Gut, aber nicht gut genug
09.05.2025 MuriWeg stimmt, aber Ziel ist in Ferne
Solides Ergebnis in herausforderndem Jahr: Spital erwirtschaftet Gewinn von 1,7 Millionen Franken
1,7 Millionen Franken Gewinn. Die Zahlen des Spitals Muri sind durchwegs besser als im Vorjahr. Dennoch tritt CEO ...
Weg stimmt, aber Ziel ist in Ferne
Solides Ergebnis in herausforderndem Jahr: Spital erwirtschaftet Gewinn von 1,7 Millionen Franken
1,7 Millionen Franken Gewinn. Die Zahlen des Spitals Muri sind durchwegs besser als im Vorjahr. Dennoch tritt CEO Daniel Strub auf die Euphoriebremse.
Annemarie Keusch
«Dafür muss man kein Gesundheitsökonom sein.» Spital-CEO Daniel Strub wählt markige Worte, um die finanzielle Situation der Institution zu beschreiben. «Kleine und grosse Spitäler im ganzen Land schreiben Millionendefizite. Sie erbringen Leistungen nach Katalog, rechnen nach Tarif ab und die Rechnung geht hinten und vorne nicht auf.»
Dass sich etwas verändern müsse, dürfte deshalb wohl allen klar sein. Strub richtet diese Worte an jene, von denen er sich Veränderungen und Unterstützung wünscht. An die Politikerinnen und Politiker des Freiamts. Auch wenn er weiss, dass die Entscheidung, Ende Jahr die Geburtshilfe am Spital Muri zu schliessen, gerade auch bei ihnen auf wenig Verständnis und Rückenwind stiess. Gerade deshalb erklärte er deutlich, weshalb ein Strategiewechsel für das Spital Muri unausweichlich sei.
«Sonst droht die Insolvenz»
Und das, obwohl das Spital Muri im letzten Jahr 1,7 Millionen Franken Gewinn erwirtschaftete. «Wir brauchen acht Millionen Franken jährlich, um anstehende Investitionen, gerade in die Infrastruktur, zu stemmen», betont Strub. Auch der Erhalt der Bonität sei für das Spital Muri von grösster Wichtigkeit. «Sonst droht in acht bis zehn Jahren die Insolvenz», spricht er Klartext. Abzuwarten und darauf zu hoffen, dass die Tarife im Gesundheitswesen endlich steigen, das könne nicht die einzige Strategie sein. «Zumal das ein politischer Entscheid ist und deshalb Jahre dauern wird. Wir mussten handeln.» Rund eineinhalb Jahre habe der Prozess gedauert. Die Schliessung der Geburtshilfe ist das Resultat davon. «Sonst hätten wir Eigenkapital in zweistelliger Millionenhöhe abgeschrieben», versichert Strub.
Das Spital Muri präsentiert anlässlich des Politanlasses den Jahresbericht und die Rechnung
Ein Gewinn von 1,7 Millionen Franken. Solche Zahlen kann wohl kaum ein Spital präsentieren. Und doch steht CEO Daniel Strub vehement auf die Euphoriebremse. «Für eine langfristige finanzielle Stabilität sind weiterhin grosse Anstrengungen notwendig», sagt er. Dazu gehörten auch Strategieänderungen wie die Schliessung der Geburtshilfe per Ende Jahr.
Annemarie Keusch
Acht Millionen Franken. So viel sollten es jährlich sein. Spital-CEO Daniel Strub betont es mehrmals. «So viel brauchen wir an jährlichem Gewinn, wenn geplant ist, ungefähr 2040 einen Ersatzneubau zu realisieren.» 160 Millionen Franken hat man einst in den Bau des Spitals investiert. «Nun steht das Gebäude da und verliert stetig an Wert.» Die Infrastruktur von Zeit zu Zeit zu erneuern, das müsse auch bei einem Spital sein. Pläne gabs. Wegen der schwierigen finanziellen Lage wurden sie zurückgestellt. Daniel Strub betont: «In den letzten Jahren konnte das Spital null Franken für Erneuerungen im Bereich der Infrastruktur zur Seite legen.» Hinzu kommt Fremdkapital, das noch nicht zurückbezahlt ist. Von der hohen Masse an Eigenkapital liessen sich viele täuschen. «Die gut 70 Millionen Franken sind fast alle in der Infrastruktur gebunden.» Was die flüssige Mittel angeht, verfüge das Spital über 6,6 Millionen Franken. «Genau in diesem Bereich liegt der monatliche Personalaufwand.»
Ohne zusätzliches Eigenkapital, gehe die Geschichte eines Unternehmens dann zu Ende, wenn Ersatzinvestitionen notwendig werden. «Darum braucht das Spital Muri dringend Gewinn.» Einen solchen verbuchte man im letzten Jahr auch. 1,7 Millionen Franken beträgt er. «Dazu trugen insbesondere die konsequente Kostenoptimierung und Effizienzsteigerung, eine strikte Budgetdisziplin, Zurückhaltung bei Investitionen sowie der aussergewöhnliche Einsatz aller Mitarbeitenden bei», schreibt das Spital in einer Stellungnahme. «Ja, das Ergebnis ist gut», sagt auch CEO Strub, aber es sei eben nicht gut genug, um die Zukunft langfristig zu sichern.
Bis zu 50 Vollzeitstellen nicht besetzt
Um zu den jährlich notwendigen acht Millionen Franken Gewinn zu kommen, brauche es viel. «Es ist Aufgabe des Stiftungsrates, strategische Veränderungen zu definieren, damit es das Spital in acht bis zehn Jahren noch gibt», betont Strub und spricht damit auch den Entscheid an, der in den letzten Monaten für viele Reaktionen sorgte: die Schliessung der Geburtshilfe. Seit Herbst 2023 habe sich der Stiftungsrat mit strategischen Veränderungen befasst. Die Ausgaben zu senken, ist dabei eine der Varianten. «Ein grosser Teil sind dabei die Personalkosten. Da sind die Möglichkeiten schlichtweg nicht gegeben. Wenn immer 40 bis 50 Vollzeitstellen nicht besetzt sind, wenn Fachkräftemangel herrscht, dann ist es nicht möglich, beim Personalaufwand zu sparen.»
Eine andere Variante liegt darin, die Erträge zu steigern. «Dafür bräuchten wir Patientinnen und Patienten, die möglichst krank sind, damit die Fallpauschale hoch ist. Und im Idealfall noch zusatzversichert. Das ist weder ethisch noch moralisch, aber sonst geht unser Spital zu.» Strub nimmt es vorweg: «Wöchnerinnen und Säuglinge sind nicht zusatzversichert.» Varianten, Szenarien, Berechnungen – von allem habe der Stiftungsrat zig durchgearbeitet. «In allen Varianten mit Geburtshilfe hätte eine Wertberichtigung in zweistelliger Millionenhöhe gedroht.» Impairment lautet der Fachbegriff, das Spital hätte mehrere Millionen Franken Eigenkapital verloren. «Das hätte in die Insolvenz geführt», sagt Stiftungsratspräsidentin Sabina Rüttimann.
Zukunft langfristig sichern
Den Politanlass nutzte sie, um die Überlegungen hinter dem Entscheid zur Schliessung der Geburtenabteilung noch einmal zu erläutern. «Ich habe allergrösstes Verständnis dafür, dass man diesen Entscheid nicht toll findet.» Trotzdem sei sie, sei der Stiftungsrat, überzeugt, dass es so langfristig die beste Lösung sei. «Weil nicht einmal 40 Prozent der Gebärenden aus der Region das Spital Muri wählten. Aber auch aus tariflichen Gründen, das schleckt keine Geiss weg.» Der Stiftungsrat habe seine Verantwortung wahrnehmen müssen. «Es ist unsere Pflicht, die Zukunft des Spitals langfristig zu sichern.» Und das sieht der Stiftungsrat eher mit dem Aufbau der Orthopädie und dem Ausbau der Akutgeriatrie. «Die Bevölkerung wird älter, diese Felder wird es brauchen», sagt Strub und führte aus, dass es allein in Muri bis 2040 200 Pflegebetten mehr brauche. «Und diese Leute brauchen gesundheitliche Betreuung.» Natürlich werde man auch die nun eingeschlagene Strategie jährlich überprüfen und gegebenenfalls anpassen. Für Strub ist aber klar: «So konnte es nicht weitergehen.» 7624 stationäre Fälle, 28 826 Notfälle, 127 680 ambulante Konsultationen und Therapien. Es sind hohe Zahlen, die das Spital Muri vom letzten Jahr präsentieren kann. Allgemein berichtet Strub Gutes. Von der neu eröffneten Kinderarztpraxis, dem internen Kommunikationsmittel Beekeeper, den Zertifizierungen, der Einführung eines Patientenarmbandes und dem Integralen Kapazitäten-Management, das die Auslastung der Betten nochmals erhöhe. «Wir haben unsere Hausaufgaben gemacht», betont Strub.
Erwartungen verursachen Kosten
Damit die acht Millionen Franken Gewinn jährlich Realität werden, brauche es andere Anpassungen, tarifliche zum Beispiel. Strub führte dabei aus, weshalb die Kosten im Spital hoch sind. «Sie entstehen, sobald Leistungen bezogen werden könnten. Auch wenn niemand sie bezieht.» Bereitstellungskosten, nennt er sie. «Die Mitarbeitenden sind da, die Infrastruktur steht, die Lager sind voll. Aber wenn die Auslastung nicht stimmt, dann zahlen wir das von unserem Eigenkapital. Nur eine Vollauslastung rechnet sich via Tarifabgeltung.» Strub spricht von Erwartungen, die Kosten verursachen. «Wer heute einen Unfall am Grümpi hat, möchte morgen einen MRI-Termin. Das ist nicht gratis.» Es müsse allen bewusst sein, dass die «hohe Qualität» und «Zugänglichkeit für alle», wie es zur Gesundheitsversorgung in der Bundesverfassung steht, ein entsprechendes Preisschild haben. Fachärzte müssen innerhalb einer Stunde verfügbar sein, im Notfall tagsüber innert fünf Minuten. «Die Bereitschaft ist also stetig da, wird aber nicht durchgehend genutzt und durch Tarife entlöhnt.»
Nochmals: «Der Entscheid ist definitiv»
Für ihn sei deshalb die Frage, ob es zu viele Spitäler in der Schweiz gebe, völlig obsolet. «Es geht darum, was die Bevölkerung will und welche Kosten das auslöst.» Und es geht in jedem einzelnen Spital darum, dass der Stiftungsrat entscheiden muss, was angeboten wird. In Muri ist es ab Ende Jahr keine Geburtshilfe mehr. Rüttimann betont es nochmals: «Der Entscheid ist definitiv.»