Gesucht: Lehrlinge auf dem Bau

  16.02.2021 Muri

In der Baubranche sind viele Lehrstellen noch nicht besetzt

Lehrstellen im Baugewerbe sind wenig gefragt. Das sagt Urs Beyeler, Präsident des Gewerbevereins Muri und Umgebung. Die gleiche Feststellung macht Rolf Bucher von der Bucher und Joho AG in Boswil und Waltenschwil. Auch in seinem Unternehmen sind noch Lehrstellen frei.

Annemarie Keusch

Für Alex Jungblut ist es der Traumjob. Der 17-jährige Boswiler ist im zweiten Lehrjahr als Maurer. «Ich war schon immer gerne an der frischen Luft», sagt er. Das Handwerkliche gefällt ihm, auch wenn die wetterlichen Bedingungen in den letzten Tagen prekär waren. «Da müssen wir durch. Dafür ist es im Sommer umso schöner», sagt der Lehrling. Wie Jungblut geht es nicht vielen Jungen. Die Lehrstellen in der Baubranche sind nicht alle beliebt.

Auch bei der Bucher und Joho AG, wo Jungblut seine Lehre absolviert, sind für nächsten Sommer noch Lehrstellen frei. Als alarmierend schätzt Rolf Bucher, Geschäftsinhaber, die Situation nicht ein. «Die Lage ist in den letzten Jahren mehr oder weniger gleichbleibend. Es gab und gibt Jahre mit vielen und solche mit weniger Lehrlingen», sagt Bucher.

Digitalisierung auch hier

Er spricht von einer falschen Einschätzung, dass viele Leute meinen, ein akademischer Bildungsweg sei gegenüber einer Berufslehre, bei der man schmutzige Hände bekommt und körperlich arbeiten muss, mehr wert. Dabei seien die Berufsaussichten nach einer handwerklichen Lehre bestens. Zudem sagt Bucher: «Gebaut wird überall und dazu braucht es auch in Zukunft gut ausgebildete Fachleute.» Zudem schreite die Digitalisierung auch auf dem Bau mit grossen Schritten voran. «Die diversen Maschinen und Geräte erleichtern uns allen die körperliche Arbeit ungemein.» Und sie machen die Arbeit auch sicherer.

Trotzdem, für viele Junge ist die Lehre auf dem Bau nicht attraktiv. Fachkräftemangel könnte eine Folge davon sein. Urs Beyeler, Präsident des Gewerbevereins Muri und Umgebung, spricht über diese und andere Herausforderungen, die im Lehrstellenbereich auf Firmen und Jugendliche zukommen.


Mangelware Lehrstellen?

Urs Beyeler, Präsident Gewerbeverein Muri und Umgebung, spricht über die aktuelle Lehrstellensituation

Wie schaut es bei den Lehrstellen im Bezirk aus? Was bedeutet die Coronapandemie für Jugendliche, die eine Lehrstelle suchen, bereits in der Lehre sind oder diese demnächst abschliessen? Urs Beyeler blickt trotz vieler Herausforderungen positiv in die Zukunft.

Susanne Schild

Dem Gewerbeverein Muri und Umgebung sind die Gemeinden Muri, Boswil, Bünzen, Besenbüren, Merenschwand, Buttwil, Aristau, Beinwil, Bettwil, Benzenschwil, Geltwil und Kallern angeschlossen. Zu seinem Aufgabenfeld zählt unter anderem die Förderung und Unterstützung des beruf lichen Bildungswesens vom Lehrling bis zum Unternehmer. Urs Beyeler ist Präsident des Vereins. Ende 2008 übernahm er die Elektro Moser AG, in der er schon tätig war, und führt sie seitdem unter dem Namen Elektro Beyeler GmbH. Er selbst bildet in seinem Betrieb aktuell vier Lehrlinge aus.

Die Frage, ob denn der Gewerbeverein in dieser Zeit generell mehr gefragt sei als bislang, beantwortet Urs Beyeler mit einem klaren «Ja». «Für uns ist es jetzt wichtig, das Signal zu setzen, dass wir für unsere Mitglieder da sind.» Man versuche ein Sprachrohr für die Anliegen der Mitglieder zu sein, zu informieren und ihnen zur Seite zu stehen. «Aber auch wir können nicht zaubern, die Entscheidung trifft letztendlich der Kanton oder der Bund. Mit allen Konsequenzen.»

Der persönliche Kontakt und Austausch fehlt

Das Leben hat sich verändert. Auch das des Gewerbevereins. Keine Generalversammlung, kein Frühlingsapéro, keine anderen gemeinsamen Aktivitäten. Sehr eingeschränkter persönlicher Kontakt unter den Gewerblern bedeute auch eingeschränkten Austausch. Sei es, was die aktuelle Lehrstellensituation oder die Lage an sich betreffe. Dennoch habe man für jeden ein offenes Ohr. Aus seinem persönlichen Erfahrungskreis kann Beyeler momentan nur eines bezüglich Lehrstellensituation sagen: «Es kommt nach wie vor auf die Branche an.» In der Gastround Eventbranche liege alles auf Eis. Auch der Schweizer Messebau wurde von 100 auf 0 heruntergeschraubt. «Dort wird es mit Sicherheit schwierig», prognostiziert Beyeler. Ob vor, während oder nach der Lehre. Hingegen im Baugewerbe beispielsweise werden nach wie vor Lehrlinge gesucht. «Dort sind nicht die Lehrstellen Mangelware, sondern die Lehrlinge.»

Auf die Frage, ob denn jetzt in der Krise die weniger beliebten Lehrberufe beliebter werden würden, antwortet er: «Nicht beliebter, aber vielleicht begehrter.» Im Berufsfeld Maurer oder Gipser gebe es praktisch keine Lehrlinge mehr. Hier müssen die Unternehmer stark aktiv werden, um den Bedarf überhaupt abdecken zu können. Vielleicht kommt es ja in diesen Branchen durch Covid zu einer positiven Entwicklung, was den Nachwuchs anbelangt.

Mit der Lehre Perspektiven schaffen

Die Unterstützung für Lehrstellensuchende oder Ausgelernte ist kantonal geregelt. Der Gewerbeverein habe hierfür keine spezielle Plattform, so Beyeler. Darauf war und ist man nicht ausgerichtet. Man habe andere Schwerpunkte gesetzt. Mit dem Lehrlingsaward beispielsweise wolle man den Lernenden den Weg der Berufslehre näherbringen. «Nicht nur die Matur zählt», ist hier die Botschaft.

Auch mit Berufe Muri+ würde man versuchen, möglichst viele Berufswege bekannt zu machen. Einen Lehrstellenbonus hält Urs Beyeler persönlich für den falschen Weg. «Die Lehre ist ein grundsätzlicher Entscheid.» Nicht nur für den, der eine Lehre beginnen möchte, sondern auch für das Unternehmen, das eine Lehrstelle zur Verfügung stellt. Für den Betrieb bedeute es grundsätzlich eine Mehrbelastung. Aber die Mehrbelastung würde auch einen Gewinn für das Unternehmen mit sich bringen. Denn Nachwuchs zu fördern, heisst ja letztendlich, Perspektiven für die Zukunft des Unternehmens zu schaffen, ob nun mit Covid oder ohne. Und nicht nur für das Unternehmen, sondern auch für den Lernenden. Auf dem aktuellen Markt sei es momentan wirklich schwierig in gewissen Branchen, geeignetes Fachpersonal zu akquirieren. Lehrlinge bedeuten nicht nur mehr Arbeit, sondern auch frischen Wind und neue Ideen. Man bleibe am Ball, müsse sich selbst ständig auf dem Laufenden halten, sich weiterbilden als Betrieb, um andere ausbilden zu können. Somit schaffe man eine Basis für die eigene unternehmerische Zukunft.

Die Zusammenarbeit von Schule und Lehrbetrieb funktioniert

Die Zusammenarbeit mit den Schulen gestaltet sich unter Covid auch nicht anders als zuvor. Mit Berufe Muri+ habe man eine Plattform geschaffen, die es den Lehrstellensuchenden ermögliche, aktiv in das Berufsleben zu schnuppern. «Ein Berufsfeld sehen und erleben ist besser, als nur darüber zu hören oder zu lesen», ist Beyeler überzeugt. Auch das Berufsatelier bei der Gewerbeausstellung Muri 2021 würde dazu beitragen, dass die Lehrlinge zeigen können, was sie machen, wozu sie fähig sind, was sie alles auf die Beine stellen können. «Theorie ist nötig, Praxis ist hingegen wertvoll», betont der Präsident. Wichtig sei, dass die Lehrlinge in den Betrieb integriert sind. Durch Covid habe sich in der Zusammenarbeit mit den Lehrbetrieben nichts verändert, streicht Beyeler heraus.

Ebenso funktioniere das Homeschooling für Lehrlinge. Doch der Präsenzunterricht sei nach wie vor besser, ist Beyeler überzeugt. Gerade in praxisorientierten Berufen stellt es eine Schwierigkeit dar. Das Soziale fehlt hier einfach. Der Kontakt, der Austausch. Ein Handwerker lebt von seinem Arbeitsumfeld.

Das persönliche Bewerbungsgespräch ist wichtig

Eine Bewerbung schaut in den meisten Betrieben auch in Coronazeiten nicht anders aus. Weiterhin würden Schnupperlehren angeboten werden. «Man muss Berührungspunkte schaffen. Die Chemie zwischen Ausbilder und Lehrling muss stimmen.» Eine Bewerbung nur mit E-Mail und Zoom-Bewerbungsgespräch funktioniere vielleicht noch im kaufmännischen Bereich, aber im Handwerk sehe das anders aus. «Man arbeitet dort vier Jahre jeden Tag als Team zusammen. Ob mit oder ohne Maske. Da muss schon Sympathie von beiden Seiten vorhanden sein, um erfolgreich arbeiten zu können.» Trotz aller Herausforderungen blickt Urs Beyeler positiv in die Zukunft. Für ihn steht fest, dass es gewisse Branchen ob mit oder ohne Covid in den nächsten Jahren schwer haben werden. Sei es, Lehrlinge zu finden oder Lehrstellen zu schaffen. «Wir brauchen Fachkräfte, um unsere Unternehmen weiterführen zu können.

Wenn alle nur mehr die Matur machen, dann schaut es mit und ohne Covid düster aus.» Auch wenn die Berufe mit einem «schlechten Image» noch mehr gemieden werden, werde es schwierig. «Eine Lehre bietet eine Vielzahl von Möglichkeiten, egal in welcher Branche, und ist die beste Lebensschule, die es gibt», ist Beyeler überzeugt.

 


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