vielfalt sind entscheidend
Die beiden Referentinnen räumten aber auch mit falschen Sicherheiten auf. «Kindersicherungen? Schon kleine Kinder sind schlau genug, sich den Code zu merken, mit dem die Eltern das Gerät entsperren. Zum Einschlafen eine Geschichte via Tablet im Kinderzimmer abspielen? Das Kind ist schnell aus dem Bett gekrabbelt und macht am Tablet etwas anderes.»
Dass die Vielfalt im Alltag zentral sei, das betonen Alicia Schröder und Stefanie Crameri immer wieder. Spielen, basteln, sich mit anderen Kindern treffen, sich bewegen, ruhige Minuten geniessen – und eben auch mal Bildschirmzeit. Alles im Mass. «Das ist nicht einfach, weil nach der Medienzeit für die Kinder alles andere langweilig scheint», weiss Stefanie Crameri. Ihr Trick? «Mit den Kindern vorher schon abmachen, was nachher ansteht.» Zudem plädiert sie darauf, die Medienzeit möglichst mit sinnvollen, anregenden Inhalten zu nutzen. «So ist diese durchaus alles andere als nur schlecht.» Denn zum Alltag gehören die digitalen Medien nun eben dazu – auch bei Kleinkindern. Ganz konkrete Tipps gaben die Referentinnen den interessierten Eltern auch mit. «Hinterlegen Sie beim Familien-Tablet nie eine Kreditkarte.» Dass gesalzene Rechnungen kommen, weil die Kinder eingekauft haben, sei keine Seltenheit. Zudem sei empfohlen, die Medienzeit nicht sofort nach dem Aufstehen, nicht am Mittagstisch und nicht bis eine Stunde vor dem Zubettgehen einzuräumen. «Das wäre auch bei Erwachsenen ideal.»

