Gegen die Wegwerfgesellschaft
07.11.2023 MuriDer Energiepreis Muri geht in diesem Jahr an den Hol- und Bringmärt
Gute Ideen müssen nicht neu sein – das beweist der Hol- und Bringmärt. Seit 2007 setzen sich Freiwillige dafür ein, dass gebrauchte Gegenstände ein neues Zuhause finden. ...
Der Energiepreis Muri geht in diesem Jahr an den Hol- und Bringmärt
Gute Ideen müssen nicht neu sein – das beweist der Hol- und Bringmärt. Seit 2007 setzen sich Freiwillige dafür ein, dass gebrauchte Gegenstände ein neues Zuhause finden. Diese Arbeit wurde nun ausgezeichnet.
Celeste Blanc
Daniela Schweizer und Susanne Baumann fallen sich in die Arme. 17 Jahre ist es her, dass die beiden Frauen beim «Nuggi-Zmorge» über die Wegwerfmentalität der Gesellschaft diskutiert haben. So viele Kleider und Spielsachen, die eigentlich intakt wären, werden weggeworfen und dafür stets neue Dinge gekauft. Und nicht nur bei den Kindersachen, auch beim Frühlingsputz, bei einem Umzug und bei Umbauten wird ausgemistet – und oftmals Gegenstände weggeworfen, die man eigentlich noch brauchen könnte. «Und so haben wir angefangen, den Hol- und Bringmärt zu organisieren. Ohne zu wissen, wie es genau weitergehen soll», blickt Daniela Schweizer zurück. Das war 2007 gewesen. Und mit den Jahren ist die Idee gewachsen: Dreimal im Jahr findet der Tauschmarkt statt, an welchem mittlerweile um die 50 Personen Gegenstände abgeben, die von doppelt so vielen Besuchenden begutachtet und grösstenteils dann mitgenommen werden.
Sinnvolles zu tun, zahlt sich aus
Der Hol- und Bringmärt entwickelte sich zum Erfolgskonzept und ist heute nicht mehr aus dem Murianer Jahreskalender wegzudenken. Nun wurde das Engagement der Initiantinnen Susanne Baumann und Daniela Schweizer sowie des Teams von Helferinnen und Helfern mit dem Energiepreis ausgezeichnet. «Total überraschend und einfach grossartig», freut sich Susanne Baumann. «Wir sind stolz, es so weit geschafft zu haben.» Die Auszeichnung sei für die beiden Frauen ein Beweis dafür, dass sinnvolle Arbeiten immer eine Zukunft haben werden.
Eine Geschichte mit Bestand
Mit dem Energiepreis wurde das wertvolle Engagement des Hol- und Bringmärt ausgezeichnet
Der Hol- und Bringmärt bietet drei Mal im Jahr die Möglichkeit, intakte Gegenstände an Personen weiterzugeben, die sie brauchen können, anstatt sie wegzuwerfen. Und dies seit bereits 17 Jahren. An der Preisübergabe wird der Tauschmarkt als «Königsweg» genannt und seine Wichtigkeit für die Gemeinde betont.
Celeste Blanc
Das Klirren der Weingläser wirkt fast ein bisschen unwirklich zwischen dem Krachen und Scheppern, das vom Recycling-Paradies her dröhnt. Während reges Entsorgen den Lärm verantwortet, gilt es vis-à-vis, konkret auf dem Parkplatz der Polytronic International AG, das Engagement gegen das Entsorgen von intakten Gegenständen zu würdigen. Damit hat der Hol- und Bringmärt die Fachjury des Energiepreises heuer von sich überzeugen können. «Das Team leistet einen wichtigen Beitrag zum ressourcenschonenden Umgang mit Materialien und Gegenständen verschiedenster Art», erklärt Stefan Staubli, Präsident Muri Energie Forum. «Und das seit sehr langer Zeit in kompletter Freiwilligenarbeit.»
Nicht wie eine Büchse Ravioli
Vom Gemeinderat anwesend war Beat Küng. Für ihn ist der Hol- und Bringmärt ein schönes Beispiel dafür, wie energieeffizientes Handeln und die Abdeckung vieler Ansprüche einhergehen können. «In der Politik ist das keine leichte Aufgabe», weiss er. Engagement aus der Bevölkerung, wie es der Hol- und Bringmärt zeigt, sind Beispiele für eine hohe Qualität in der Gemeinde. Als Metapher bringt Koch das Kochen des Mittagessens an. «Entweder kocht man eine Büchse Ravioli, oder man nimmt sich Zeit, ein ausgewogenes, gesundes Essen auf den Tisch zu bringen.» Beides habe am Schluss den gleichen Effekt. «Unterscheiden tut es sich aber von der Qualität her.» Zunehmend energieeffiziente Schritte machen, Projekte wie den neuen Bahnhof nachhaltig realisieren und die Bedürfnisse der Bevölkerung berücksichtigen und miteinbeziehen – all dies werde in der Gemeinde Muri gelebt. «Und somit sind wir immer bestrebt, den Königsweg zu gehen», erklärt Küng. Einen Königsweg, den der Hol- und Bringmärt bereits seit knapp zwei Jahrzehnten geht. «Gegenstände aus dem materiellen Überfluss der Bevölkerung werden durch das Freiwilligenengagement nicht einfach weggeworfen, sondern jemandem zur Verfügung gestellt, der Freude daran hat. Ein ideales Beispiel dafür, wie Bedürfnisse und Energieeffizienz gelebt werden können.»
Auch Produktionsenergie wird gewahrt
Zum 12. Mal wird der Energiepreis Muri durch eine Jury, bestehend aus dem Gemeinderat, der Kommission Umwelt und Energie, Bau und Planung sowie Vertretern des Gewerbevereins, vergeben. Mit der Auszeichnung sollen Beispiele aus allen Bereichen der Gesellschaft ausgezeichnet werden, die einen Teil zur Steigerung der Energieeffizienz, zur Einsparung von Energie, zur Anwendung von erneuerbaren Energien, zu effizienten und ressourcenschonenden Prozesstechniken oder Mobilitätskonzepten beitragen. Im Fall des Hol- und Bringmärt betrifft dies auch das langjährige Engagement gegen die Wegwerfmentalität, so Stefan Staubli. «Und gleichzeitig wird durch diese Arbeit nicht nur der Gegenstand, sondern auch die Energien, die es für seine Produktion brauchte, gewahrt.» Er hebt einen alten Tontopf hoch zur Veranschaulichung hoch. «Ein Tontopf wird bei Höchsttemperaturen gebrannt. Wirft man den Tontopf weg, wirft man auch die Energie weg, die darin steckt.» Es sei nach wie vor bedenklich, wie dieser wesentliche Aspekt heute nach wie vor übersehen werde. Auch deshalb sei der Hol- und Bringmärt wichtig für die Gemeinde und «absolut nachahmungswürdig». «Der Hol- und Bringmärt ist eine Erfolgsgeschichte, eine Geschichte mit Bestand.»
Angebot wird breit getragen
Für die Freiwilligen, die sich am Holund Bringmärt beteiligen, ist die Auszeichnung eine grosse Würdigung ihrer Arbeit. Nicht nur, dass man sich für die Nachhaltigkeit einsetzt, auch schaffe der Tauschmarkt menschliche Momente, indem Kontakte geknüpft werden können. «Wenn man dann sieht, wie sich die Menschen mit dem Thema auseinandersetzen und gezielt nur das mitnehmen, was sie wirklich brauchen, ist das sehr berührend», erklärt Isabelle Brönnimann, die seit 2017 als Freiwillige mitwirkt. Und für die Initiantinnen Daniela Schweizer und Susanne Baumann wird mit der Auszeichnung durch den Energiepreis ein Stück weit auch ein Lebenswerk ausgezeichnet. «Am Anfang war es still um den Markt. Erst nach und nach, durch viel Mund-zu-Mund-Werbung, wurde das Angebot bekannter. Dass heute so viele die Termine schon im Vorfeld freihalten und das Angebot auch tatsächlich wahrnehmen, dafür sind wir dankbar», so Schweizer und Baumann. Und auch, dass der Anlass von Unternehmen unterstützt wird, wie dem Recycling-Paradies und der Polytronic, auf deren Parkplatz man jeweils seinen Marktstand aufstellen kann, sei nicht selbstverständlich. «Auch dank diesem Goodwill konnten wir so lange bestehen.»
Die Daten für das kommende Jahr sind bereits bekannt. Der Hol- und Bringmärt findet 2024 unter anderem vor den Umzugsterminen, also am 23. März, 22. Juni und 21. September statt.