Ganz anders, als es sein sollte
26.09.2023 MuriZu kalt, zu heiss, zu feucht
Einblick ins Archiv im Klosterkirchturm
Es ist mehr als nur ein Raum, in dem zig alte Dokumente gelagert werden. Das ist für Josef Kunz, den langjährigen Kirchenarchivar der katholischen Kirchgemeinde Muri klar. ...
Zu kalt, zu heiss, zu feucht
Einblick ins Archiv im Klosterkirchturm
Es ist mehr als nur ein Raum, in dem zig alte Dokumente gelagert werden. Das ist für Josef Kunz, den langjährigen Kirchenarchivar der katholischen Kirchgemeinde Muri klar. Gerade deswegen sind wohl ganz viele enttäuscht, die das Archiv im Turm des Klosters erstmals sehen. Die Platzverhältnisse sind offensichtlich viel zu eng. «Zudem sind diverse Anforderungen nicht erfüllt», sagt Kunz. Und spricht zum Beispiel die baulichen Anforderungen an, etwa in Bezug auf Temperatur und Luftfeuchtigkeit.
Ein neues Archiv wäre die Lösung, als Teilprojekt von «Inspiration Matterhaus». Am 19. November wird an der Urne entschieden. --ake
Einblick in das Archiv des Klosters Muri und der katholischen Kirchgemeinde
Am 19. November wird an der Urne über das Projekt «Inspiration Matterhaus» entschieden. Als Teil davon sollen neue Räumlichkeiten für ein Archiv entstehen. Räumlichkeiten, die den Anforderungen an ein solches auch gerecht werden. Dass dies aktuell alles andere als der Fall ist, zeigte Kirchenarchivar Josef Kunz.
Annemarie Keusch
Mit einem Tuch überdeckt stehen die Figuren für Kinderführungen Kloster in der Ecke. Auch Reliquien sind da. Es ist der Vorraum des eigentlichen Archivs im Turm der Klosterkirche. Das Regal an der Wand ist voll. «Im Archivraum hat es zu wenig Platz. Ich brauche den Vorraum auch, um Unterlagen zu sortieren und lagern», sagt Kirchenarchivar Josef Kunz. Ein kleiner Bürotisch ist dann sein Arbeitsort, wenn er im Archiv tätig ist, einsortiert, sichtet, liest. Dass dieser Ort einsam ist, vielleicht etwas karg, das stört Kunz nicht. Er kennt die Archive vieler Pfarreien, als Historiker sind das genau die Orte, die für ihn spannend sind. Und trotzdem sagt er: «In Muri braucht es dringend einen neuen Standort für ein Archiv.»
Argumente kann er innerhalb von einer guten Stunde nicht nur viele nennen, sondern sie auch zeigen und untermauern. Seit Mitte 1990er-Jahre ist das Archiv als Folge des Pfarrhaus-Umbaus im Klosterturm untergebracht. «Ursprünglich als Provisorium gedacht, wurde es zum Providurium», sagt Kunz. Dabei habe man nicht an die Anforderungen an einen solchen Raum gedacht. «Ein Archiv zu führen, heisst nicht, einfach ganz viele Unterlagen abzulegen.» Es sei ihm zwischenzeitlich fast schlecht geworden, als er sich von Grund auf mit dem Archiv befasst habe. «Als etwa wieder kleine Tierchen über meine Hände liefen», sagt Kunz. Papierflöhe, die die Tinte ausbleichen, das Papier angreifen. «Wenn man dagegen nichts macht, sind ganz viele Dokumente sehr schnell unwiderruf lich verloren.» Dagegen getan hat die katholische Kirchgemeinde in den letzten Jahren etwas. «Für teures Geld Bücher restaurieren lassen», weiss Kunz. Das wäre nicht nötig, wenn die Bedingungen im Archiv anders wären. Davon ist er überzeugt.
Vom Bischof angeordnete Gebete verraten viel über Geschichte
Wie ein Archiv geführt werden soll, das steht nicht jeder katholischen Kirchgemeinde frei. Kunz weiss, dass das Bistum klare Vorgaben stellt, etwa in Bezug darauf, was alles archiviert werden muss, von Bauplänen über Rechnungen bis hin zu Dokumenten, die das religiöse und gesellschaftliche Leben abbilden – Listen von Beerdigungen, Taufen, Hochzeiten, aber auch Predigten oder Personalien. Urkunden, Verträge, Jahresberichte, Protokolle, Korrespondenzen – «alles Wichtige», fasst Kunz zusammen. Und für den Historiker ist klar: «Das ist keine Alibiübung. Wir machen quasi Zukunftsarbeit, damit in Hunderten Jahren nachvollziehbar ist, wie unser Leben heute ist.»
Dass 1679 vom Bischof angeordnet wurde, zu beten, um von der drohenden Pest bewahrt zu bleiben. Oder dass im gleichen Jahrhundert gebetet wurde, dass der drohende Krieg gegen die Türken gewonnen werden kann und später ein Dankgebet angeordnet wurde, dass ebendieser Sieg errungen wurde, zeigt Kunz: «Aus solchen Archiven lässt sich die Geschichte ablesen.»
Gefährlich grosse Temperaturschwankungen
Warum wird ein solches Archiv nicht digital geführt? «Das höre ich immer wieder. Aber vielleicht sind USB-Sticks in hundert Jahren nicht mehr lesbar. Ausdrucken und archivieren ist die sicherste Variante», davon ist Kunz überzeugt. Damit diese Dokumente dann auch möglichst lang und möglichst unversehrt auf bewahrt werden können, braucht es einiges. «18 Grad Celsius und 50 Prozent Luftfeuchtigkeit», zitiert Kunz aus den baulichen Anforderungen an Archive in ganz Europa. Die neuen Mitarbeitenden der Pfarrei und die neuen Mitglieder der Kirchenpflege sind verwundert, als Josef Kunz die Werte nennt, die in Muri herrschen. «Im Winter minus zwei bis minus drei Grad, im Sommer 24 Grad. Und die Feuchtigkeit steigt bis über 70 Prozent.»
Ebenfalls ist die Feuersicherheit nicht gegeben. Gleiches gilt für die Platzreserven für einige Jahrzehnte, die vorgeschrieben sind. «Hier haben wir jetzt schon keinen Platz im eigentlichen Archiv und lagern Diverses im Vorraum», sagt Kunz. Und auch der Holzboden, der von Würmern befallen werden könnte, die das Papier befallen, sei nicht ideal. Die Dringlichkeit für ein neues Archiv sei also hoch. Es ist einer der Aspekte, die das Projekt «Inspiration Matterhaus» vereinte. An der Kirchgemeindeversammlung noch äusserst knapp angenommen, folgte das Referendum. Am 19. November entscheiden nun die Stimmberechtigten der katholischen Kirchgemeinde, ob das Grossprojekt realisiert wird.
Pater zeichnete die neue Kapelle in Althäusern
Josef Kunz hoffts, für sein Archiv und für seine Schätze darin. Etwa das erste Protokollbuch der Kirchgemeinde von 1839 oder das älteste Dokument, ein Ablassbrief von 1341, den er nur mit Handschuhen anfasst. Oder die Zeichnungen der Patres, etwa der damals neuen Kapelle in Althäusern. Und er hofft es vielleicht auch ein wenig für sich selbst. Denn einladend wirkt der Vorraum, wo er jeweils arbeitet, nicht – auch bei angenehmen Temperaturen nicht.