Im Fokus der Vergänglichkeit
12.08.2025 Muri, KunstKloster Muri: Zwischen Luxus und Askese, zweiter Teil – Textilkunst in der Gegenwart
Der zweite Teil der «Luxese»- Ausstellung wird von 16 Kunstschaffenden bestritten. Auch hier stehen Luxus und Askese in der Textilkunst im Zentrum. Die Ausstellung im ...
Kloster Muri: Zwischen Luxus und Askese, zweiter Teil – Textilkunst in der Gegenwart
Der zweite Teil der «Luxese»- Ausstellung wird von 16 Kunstschaffenden bestritten. Auch hier stehen Luxus und Askese in der Textilkunst im Zentrum. Die Ausstellung im Singisenforum untersucht Textilkunst als Spiegel gesellschaftlicher Entwicklungen – als künstlerische Ausdrucksform, im Zusammenhang zwischen Ressourcenknappheit und Konsumverhalten.
Verena Anna Wigger
Eveline Cantienis markante Werke, die in der Ausstellung platziert sind, haben das Thema «Abnutzung». Es stammt aus dem Schaffen der Bündnerin im Jahr 2005. Die Künstlerin sagt dazu: «Durch das Tragen der Socken im Alltag werden diese an gewissen Stellen dünner. Wenn man dann das Gewebe auseinanderzieht, weist es interessante Formen von Transparenzen auf.» Die zugleich faszinierend und wunderschön seien. Bei den zwei Werken, die daraus entstanden sind, handelt es sich um Bilder von übergrossen, abgewetzten Fersen von zwei Socken. Die Winterthurer Künstlerin erklärt: «Ich wollte eine Störung aufzeigen, die sich langsam entwickelt.» So wie es sich durch die Reibung auf das Gewebe der Socken auswirke.
Die Ansicht des Details
Die Fülle des Fadens vergehe, und es sei nur noch der synthetische Kern da. Sie will aufzeigen, wie sich Reibung auswirkt. Dabei sei der Übergang von den festen Stellen zu den eigentlichen «blöden» Stellen sehr spannend. Da sei gewissermassen nichts mehr zu sehen und doch sei noch etwas da. Diesen Aspekt will sie mit ihren Werken vergrössern und ins Zentrum stellen. «Ich bin so fasziniert», sagt dazu Eveline Cantieni. Sie stellt auch den Nutzen der billigen Socken, die im Alltag getragen werden, in Gegensatz zu den teuren und prunkvollen Messgewändern, die im Museum Kloster Muri ausgestellt sind und nur zu festlichen Anlässen getragen werden.
Durch Reibung entsteht Vergänglichkeit
Dies gehört zu einem Thema, das sie bearbeitet. Kleine Textilarbeiten aufblasen und in den Fokus setzen. Das Zentrum im Werk von Claudia Bucher trägt den Titel «Was bleibt?» und wurde von der Künstlerin eigens für die Ausstellung angefertigt. Hierbei handelt es sich um Kleidungsstücke, die in ungebranntem Ton getaucht wurden und zeigen, was bleibt, wenn die Veränderung angenommen wird, so Bucher in ihrer Einführung. Die Künstlerin setzt dies in Bezug zum Ötzi, dessen lebloser Körper auch die Spuren seiner Heimat trage. Es stehe für die Verletzlichkeit und den persönlichen Schmerz für die kollektiven Wunden der Erde, so Bucher weiter zu ihrem Werk. Dazu stehen die ungebrannten, zerschlagenen Tonsteine, welche die Künstlerin unter den Kleidern platziert hat, für Krieg, Vertreibung und den Kreislauf von Zerstörung und Wiederaufbau. In einer Welt, in der Überfluss mit Luxus assoziiert werde. Die Künstlerin fragt dazu, ob die wahre Bedeutung im Verzicht, Luxus im Einfachen und in der Verbundenheit mit der Erde liegen?
Die Auseinandersetzung mit dem Thema
Die Ausstellung wird von Irene Brühwiler, Marianne Gostoner und Christine Läubli kuratiert. Läubli sagt, dass sie sich bei der Ausstellung gezielt auf das Thema Textilkunst im Zusammenhang mit dem Kloster fokussierten. Dabei haben sie eine Liste von Künstlerinnen angefragt, welchen es darum geht, eine vertiefte Auseinandersetzung zum Thema über Jahre zu führen. Dabei legen die Künstlerinnen und Künstler eine gewisse Konstanz und Hartnäckigkeit mit dem Thema an den Tag.
Sie erzählt, dass die grösste Schwierigkeit darin lag, die Arbeiten einzuteilen in das Zurückschauen und in die Gegenwart. Denn auch im zweiten Teil der Ausstellung habe es Stücke, die sich genauso gut in den Kontext der Rückschau hätten packen lassen. Dazu seien sie auch auf neue Namen gestossen, die sie beeindruckt haben anlässlich der Riesenkraft der Werke. «Es ist eine richtige Wucht», sagt Läuchli. Dabei sei es egal, ob gross oder klein, es sei immer eine Ausstrahlung da.
Askese sei eine Praxis über Abstinenz und Kontrolle, führte Katrin Luchsinger in den zweiten Teil der Ausstellung ein. Aus ihrer Sicht sei dies gesellschaftlich anspruchsvoll. Dabei ging sie unter anderem auf das Werk von Vanessa Billy und Leonor Kotor aus Zürich ein. In der beispielhaften Auseinandersetzung haben die beiden Künstlerinnen ein Werk aus Schlachtabfällen erschaffen. Luchsinger: «Wir erschrecken, wenn wir Abfallbergen begegnen.» In der Schweizer Fleischindustrie fallen jährlich Tausende Tonnen Abfallmaterial an. «Diese Tatsache polarisiert und erinnert an unser ambivalentes Verhältnis zu Tieren und Ressourcen.» Daraus sei das legendäre Relief entstanden, welches vergänglich sei, da es empfindlich auf Wasser, Hitze und Licht reagiere.
Workshops und Performance als Begleitung
15 Künstlerinnen und ein Künstler stellen im zweiten Teil der «Luxese»- Ausstellung im Singisenforum im Kloster Muri aus. Die Ausstellung dauert bis am 2. November und wird von Elena Eichenberger als Betreuerin begleitet. Sie freut sich auch auf die Begleitevents zur Ausstellung. Bereits am kommenden Sonntag, 17. August, gibt es einen ersten Workshop «Sticken auf Papier» für Erwachsene und Kinder. Der Kurs beginnt um 13.30 Uhr und kann ohne Anmeldung besucht werden. Barbara Wälchli Keller, welche mit ihrem Werk «Ich sticke also bin ich» vertreten ist, freut sich darauf, Kinder ab 6 Jahren und Erwachsene zu begrüssen.
Am Sonntag, 7. September, findet der Höhepunkt aus Sicht von Elena Eichenberger statt. Dann findet im Klosterhof eine Performance zum Ausstellungsstück «Was bleibt II» statt. Die Künstlerin Claudia Bucher, Horw, wird diese Performance zeigen. «Sie ist eine arrivierte Künstlerin und wird eine Performance zeigen, auf die man sich freuen darf», so Eichenberger. Weiter wird es öffentliche Führungen und Künstlerinnengespräche geben.
Informationen und Angaben zum Rahmenprogramm: www.murikultur.ch.