Freier – in Agenda und im Kopf
12.12.2025 MuriViel gebracht, viel gefordert
Beat Küng tritt als Gemeinderat zurück
Noch eine letzte Gemeinderatssitzung. Viel mehr bleibt nicht mehr. Nachdem Beat Küng im Mai 2017 als Murianer Gemeinderat gestartet ist, endet diese Zeit für ihn mit ...
Viel gebracht, viel gefordert
Beat Küng tritt als Gemeinderat zurück
Noch eine letzte Gemeinderatssitzung. Viel mehr bleibt nicht mehr. Nachdem Beat Küng im Mai 2017 als Murianer Gemeinderat gestartet ist, endet diese Zeit für ihn mit dem Jahreswechsel. «Ich freue mich auf mehr Freiraum», sagt er und meint dies gleich im doppelten Sinne. Denn die Zeit im Gemeinderat hat ihm zwar viel gebracht, aber auch viel von ihm gefordert. Beat Küng gewährt am Ende seiner Amtszeit tiefe Einblicke. --ake
Beat Küng blickt auf seine achteinhalb Jahre als Gemeinderat zurück
Ressort Hochbau – mit Kunstrasenfeld, Trainingshalle, Entwicklung Zentrum Bahnhof und Badi. Beat Küng hat intensive Jahre als Gemeinderat hinter sich. «Es hat fast immer Spass gemacht», sagt er und spricht aber auch über Momente und Situationen, die für ihn nicht einfach waren.
Annemarie Keusch
Das Nein kommt sehr schnell. Beat Küng hat es über acht Jahre lang am eigenen Leib erfahren. «Perfektionistisch veranlagt und Gemeinderat zu sein, das geht eigentlich nicht. Oder es braucht schlicht zu viel Ressourcen.» Den Perfektionismus abzustreifen – ebenfalls schwierig. «Ich habe gelernt, damit umzugehen», sagt er. In diesem Zusammenhang erzählt er etwas, was er all die Jahre vor der Öffentlichkeit geheim hielt. Um sich als Mensch zu schützen, um sich als Gemeinderat nicht zu schaden. «Nach dem ersten Gemeinderatsjahr war ich in einer Burnout-Klinik.» Dort habe er gelernt, trotz Druck besser auf sich selbst achtzugeben. Heute sagt Küng: «Ich bin sehr froh darüber, damals nicht aufgegeben zu haben.» Und er spricht davon, dass es dazugehöre, auf dem Weg zum Gipfel Talsohlen zu durchschreiten.
Solche Gipfel hat Küng als Gemeinderat erklommen. Wobei er die Tätigkeit viel eher mit einem Marathon vergleicht. «Obwohl ich ein Sportmuffel bin», sagt er und lacht. Ausarbeiten, Gespräche führen, Krisen bewältigen, über die Grenzen hinaus gehen, mit Leidenschaft und Unterstützung eines Teams – das braucht es im Marathon und als Gemeinderat, um Projekte zur Realisierung zu bringen. Die «Gmeind» ist quasi die Ziellinie. Küng hat sie mit mehreren Projekten erreicht, bemerkenswerterweise gleich mehrere im Bereich des Sports. Der Kunstrasen ist ein Beispiel, die Trainingshalle in der Bachmatten ein weiteres. «Was mit einer Niederlage für den Gemeinderat startete, ob kalkuliert oder nicht, endete in einem Happy End.» Ein Jahrzehnte altes Problem mit Kosten von weniger als vier Millionen Franken gelöst. «Sehr toll.»
Beste Ideen umsetzen
Das für ihn wichtigste Projekt ist aber ein anderes. «Der Bahnhof, eindeutig.» Die ganzen knapp neun Jahre hat es ihn beschäftigt, auch in die Vorgeschichte war Küng involviert. Auch beim «Heilungsversuch» und beim Neuanfang war er dabei. Dass dieser Neuanfang vor sechs Jahren an der «Gmeind» vom Souverän goutiert wurde, sei ein besonderes Erlebnis gewesen. «An der ‹Gmeind› im letzten Juni Resultate zeigen zu können, war umso schöner.» Jetzt geht es an die operative Umsetzung, die nun seine Nachfolgerin anpackt. «Natürlich, wir wären gerne noch schneller fortgeschritten», gesteht er.
Das Projekt Bahnhof sei aber beispielhaft, in mehrerlei Hinsicht. Weil die Bevölkerung breit miteinbezogen wurde. Küng nennt den Begriff «Schwarmintelligenz». Alle Ideen kommen auf den Tisch, die beste kristallisiert sich hinaus. «So sollte es in der Politik immer sein», findet er. Auch wenn dieser Prozess intensiv ist, länger dauert und mehr Energie braucht.
Damals in Kampfwahl gewählt
Rund neun Jahre ist es her, seit sich Beat Küng entschied, für den Gemeinderat zu kandidieren. «Ich wurde überredet», gesteht er unumwunden. Interesse an Politik habe er zwar schon immer gehabt. «Schon als Schüler saugte ich solche Informationen regelrecht auf.» Als Mitglied der Kommission bei der Bau- und Nutzungsordnungsrevision zog es ihm den Ärmel so richtig hinein. «Etwas beitragen, sich einbringen – das faszinierte mich.» Aber Küng traute sich diese Aufgabe nicht von Anfang an zu. Aber als er zusagte, stand er voll dahinter, nicht nur er, auch seine Frau und seine Kinder. «Die ganzen Jahre hindurch, auch wenn ich wegen des Amtes oft gestresster war. Sie wussten, dass es mir Freude macht, und unterstützten mich immer.»
Im Mai 2017 trat er das Amt an, nachdem er die Kampfwahl für sich entschied. Ende Jahr nun ist Schluss. «Ich bin froh, Druck abgeben zu können.» Aber Beat Küng spricht auch von Wehmut. Vor allem die «Gmeind» werde er vermissen. Weil er die Streitkultur dort immer sehr schätzte und auf hohem Niveau einordnet. «Es gefällt mir, wie in Muri miteinander diskutiert wird.» Durch die Traktanden zu führen, das mochte Küng. «Es ist die Art des Führens, die mir zusagt. Mit Argumenten, mit Fakten, mit Fingerspitzengefühl. Küng nennt es demokratisches Führen. Das hierarchische Führen indes empfand er die ganzen knapp neun Jahre als herausfordernd. «Sich im Hintergrund durchsetzen, das entspricht mir weniger. Ob im Gemeinderat, bei der Verwaltung oder bei anderen Involvierten.» In diesem Zusammenhang nennt der 51-Jährige vor allem auch die Prozesse, die ihm viel Energie abverlangten. «Diesbezüglich wurde ich anfangs auf dem falschen Fuss erwischt, war ein bisschen naiv, weil ich als Selbständiger noch nie in einer Firma gearbeitet habe. Dass es in der Zusammenarbeit in einer solch grossen Organisation so oft um Macht statt ums Machen geht, hatte ich so nicht erwartet.»
Intensiv und lehrreich
Die Bürokratie eindämmen, das gelang ihm nicht. Beat Küng spricht von einem Frust. Und er scheut sich nicht davor, von den schwierigen Momenten zu reden, seine Schwächen anzusprechen. «Abgesehen von diesen einzelnen Punkten war das Amt für mich aber genau das Richtige.» Intensiv und lehrreich seien die knapp neun Jahre gewesen. «Ein Abenteuer ausserhalb der Komfortzone.» Als Mensch habe er viel gelernt, auch über sich selbst. «Ich bin froh, Gemeinderat gewesen zu sein und würde es sofort wieder machen.» Trotzdem entschied er sich dazu, für keine weitere Amtsperiode zu kandidieren. Zum Gespräch nimmt er eine Kiste voller Ordner mit, die er später verstaut. «Das Büro zu Hause wird leerer.» Nur leicht sei ihm der Entscheid nicht gefallen. Er überlegte lange hin und her. Aber Küng sagt: «Den Entscheidungsdruck in einer hierarchischen Führungsposition will ich mir nicht mehr leisten.» Vor allem in dieser Dimension nicht. Und er vergleichts mit dem Marathonläufer. «Wenn du bei Kilometer 38 bist und plötzlich wieder über 42 Kilometer vor dir hast, dann rennst du nicht gleich schnell weiter.» Von einem veritablen Schlussspurt kann man bei Küng durchaus reden. An der Sommer-«Gmeind» das nächste Ja zur Entwicklung Bahnhof, an der Winter-«Gmeind» das dreifache Ja zur Badi-Sanierung. «Ja, das war eine schöne Ernte.» Zufriedenheit schwingt mit, auch Stolz.
Spruchreif ist noch nichts
Nun freut er sich auf eine ruhigere Zeit. Auf mehr Freiraum – in der Agenda und im Kopf. Eine neue Aufgabe sucht er sich deshalb nicht sofort. «Wobei, ich habe durchaus Ideen», sagt er und lacht. Spruchreif sei aber noch nichts. Zuerst wolle er jenem Zeit widmen, das in den letzten Jahren zu kurz kam: der Familie, den Freunden, der Musik und dem Bio-Hof.


