Grossandrang in der Backstube
24.09.2024 MuriProduzieren vor Publikum
Nacht der offenen Backstube bei Kreyenbühl
Wenn ein Unternehmen nachts zu sich einlädt und die Leute in Massen aufmarschieren, hat es definitiv etwas richtig gemacht.
Es hätten auch 20 ...
Produzieren vor Publikum
Nacht der offenen Backstube bei Kreyenbühl
Wenn ein Unternehmen nachts zu sich einlädt und die Leute in Massen aufmarschieren, hat es definitiv etwas richtig gemacht.
Es hätten auch 20 kommen können. Tatsächlich dürften es 600 bis 700 Personen gewesen sein, die sich in der Nacht der offenen Backstube einen Eindruck verschaffen wollten, wie an der Zürcherstrasse in Muri produziert wird. Vom Start um 20 Uhr bis gegen Mitternacht drängten sich teilweise 50 Personen gleichzeitig in der Backstube. Im Vorzelt durften die Gäste ein eigenes Mailänderli-Herz verzieren und mit einem Gutschein für Getränk und Gebäck den Abend im Café an der Luzernerstrasse fortsetzen.
Die nächtliche Aktion bei Kreyenbühl stiess auf riesiges Interesse
Sie steht für Genuss-Handwerk, die Bäckerei von Regula und Buki Kreyenbühl in Muri. In der Nacht der offenen Backstube liessen sie sich bei der Produktion über die Schultern blicken.
Thomas Stöckli
Wer an der Zürcherstrasse am Freitagabend noch einen Parkplatz ergattern kann, hat Glück gehabt. Dabei sind die meisten zu Fuss gekommen. Schon im Freien wird es eng, wer einen Blick in die Backstube erhaschen will, darf definitiv nicht unter Platzangst leiden: 50 Schaulustige drängen sich zu Spitzenzeiten um die grosse Hauptarbeitsfläche. Übers Headset und die Lautsprecheranlage erklärt ihnen Buki Kreyenbühl, was grad zu sehen ist. «Schon um 20 Uhr sind die ersten Interessierten angestanden», verrät der selbstständige Bäckerei-Konditorei-Unternehmer. Bis 23 Uhr sollte der Andrang ungebrochen anhalten. Das spürt auch das Kreyenbühl-Café an der Luzernerstrasse. Hier sind die Gäste nach dem Backstubenbesuch zu einem Getränk und etwas Feinem aus der Backstube eingeladen. Um 20.45 Uhr seien die ersten gekommen, die letzten einiges nach Mitternacht gegangen, sagt Esther Hiltbrunner vom Café-Team und berichtet von sehr angenehmen und freundlichen Kontakten.
Betrieb während ganzer Nacht
Nach 23 Uhr nimmt in der Backstube die Zahl der Besucherinnen und Besucher ab, in kleineren Wellen folgen noch einige Rückkehrer vom Ausgang, und selbst in der Zeit von 2.30 bis 4 Uhr stehen fast durchgängig vier, fünf Gäste in der Backstube, bevor der Andrang um 5 Uhr wieder anzieht. Jetzt sind es die Frühaufsteher, welche die besondere Gelegenheit noch vor dem Frühstück nutzen. Ganz so turbulent wie am Vorabend wird es am Samstagmorgen allerdings nicht mehr.
Trotzdem ist es eine strenge Nacht für die Mitarbeitenden der Bäckerei Kreyenbühl. Eine Nacht, die sie im Zwei-Schicht-Betrieb stemmen. Die erste Hälfte der Belegschaft ist schon um 19 Uhr da, eine Stunde bevor die Besucher reingelassen werden. Bis um 3 Uhr produzieren sie inmitten ihres Publikums, in ungewohnt kleinen Chargen, um den Gästen ein möglichst abwechslungsreiches Programm zu bieten. Um 3 Uhr erfolgt dann der Schichtwechsel. Die zweite Hälfte der Belegschaft führt den Schaubetrieb bis 10 Uhr weiter, gegen 11 Uhr haben sie Feierabend.
Fast durchgemacht hat derweil der Chef selbst. Gerade mal zwei Stunden habe er sich hingelegt, verrät er. Sonst wird er nicht müde, allerlei Spannendes zu erzählen. Etwa, dass die Sujets der beliebten Spitzbuben saisonal angepasst werden, vom Osterei über den «Sommervogel» und die Kuh, die aktuell produziert wird, bis zum herbstlichen Kürbis. Was gleich bleibt, sind die Rezeptur für den Mailänderliteig und die Konfifüllung. «Alles, was bei uns im Laden ist, haben wir selbst produziert.»
Bis zur «Champions League»
Auch Hobbybäcker können in der Nacht der offenen Backstube profitieren. Es muss ja nicht jeder gleich einen Zopf aus acht Strängen flechten können – «das ist die Königsdisziplin», sagt Buki Kreyenbühl. Auch einen Ofen mit 2,5 Tonnen Schamottstein hat kaum jemand zu Hause. «Das gibt dem Brot über die Kruste den besonderen Charakter», so der Profi. Aber dass zweimaliges Anstreichen einen besonderen Glanzeffekt bringt, lässt sich durchaus kopieren. Und: «Ein guter Wein und ein Käse müssen reifen», sagt Kreyenbühl, «genauso braucht auch ein gutes Brot seine Zeit.» Als Beispiel nennt er das Kloster-Sauerteigbrot, welches in drei Tagen ganz ohne Hefe entsteht: Am ersten Tag der Vorteig, am zweiten der Hauptteig und nach dem Aufgehen bei Raumtemperatur dann am dritten Tag das Backen. «Das ist die ‹Champions-League› des Brotbackens und macht auch entsprechend Freude beim Essen.» Die Geduld beim Backen zahlt sich nicht zuletzt für Leute mit heiklem Magen aus: Viel Zeit heisst auch, dass die Enzyme im Teig abgebaut werden und damit die Verträglichkeit zunimmt, das Brot also nicht aufliegt.
Alles ausser gewöhnlich ist auch der Nussgipfel, nach dem Buttergipfeli der Bestseller unter den Kreyenbühl-Produkten. «In anderen Nussgipfeln ist das Verhältnis zwischen Teig und Füllung 1:1», holt der Chef aus. Durch dünnen Teig und feine Hände kommt der Kreyenbühl-Nussgipfel auf einen Füllungsanteil von 3/4. «Das wäre mit Industriemaschinen gar nicht möglich.» Dazu kommt ein Crunch-Effekt mit Caramelaroma, ermöglicht durch zwei Backgänge mit zwischenzeitlichem Glasieren. «Unser Nussgipfel ist der Beste», sagt Buki Kreyenbühl denn auch ganz selbstbewusst.
Fortsetzung folgt – später
Trotz Gedränge und Mehrarbeit ist die Stimmung in der Backstube gut. Und sogar ruhiger als üblich: «Sonst hört man viel mehr Sprüche», verrät Regula Kreyenbühl. Das Team ist sichtlich stolz, sein Handwerk zu zeigen und Imagewerbung für seinen Beruf zu machen. Es weiss den Grossandrang als Zeichen der Wertschätzung zu würdigen. Nicht zuletzt schweisst das gemeinsame Erlebnis auch zusammen.
Wird es also wieder eine Nacht der offenen Backstube oder etwas in ähnlicher Form geben? «Wahrscheinlich schon», sagt Buki Kreyenbühl, «aber nicht im Jahres- oder Zweijahresrhythmus», relativiert er. Schliesslich sollen solche Anlässe etwas Besonderes bleiben: «Das ist ein grosser ‹Hosenlupf› und bei aller Begeisterung sind die Mitarbeitenden doch auch froh, wenn sie Feierabend haben. Schliesslich ist es sehr intensiv, wenn man zusätzlich zur ‹normalen› Arbeit noch erzählt und zeigt.»
Nicht zuletzt dürfte der gelungene Anlass auch potenziellen Branchennachwuchs angesprochen haben. «Bei Fachkräftemangel ist es umso wichtiger, gute Leute auszubilden», haben Kreyenbühls erkannt. Viele dieser «Eigengewächse» bleiben dem Betrieb auch nach der Ausbildung erhalten. Das sei für beide Seiten ein Gewinn, so der Unternehmer: «Sie wissen, worauf sie sich einlassen, und wir wissen, was wir an ihnen haben.»




