Grosse Passion für den Käse
06.08.2024 Region Bremgarten, KüntenSommerserie «Hinter den Kulissen»: Brülisauer Käse AG in Künten
Früh aufstehen heisst es zum Käsen in der Brülisauer Käse AG. Damit die erstklassigen Spezialitäten aus Künten entstehen können, ist vor allem ...
Sommerserie «Hinter den Kulissen»: Brülisauer Käse AG in Künten
Früh aufstehen heisst es zum Käsen in der Brülisauer Käse AG. Damit die erstklassigen Spezialitäten aus Künten entstehen können, ist vor allem saubere Arbeit nötig. Und das merkt man bei einem Blick hinter die Kulissen.
Roger Wetli
Ein Dienstagmorgen früh um 3.30 Uhr: Es ist noch dunkel, der Verkehr zwischen Wohlen und Künten gelinde gesagt «überschaubar». Ein junger Fuchs rennt mir in Künten vor dem Auto her, bevor er rechts abbiegt. Trotzdem scheint bereits Licht in der Künter Käserei. Betriebsleiter Fabian Spielhofer verlegt erste Rohre von einem Milchtank zu einem Becken und wäscht verschiedene Gegenstände in der Produktionsstätte. Es ist ein Anblick, den ich an diesem frühen Morgen noch sehr oft sehen darf. «Rund 60 Prozent meiner Arbeit bestehen aus Putzen», erklärt mir Spielhofer später. Die erste Frage seinerseits an mich lautet mit einem Schmunzeln: «Hast du gut aufstehen können?» Er als Käser ist sich solche Zeiten gewohnt, der Journalist nicht. Ich erhalte weisse Stiefel, eine Kopfhaube und werde angehalten, meine Hände gut zu waschen.
Die Brülisauer Käse AG hat es in sich. Seit Jahrzehnten wird hier eines der Top-Lebensmittel der Schweiz hergestellt, auf das das ganze Land stolz ist. Die Künter Käserei ist bekannt für ihre Innovationen und ihre Qualität. So gewann sie für ihre Produkte zahlreiche nationale und internationale Preise wie zum Beispiel die Goldmedaille an der Käse-Weltmeisterschaft. Und sie ist ein Kleinod und schweizerisches gelebtes Kulturgut. Existierten in den 80er-Jahren im Aargau noch 45 Käsereien, sind es heute noch zwei. Übrig geblieben ist neben der Käserei in Künten nur die Berglinde in Buttwil. Dazu gesellen sich mit der Emmi in Suhr und der Milchgold in Auw noch zwei industrielle Milchverarbeitungsbetriebe.
Ja keine fremden Keime
Zurück in die «Geburtsstätte des Käses»: Ich treffe hier einen hochprofessionellen Betrieb an, in dem definitiv gilt und es der Betriebsleiter betont: «Hygiene ist bei uns das A und O.» Denn schliesslich wird hier aus Milch, speziellen Bakterien, Hitze und aus Lab, einem Enzym aus dem Kälbermagen, ein Naturprodukt erstellt. Da würden fremde Keime schnell zum Verderben des Käses führen.
In einen grossen Kupferkessel werden langsam rund 3000 Liter Milch gelassen. Daraus produziert Spielhofer heute rund 300 Kilogramm Urchrüter-Käse. 4.10 Uhr: Jetzt ist der Zeitpunkt, in dem Fabian Spielhofer die Milchsäurebakterien beigibt. Dieser Vorgang erscheint unspektakulär, wird aber seine Wirkung entfalten. Man könnte ja meinen, dass die Bakterien alleine die Arbeiten in einer Käserei erledigen und der Käser ein reiner Beobachter ist. Das entspricht natürlich nicht der Realität. Scheinbar pausenlos ist Fabian Spielhofer in Bewegung. Putzt da etwas, hängt da etwas um, bereitet die Marken mit den Nummern vor, die auf die Käselaibe kommen, damit sie später bei einem Problem rückverfolgbar sind. Für einen Kaffee und einen Schwatz bleibt gegen 4.30 Uhr plötzlich doch noch Zeit. «In den vielen Jahren als Käser musste ich erst einmal eine Tranche rückverfolgen, weil es eine Frage zur Qualität gab. Trotzdem spielen wir in Künten die Rückverfolgbarkeit freiwillig jedes Jahr einmal komplett durch. Das hat bisher immer bestens funktioniert.»
Alles verwerten
Fabian Spielhofer hat die Brülisauer Käse AG im Frühling 2020 von Sepp und Sybille Brülisauer übernommen. Damals arbeitete er bereits sechs Jahre im Betrieb. Insgesamt übt er diesen Beruf seit bald 30 Jahren aus – und liebt ihn bis heute. «Ich mache etwas Handfestes und erhalte täglich ein Ergebnis. Zudem ist jeder Tag etwas anders», schwärmt er. «Wir arbeiten nach optimierten Betriebsabläufen», erklärt Spielhofer in der kurzen Pause. «Dazu käsen wir in drei Chargen nachund nebeneinander und lasten die Gerätschaften sehr gut aus. Damit sind wir gegen 12 Uhr durch. Würden wir jede der drei Chargen nacheinander produzieren, wären wir damit erst gegen 15 Uhr fertig.» In der ersten Produktion des heutigen Morgens wird nun in die mit Bakterien versetzte Milch das Lab hineingeschüttet. Dieses verdickt die Milch während rund 30 Minuten.
Gegen Ende prüft Fabian Spielhofer die Konsistenz der Masse mit der Käseschaufel und von Hand. Ist er zufrieden, montiert er drei «Harfen» an einer Vorrichtung über dem Becken. Diese sehen einer Harfe tatsächlich ähnlich und dienen dazu, die geronnene Milch zu «schneiden». Ist dieser Vorgang abgeschlossen, wird sie in ein grosses Becken gepumpt. Darin bleiben die Käsekörner hängen, während die Molke in eine Vorrichtung geleitet wird, in der die Molke vom restlichen Fett getrennt wird. «Wir werfen nichts fort», erklärt Fabian Spielhofer in einem weiteren ruhigeren Moment. «Die Molke geben wir einem Schweinemäster als Nahrung mit. Man findet diese aber auch in Baby- oder Hochprotein-Nahrung oder in Kosmetikprodukten. Es ist ein wahres Wundermittel.» Auch der Sirtenrahm wird weiterverwendet. «Die Emmi-Molkerei produziert daraus weitere Produkte», so der Betriebsleiter. Waren wir bisher zu zweit in der Käserei, gesellen sich für die weiteren Produktionsschritte zwei weitere Angestellte dazu.
Kurzer Stressmoment
Das Abschütten geschieht in anderen Käsereien direkt in die endgültigen Laibformen, in Künten nicht. «Wir bleiben dadurch flexibler, was die endgültige Laibgrösse betrifft», so Spielhofer. Als alles abgeschüttet und der Rohkäse ein wenig angepresst ist, teilt der Betriebsleiter mit einer speziellen Vorrichtung die Masse. Dann ein kurzer Stressmoment: Die Pressform wird geöffnet und Spielhofer hievt die Kleinlaibe zusammen mit einer Mitarbeiterin in die endgültigen Formen, während ein weiterer Mitarbeiter diese vorbereitet, nach dem Befüllen mit den Marken versieht und in eine weitere Pressvorrichtung schiebt. Hier erhalten die Laibe während acht bis neun Minuten ihre endgültige typische Grundform.
Sind die gepresst, werden die drei Wagen voll mit Laiben für acht bis neun Stunden in eine Wärmekabine gestellt. Hier bauen die Milchsäurebakterien den Milchzucker ab. Am Abend gelangen die Laibe für 24 Stunden in ein Salzbad.
Spätestens beim Umladen und Pressen der Käselaibe wird mir klar, was das viele Umhängen und Putzen bisher bedeutet hat. Denn im grossen Kupferkessel wirkt bereits das nächste Lab der zuvor mit Bakterien versetzten Milch. Bald wird auch dieses verdickte Gemisch «zerschnitten», abgeschüttet, gepresst, geschnitten in die Käseformen gehievt und nochmals gepresst.
Experimentieren erlaubt
Fabian Spielhofer nimmt sich nach diesem Stress nochmals Zeit für Erklärungen: «Die Künter Apparaturen erlauben es uns, Käselaibe von 3, 4 und 6 Kilogramm herzustellen. Diese lagern dann mehrere Monate im Keller und reifen. In den ersten 14 Tagen müssen wir sie jeden Tag schmieren, anschliessend alle zwei Tage.» Den heute hergestellten Käse schmieren die Käser gegen Ende seiner Reifezeit mit einer speziell ausgetüftelten Kräutermischung ein. «Sepp Brülisauer hat lange daran getüftelt. Die Kräuteressenzen ziehen in den Käse ein und geben ihm einen nussigen Geschmack», ist Spielhofer begeistert. Die genaue Zusammensetzung der Kräutermischung sei ein Betriebsgeheimnis. Ausprobiert worden seien in Künten auch schon Experimente mit Wein. «Das hat bisher aber nicht funktioniert.»
Der wichtigste Rohstoff von Käse ist und bleibt Milch. In der Käserei Künten stammt diese von Kühen aus Höfen zwischen Muri und Künten. Die Biomilch bezieht der Betrieb aus Busslingen und aus dem Oberaargau. «Wichtig ist, dass diese Kühe silofrei gefüttert werden, weil sonst die Milch einen Zusatzstoff enthält. Dieser führt zu unkontrollierten Löchern und zu einem ebenfalls unberechenbaren Geschmack zwischen faul und süsslich.» Zwar gebe es mittlerweile Verfahren, um diese Vorgänge zu verhindern, in Künten setze man aber auf die traditionelle Käserei ohne Silofutter.
Direkte Rückmeldungen der Kunden
Neben dem heute hergestellten Urchrüter-Käse stellt die Brülisauer Käse AG regelmässig noch 19 weitere Sorten her. Diese werden einerseits über die zwei Grossverteiler Coop und Migros verkauft, aber auch an Käsegrossisten und an die Volgfilialen und Hofläden im Freiamt. In Muri führt die Käserei einen Laden mit fünf Angestellten und in Künten einen Fabrikladen. «Die eigenen Geschäfte sind für uns wichtig, weil wir da direkte Rückmeldungen der Kunden erhalten», erklärt Fabian Spielhofer. «Hier können wir auch mal Experimente anbieten und deren Marktpotenzial testen.» Rund 35 Prozent des Käses werden exportiert, dies vor allem nach Deutschland. «Wir haben bewusst ein breites Kundenportfolio. Das macht uns weniger abhängig von einem einzelnen Händler», ist Fabian Spielhofer froh.
Seit er die Käserei übernommen hat, ist sein Leben ein ganz anderes: «Ich arbeite deutlich mehr und bin häufiger im Büro anzutreffen. Die Verantwortung, den 17 Mitarbeitern die Löhne zu zahlen, ist immer im Hinterkopf.» Umso mehr geniesse er es, dass er in diesem Kleinbetrieb immer noch an der Front beim Käsen dabei sein kann. Ihm ist bewusst, dass Käsen eine sehr kraftintensive Arbeit ist. Und dies sowohl bei der Herstellung mit dem vielen Umhängen und Waschen als auch im Reifekeller. «Wenn man einen ganzen Tag Käse geschmiert hat, weiss man, was man gemacht hat», lacht er. Und wirkt dabei mit sich und der Welt äusserst zufrieden.
Mittlerweile ist es 7.20 Uhr. Fabian Spielhofer hat mir noch die Keller gezeigt, wo sich die Käselaibe stapeln und reifen. Während mein Arbeitstag im Büro mit Sitzungen und weiteren Interviews weitergeht und ausnahmsweise gegen 13 Uhr endet, wird der Betriebsleiter wohl nicht vor 17 Uhr Feierabend machen. Er nutzt den Nachmittag für Büroarbeiten wie Administration, Verkauf, Marketingmassnahmen und Personalführung, «Mein Vater war bereits selbstständig. Das zwar in einem ganz anderen Beruf, aber ich kenne diese langen Arbeitstage von ihm. Und es ist für mich in Ordnung so.» Den Betrieb möchte er im Sinne seiner Vorgänger weiterbringen. «Das heisst: Nicht unbedingt wachsen, sondern mit Qualität und Zeit mit der einen oder anderen neuen Käsesorte überzeugen.»