Fussball im Blut

  30.04.2021 Sport

Robert Niederberger ist eine Ikone beim FC Sins. Als Spielertrainer feierte er an der Seite von drei seiner vier Brüder den Aufstieg in die 2. Liga. Später sollte er zahlreiche Teams in seinem Stammverein trainieren. Und es gab es eine Phase, wo er sein heimisches Sins verliess, um in der NLB zu kicken und am Profifussball zu schnuppern. --jl


Klein, aber oho

Fussball, Serie «Unsere Regionalfussball-Stars von früher»: Robert Niederberger vom FC Sins

Robert «Robi» Niederberger war mit seinen 1,66 Metern körperlich nicht der grösste Fussballer. Gross war dafür seine Karriere. Er kratzte an der NLA, traf mehrmals auf Stéphane Chapuisat und wurde zur Ikone beim FC Sins.

Josip Lasic

Am 1. Mai 1990 hat der SC Zug die Chance, Vereinsgeschichte zu schreiben. Die Innerschweizer empfangen im Cup-Viertelfinal Lausanne. Bei den Waadtländern stehen insgesamt sechs damalige oder künftige Schweizer Nationalspieler auf dem Feld. Darunter Stéphane Chapuisat und Georges Bregy. Bei den Innerschweizern spielt auf der Position des linken Aussenverteidigers ein 1,66 Meter grosses Energiebündel aus dem Freiamt. Es ist Robert «Robi» Niederberger. Der schnelle, wendige Sinser kann mit seinem Team dem Lausanner Starensemble Paroli bieten. Die Führung wechselt mehrmals. Am Ende steht es 3:3 unentschieden nach der Verlängerung. Im Penaltyschiessen gewinnt Lausanne. «Wir waren so nahe dran, in den Halbfinal einzuziehen», sagt der Fussballer, der gern gegen Chapuisat gespielt hätte. Diese Ehre hatte sein Teamkollege auf der rechten Seite. «Er war ein einfacher Handwerker und hat den Superstar aus dem Spiel genommen.»

Niederberger sitzt 31 Jahre später am Wohnzimmertisch seines Hauses in Sins und erzählt. Fünf Jahre war er Stammspieler in der 1. Liga, sechs Jahre in der Nationalliga B. Das Cupduell gegen Lausanne ist der Höhepunkt aus dieser Zeit, in der er zweimal nahe dran war, zum Nationalliga-A-Spieler zu werden.

Der FC Sins ein Leben lang

Das nächste beeindruckende Erlebnis spielt sich 1995 ab. Der FC Sins trifft in den Aufstiegsspielen für die 2. Liga auf den FC Sarnen. Spielertrainer bei den Freiämtern ist ein damals 32-jähriger Robi Niederberger. Die Obwaldner sind favorisiert. Im Heimspiel führen die Freiämter in Unterzahl mit 4:2. Rund zehn Minuten vor Schluss kommt eine Flanke zu Niederberger. Tor. 5:2. «Der Schiedsrichter hat aber ein Foul unseres Stürmers gesehen und das Tor aberkannt. Stattdessen hat Sarnen kurz darauf auf 4:3 verkürzt», erzählt er. «Das Spiel bot alles. Einen Platzverweis für uns. Sieben Tore. Und fast acht Minuten Nachspielzeit, in denen wir die knappe Führung verteidigt haben.» Der Freiämter erzählt, wie siegessicher die Sarner vor dem Rückspiel waren. Im zweiten Aufeinandertreffen hätte ihnen ein 1:0-Sieg zum Aufstieg gereicht. Stattdessen gewinnt Sins erneut. 2:1. «Es waren enorm viele Zuschauer mitgereist. Sie haben den Platz gestürmt. Es war einfach der Wahnsinn. Wir, der kleine Dorfclub, haben den Favoriten geschlagen und sind aufgestiegen.»

Niederberger war nicht nur der Sinser, der «Chappi» und Lausanne das Leben schwer gemacht hat. Er ist auch eine Ikone in seinem Stammverein. Dort durchlief er alle Juniorenteams, war Spieler in der 1. Mannschaft, bei den Senioren und Veteranen und trainierte von Jung bis Alt 20 verschiedene Teams im Club. Heute ist er seit sieben Jahren Schiedsrichter an den Heimspielen der Sinser Junioren. «Schiedsrichter werden beim Verein immer benötigt. Und ich wollte diese Funktion auch noch kennenlernen.»

Elf Jahre dauerte das Intermezzo, in dem er nicht beim FC Sins war, sondern auf Leute wie Chapuisat und Bregy traf. In dieser Zeit hat der Sinser seine Karriere genutzt, um beruflich voranzukommen.

Von Ottmar Hitzfeld und dem FC Luzern gejagt

Aufgewachsen ist Niederberger in Sins mit vier Brüdern und zwei Schwestern. Die fünf Jungs Benny (Jg. 1962), Robert (1963), Beat (1965), Daniel (1969) und Marcel (1974) spielen alle Fussball. Robert ist der zweitälteste und der talentierteste. Als er zu den B-Junioren kommt, sagt ihm der Trainer, dass er zu einem höherklassigen Verein wechseln soll. «Er war der Meinung, dass ich talentiert war und stagnieren würde.» Er geht als 17-Jähriger zum SC Kriens und spielt nach kurzer Zeit für dessen Nationalliga-B-Team. Der Freiämter beweist sein Talent, kann aber den Abstieg in die 1. Liga nicht verhindern.

Vier weitere Jahre bleibt der Sinser in Kriens. Während dieser Zeit kommt der SC Zug auf ihn zu. Frisch in die NLB aufgestiegen, haben die Zuger NLA-Ambitionen. Dafür haben sie mit Ottmar Hitzfeld einen neuen Trainer verpflichtet. Der Fussballer sagt ab, weil er in die RS muss. Während der Woche kann er nicht trainieren und er geht nicht davon aus, dass er viel spielen wird. Er bleibt in Kriens.

In vier Jahren 1. Liga mit Kriens werden die Luzerner dreimal Gruppensieger. Dreimal verpassen sie in den Aufstiegsspielen die Rückkehr in die NLB. Niederberger will einen Schritt nach vorne machen. Drei Vereine sind an ihm interessiert. Der FC Luzern aus der Nationalliga A bietet ihm einen Halbprofi-Vertrag an. Er würde einen Bürojob erhalten, Punkteprämien, Zuschauerbeteiligungen. Der SC Zug meldet sich wieder, der nach dem Durchmarsch in die NLA wieder in die NLB abgestiegen ist. Und dessen Stadtrivale, der FC Zug, der frisch in die NLB aufgestiegen ist. Niederberger, der gelernte Sportartikelverkäufer, hatte während der Zeit in Kriens Mühe, Sport und Beruf unter einen Hut zu bringen. Der FC Zug bietet ihm eine gute Arbeitsstelle an. «Der Einstieg ins Berufsleben war mir wichtig. Deshalb habe ich dem FC Zug zugesagt.»

Welschland und die erste Begeg nung mit «Chappi»

Dort wird Niederberger vom Aussenverteidiger zum Manndecker umgeschult. «Das war nicht meine Lieblingsposition und wir spielten keinen attraktiven Fussball. Sportlich gesehen war das ein Rückschritt.» Der FC Zug steigt nach einer Saison wieder ab. Der Abwehrspieler spielt noch ein Jahr in der 1. Liga weiter. Danach reizt ihn die Westschweiz. «Der Plan war, dort eine Arbeit zu suchen, in der 2. Liga Fussball zu spielen und so Französisch zu lernen.» An seinem Arbeitsplatz lernt er den Goalietrainer des ES Malley kennen. Dieser arrangiert für den Sinser ein Probetraining beim damaligen NLB-Team. Dort kreuzen sich die Wege des Freiämters und Stéphane Chapuisats zum ersten Mal. Zwei Trainings bestreiten sie miteinander. Dann wechselt «Chappi» von seinem Stammclub nach Lausanne. Niederberger erhält einen Vertrag in Malley. Über Chapuisat sagt er: «Sein Talent war sofort ersichtlich.»

Gleich in der ersten Saison scheitert er mit Malley knapp in den Aufstiegsspielen zur NLA. Erneut hat Niederberger an der höchsten Liga gekratzt. Erneut hat es nicht geklappt.

Fussballpause und der SC Zug

Nach Malley will Niederberger Englisch lernen. Er meldet sich für einen dreimonatigen Sprachkurs in Toronto an. Anschliessend bereist er mit seiner heutigen Frau Barbara die Westküste der USA. Sechs Monate hat der Freiämter Pause vom Fussball. Am 31. Dezember 1989 kehren Robert und Barbara Niederberger zurück. Niemand weiss davon ausser dem SC Zug, der ihn im dritten Anlauf endlich verpflichten kann. Bis 1992 spielt er für die Zuger in der zweithöchsten Liga. Dann erhält er die Möglichkeit, die Agentur der AXA-Versicherung in Sins zu übernehmen, die er heute noch leitet. Er kehrt zu seinem Stammverein zurück, reisst sich aber nach einer Saison das Kreuzband. Ein Jahr später ist die Verletzung auskuriert und Sohn Michael auf der Welt. Niederberger wird Spielertrainer bei den Sinsern.

Die Rückkehr nach Sins

Es ist wie die Rückkehr eines verlorenen Sohnes. In dieser Zeit läuft das Team in einigen Spielen gleichzeitig mit vier Niederberger-Brüdern auf. Robert steht mit seinen jüngeren Geschwistern Beat, Daniel und Marcel auf dem Platz. Nach dem erstmaligen Aufstieg des Clubs in die 2. Liga trainiert er die Mannschaft noch ein Jahr weiter. Der Ligaerhalt gelingt. Die Dreifach-Belastung Beruf, Spielertrainer und Familie wird ihm danach allerdings zu viel. Nachdem 1992 Sohn Michael zur Welt kam, wird Niederberger 1995 auch Vater von Tochter Denise. «Ich wollte Zeit mit der Familie verbringen können und den Beruf konnte ich natürlich auch nicht aufgeben», erzählt er. Deshalb beendet er seine Aktiv-Trainerkarriere.

Dem Sport und dem FC Sins bleibt er treu. Mit den Senioren des Vereins kann er zweimal aufsteigen und den Meistertitel in der Innerschweiz feiern. Dann übernimmt er die F-Junioren, als sein Sohn mit dem Fussball anfängt. Bis zu den D-Junioren begleitet er ihn. «Danach sollte er auch mal andere Trainer sehen.» Bis 2014 trainierte Niederberger diverse Juniorenteams im Club. Er bezeichnet sich nach wie vor als Fussball-angefressen. Und er hatte eine spannende Karriere. Der kleine Mann, der aus dem kleinen Sins auszog, um gegen die «Grossen» des Schweizer Fussballsports anzutreten, und der eine Grösse bei seinem Stammverein wurde.


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