Immer neue Wege gefunden
17.05.2024 Muri80 Jahre Grastrockner-Genossenschaft Muri: Einblick in eine bewegte Geschichte
Ein Brand, viele Neubau-Projekte, ein drastischer Umsatzeinbruch – die Grastrockner-Genossenschaft Muri hat viele Hochs und Tiefs hinter sich. Längst werden nicht mehr nur Mais und ...
80 Jahre Grastrockner-Genossenschaft Muri: Einblick in eine bewegte Geschichte
Ein Brand, viele Neubau-Projekte, ein drastischer Umsatzeinbruch – die Grastrockner-Genossenschaft Muri hat viele Hochs und Tiefs hinter sich. Längst werden nicht mehr nur Mais und Gras getrocknet. Der Präsident Herbert Meier und der langjährige Geschäftsführer Albert Betschart erzählen davon.
Annemarie Keusch
Es stank anscheinend bestialisch im ganzen Dorf. «Dann hörten sie schnell auf damit, Maikäfer zu trocknen», sagt Herbert Meier. Er und Albert Betschart lachen. Heute wäre so etwas kaum mehr denkbar. Es ist eine der vielen kleinen Geschichten, die die 80-jährige Vergangenheit der Grastrockner-Genossenschaft Muri birgt. Seit zehn Jahren prägt Herbert Meier diese als Präsident mit. «Als Erster, der nicht den Nachnamen Ineichen trägt.» Seine Vorgänger kamen immer vom Sentenhof, Gründungspräsident war Franz Ineichen, sein Nachfolger Sohn Teja Ineichen und dessen Nachfolger wiederum sein Sohn Ueli Ineichen. Meier hat die letzten Jahrzehnte des Betriebs intensiv miterlebt, verschiedene Ämter bekleidet, genauso wie Albert Betschart, der seit 1987 und bis Ende letzten Jahres Geschäftsführer war.
Sie waren beide dabei, als einer der schwierigsten Entscheide gefällt werden musste. Merenschwand oder Muri? Für beide Standorte reichten die Aufträge nicht mehr. «Weil viele Käsereien in der Region schlossen, begannen die Landwirte ihr Gras zu silieren. Entsprechend nahm die Trocknungsmenge rapide ab», erinnert sich Herbert Meier. Zu Spitzenzeiten trocknete die Genossenschaft in beiden Anlagen 10 000 Tonnen Ware, 2001 waren es noch knapp 7000 Tonnen, 2008 noch 4700 Tonnen. «Wir konnten nicht zwei Anlagen in Schuss halten, wenn die Kapazität einer reichen würde», blickt Meier zurück. 2008 war die letzte Saison mit zwei Anlagen, seither betreibt die Genossenschaft nur noch jene in Merenschwand. «Beim Abbruch blutete das Herz.»
Turbulente erste zwei Jahrzehnte
Die Geschichte der Genossenschaft begann 1944. «Heute würde man es wohl Selbsthilfegruppe nennen», sagt Herbert Meier. Die Landwirte wollten das Futter für ihre Tiere länger haltbar machen. Sie wussten, dass im richtigen Moment geschnittenes und getrocknetes Gras ganzjährig als Futter dient und ideal für die Milch- und Fleischproduktion ist. Also gründeten sie die Genossenschaft. «Eigentlich ist das Ziel von damals noch immer aktuell», sagt Albert Betschart. Es gehe darum, Futter zu veredeln. Und Betschart kann hierzu auf eine aktuelle Studie verweisen. Heu, das künstlich getrocknet wurde, sei gehaltvoller. «Es geht viel weniger Eiweiss verloren», weiss Betschart etwa. Er ist nach wie vor Präsident des Schweizerischen Trocknungsverbandes.
Die ersten 20 Jahre der Genossenschaft waren turbulent. Nach der Inbetriebnahme der ersten Anlage bei der Fremo in Muri folgte 1955 der Neubau in Merenschwand. «Im Januar sagten die Genossenschafter Ja, im August lief die Anlage. Heute wäre ein solches Tempo undenkbar», sagt Herbert Meier. 1955 war es aber auch, drei Wochen nach dem Start in Merenschwand, als die Anlage in Muri lichterloh brannte. «Just während einer Vorstandssitzung. 14.45 Uhr wurde diese wegen des Brandes unterbrochen, um 17 Uhr wieder aufgenommen. Dass rein gar nichts zu retten war, wurde schnell klar. Schon drei Wochen später entschieden die Genossenschafter, die Anlage in Muri wieder aufzubauen. «Ölbetrieben statt mit Stromfeuerung.»
Harte Diskussionen um Verkauf und Auflösung
Schluss mit turbulenten Zeiten war deshalb aber noch nicht. Schon ein Jahr später traktandierte der damalige Vorstand den Verkauf der beiden Anlagen und die Auflösung der Genossenschaft. Die Fremo, die schon die Buchhaltung machte, sollte den Betrieb übernehmen. Den Protokollen ist zu entnehmen, dass die Diskussionen bis nach Mitternacht dauerten und die Mehrheit gegen den Verkauf stimmte. «Seither war das nie mehr Thema. Aber abwegig war der Antrag nicht. Schliesslich hafteten die Genossenschafter, also die Landwirte. Nach dem Brand und dem Neubau beider Anlagen war der Respekt wohl gross.»
Es folgten ruhigere Jahre, in denen beide Anlagen stetig ausgebaut, erneuert und modernisiert wurden. «Damit ist man nie fertig», weiss Albert Betschart. Die Anschaffung der Strukturballenpresse sei ein wegweisender Entscheid dafür gewesen, dass die Anlage in Merenschwand und damit die Genossenschaft gesund sind. «Es läuft gut. Auch dank der Tatsache, dass wir immer am Ball geblieben sind und uns angepasst haben», ergänzt er. Längst werden nicht mehr nur Gras und Mais getrocknet, sondern auch Brot, Malz, Getreide. «Die Diversifizierung hilft, vor allem auch, um die Trocknungsanlage ganzjährig betreiben zu können und nicht mehr nur von April bis November.»
Zahl der Anlagen ging stark zurück
Vier Mitarbeitende zählt die Genossenschaft, hinzu kommen Aushilfen. Neu führt Silvan Näf den Betrieb. Der Blick in die Zukunft? «Investitionen drängen sich aktuell keine auf. Natürlich sind die steigenden Energiepreise und die nicht weniger werdenden Vorschriften Themen, die uns beschäftigen.» Das Einzugsgebiet sei im Laufe der Jahre grösser geworden. Während es in der Schweiz einst rund hundert Trocknungsanlagen gab, sind es aktuell noch 39, zwei davon im Kanton Aargau. «Die Zahl wird wohl noch weiter retourgehen, aber wir werden unsere Anlage weiterbetreiben.»
Ideen für visionäre Handlungen brauchte es im Laufe der 80 Jahre immer wieder. Und die Verantwortlichen sind gewillt, solche auch in der Zukunft zu entwickeln.