Freiämter Clubbesitzer
28.03.2024 Sport, FussballDer Wohler Shaban Bajrami ist Miteigentümer eines Vereins im Kosovo
Er war selbst auf dem Weg zum Fussballprofi. Jetzt ist Shaban Bajrami einer der Eigentümer des Proficlubs SC Gjilani im Kosovo. Der Freiämter will eine Prise Schweizer Mentalität in ...
Der Wohler Shaban Bajrami ist Miteigentümer eines Vereins im Kosovo
Er war selbst auf dem Weg zum Fussballprofi. Jetzt ist Shaban Bajrami einer der Eigentümer des Proficlubs SC Gjilani im Kosovo. Der Freiämter will eine Prise Schweizer Mentalität in den Verein bringen.
Josip Lasic
«Uns fehlen die Tore.» So die kurze, prägnante Analyse von Shaban Bajrami zur bisherigen Saison des SC Gjilani. Zu Beginn der Spielzeit war der Fussballverein aus dem Kosovo international vertreten. In der Conference League ist er gegen den FC Progrès Niederkorn aus Luxemburg ausgeschieden. Dass er in der kommenden Saison wieder europäische Spiele austragen wird, ist unwahrscheinlich. Das Team steht im hinteren Bereich der Tabelle. «Absteigen werden wir aber nicht. Davon ist nicht auszugehen.» Es wäre ein trauriger Abschluss von Bajramis erster Saison als Eigentümer des Clubs. Im letzten Sommer hat er Gjilani gemeinsam mit vier Kollegen übernommen. Dass es aktuell sportlich nicht optimal läuft, kann er verkraften. «Wir wollen etwas Langfristiges aufbauen.»
Bajrami ist Freiämter durch und durch. In Muri auf die Welt gekommen, hat er die ersten paar Lebensjahre in Bünzen gelebt, ist in Wohlen aufgewachsen und wird demnächst nach Waltenschwil ziehen. Die Wurzeln des 27-jährigen Projektentwicklers liegen aber im Kosovo. Genauer gesagt in der 50 000-Einwohner-Stadt Gjilan.
Als der bisherige Besitzer des dort ansässigen Fussballvereins bekannt gibt, dass er sein Engagement beendet, fragen einige Fans Bajrami und ein paar seiner Kollegen an, ob sie den Club nicht übernehmen könnten. Fatlum Pireva, ein Unternehmer aus dem Kosovo, ist Initiator des Ganzen. Shaban Bajrami, Valmir Emini, Qendrim Demiri und Afrim Veliu, alle mit Wurzeln in Gjilan, in der Schweiz wohnhaft und selbstständige Unternehmer, nehmen sich gemeinsam mit Pireva des Projekts an. Da jeder in einer anderen Branche tätig ist, übernehmen sie unterschiedliche Ressorts. Bajrami arbeitet zwar in der Immobilienbranche, ist aber für das Sportliche zuständig.
Im Probetraining beim VfL Wolfsburg
In diesem Bereich bringt er wohl die grösste Expertise mit. Der 27-Jährige ist einerseits Schwager des ehemaligen kosovarischen Nationalspielers und jetzigen FC-Wohlen-Captains Alban Pnishi. Andererseits war Bajrami aber selbst auf gutem Weg zum Fussballprofi. Angefangen bei den Junioren des FC Wohlen, landete er über das Team Aargau im Nachwuchs des Grasshopper Clubs Zürich und des FC Basel. Auf seinem Höhepunkt wurde er zum Probetraining beim VfL Wolfsburg eingeladen. Dabei verletzte er sich allerdings, sodass aus dem Transfer nichts wurde.
Nach einer Rückkehr zur U23 des FC Wohlen und einem kurzen Intermezzo bei Muri beendete er mit nur 20 Jahren seine Karriere. «Ich habe dann früh auf den Beruf gesetzt und mich selbstständig gemacht», erzählt er. Aus seiner Zeit als Fussballer nimmt er aber dennoch einiges mit. «In meiner Jugend wollte jeder zum FC Wohlen. Egal ob aus Hägglingen, Büttikon, Waltenschwil, alle jungen Fussballer aus der Region zog es zum FCW. So etwas wollen wir auch beim SC Gjilani erreichen. Alle sollen zu uns in den Club wollen. Wir wollen ihnen eine gute Infrastruktur bieten und eine gute Förderung.»
Bajrami erklärt, dass sie in Zukunft stark auf die eigene Jugend setzen wollen. «Der vorherige Besitzer war sehr wohlhabend und hat viel ins Team investiert. Wir mussten zuerst einmal die Kosten senken. Irgendwelche Fantasielöhne können wir nicht zahlen. Aber unsere U21-Akademie ist sportlich sehr gut unterwegs. Wir wollen weiter in die Jugend investieren und Spieler von dort in die erste Mannschaft hochziehen.»
Dennoch sehen sich Bajrami und seine Vorstandskollegen auch nach interessanten Neuverpflichtungen um. Unter anderem konnte ein Cousin des Schweizer Nationalspielers Xherdan Shaqiri geholt werden. Und im Winter ist mit Albin Hoti sogar ein Spieler des FC Mutschellen gekommen.
Löhne sollen regelmässig gezahlt werden
Hoti, der zuletzt in Widen gelebt hat, ist begeistert von seinem neuen Verein. «Die Stadien sind nicht alle gleich gut hier im Kosovo, aber die Plätze sind sehr gut. Und das Niveau ist enorm hoch.» Um den Sprung in den Profifussball zu schaffen, hat Hoti vom FC Mutschellen eigens ein körperliches Aufbautraining erhalten. «Und trotzdem ist es körperlich schwierig mitzuhalten. Aber im Sommer möchte ich spätestens Stammspieler sein.»
Der Verein stellt Hoti auch die Wohnung. Die Strukturen sind also professionell. «In der Schweiz ist lediglich alles ein wenig besser organisiert», sagt der Fussballer. Bajrami: «Das stimmt. Wir versuchen aber möglichst viel Schweizer Mentalität und Professionalität und dadurch Struktur in den Verein zu bringen. Das ist nicht immer einfach. Aber allein, wenn wir die Löhne immer pünktlich zahlen, heben wir uns von so manchem Verein im Kosovo ab.»
Dass Spieler wie Hoti verpflichtet werden, ist auch eher die Ausnahme in der kosovarischen Liga. Fussballer aus tieferen Schweizer Ligen sind zwar interessant für die Clubs – Gjilani hat im Winter unter anderem Interesse an Wohlens Leotrim Nitaj gezeigt –, aber es ist schwierig, sie in den Kosovo zu locken. «Sie haben meist eine Arbeit in der Schweiz. Sie davon zu überzeugen, diese aufzugeben, um ein paar Jahre im Kosovo als Profis zu spielen, ist nicht so einfach.»
Die Tore fallen inzwischen
Bajrami betont, dass er und seine Kollegen keine Riesensummen in den Verein stecken können. Sie arbeiten alle nach wie vor in der Schweiz und unterstützen den Club aus Leidenschaft. Aber es tut sich einiges beim SC Gjilani. Der Staat finanziert ein neues Stadion, eine neue Homepage ist in der Entstehung und vieles mehr. «Ich könnte mir auch eine Zusammenarbeit mit Vereinen in der Schweiz vorstellen. Beispielsweise mit dem FC Wohlen», sagt Bajrami. Unterdessen hat das Team am vorletzten Spieltag mit 3:0 gegen Liria gewonnen und am letzten immerhin 2:2-unentschieden gegen den Stadtrivalen Drita gespielt. Die Tore scheinen auch nicht mehr zu fehlen. Bajrami und seine Freunde wollen beim SC Gjilani etwas Langfristiges entwickeln. Die Kurve zeigt in die richtige Richtung.