In diesem Ausmass nie erlebt
23.07.2024 Kelleramt, RottenschwilFranz Hagenbuch spricht über den heuer schwierigen Kartoffelanbau
Ein stattlicher Teil der Kartoffelstauden sind braun, verfault. «Der Ertrag auf diesem Feld wird sicher tief ausfallen», sagt Landwirt Franz Hagenbuch. Das viele Wasser mache den ...
Franz Hagenbuch spricht über den heuer schwierigen Kartoffelanbau
Ein stattlicher Teil der Kartoffelstauden sind braun, verfault. «Der Ertrag auf diesem Feld wird sicher tief ausfallen», sagt Landwirt Franz Hagenbuch. Das viele Wasser mache den Kartoffelanbau zur nie in dieser Art erlebten Herausforderung. So stark, dass der Bund gar den Einsatz von mehr Pflanzenschutzmittel erlaubt.
Annemarie Keusch
Als wären noch Beweise notwendig, fängt es just beim Gang aufs Kartoffelfeld an zu regnen. Franz Hagenbuch lacht. Galgenhumor? «Den brauchen wir aktuell.» Die Fahrgassen im Feld sind teilweise noch voll mit stehendem Wasser. Ein Überbleibsel der letzten Niederschläge. «Ganz trocken waren sie seit Langem nicht mehr.» Jedes Mal, wenn Hagenbuch mit dem Traktor vom Feld zurückkehrt, ist die Frontscheibe darum übersät mit Dreckspritzern. «Den Unterboden des Traktors wasche ich mittlerweile gar nicht mehr», sagt er. Der anhaltende Regen in den letzten Wochen und Monaten macht vielen Landwirten zu schaffen. Die Getreideernte fällt beispielsweise miserabel aus. Besonders schwierig aber ist der Kartoffelanbau. Hagenbuch sagt: «Seit 35 Jahren pflanzen wir Kartoffeln an. In diesem Ausmass habe ich das noch nie erlebt.»
Hagenbuch spricht auch die kurzfristige Verfügung des Bundes an. Diese besagt, dass dieses Jahr auf Kartoffelfeldern mehr Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden dürfen. 40 bis 50 Prozent mehr, je nach Wirkstoff, auch beim Bio-Anbau. Hagenbuch weiss, dass der Kartoffelanbau ganz ohne Pflanzenschutzmittel quasi unmöglich ist. «Höchstens in heissen, fast niederschlagslosen Jahren, wenn eine Bewässerung direkt im Damm möglich ist. Aber dann wären die Wetterverhältnisse so, dass alle anderen Kulturen vertrocknen würden.» Die Kartoffelpflanze sei anfällig – vor allem auf Kraut- und Knollenfäule. Eine Pilzkrankheit, die zuerst das Kraut, später die Knolle angreift. Wie alle Pilzkrankheiten weitet sie sich bei nassen Verhältnissen besonders aus. «Regen, Tau, kombiniert mit hoher Luftfeuchtigkeit», erklärt Hagenbuch. So, wie es die letzten Monate war.
Keine Versicherung
Um die Pflanzen vor dieser Fäulnis zu schützen, wird gespritzt, auch im biologischen Anbau. Da ist es vor allem Kupfer, das je nach Bedarf mehrmals jährlich gespritzt wird. Der Schutzbelag auf den Blättern hält rund 20 Millimetern Regen stand. «Dann muss er erneuert werden. Dies war heuer zeitweise alle zwei Tage nötig – ein Ding der Unmöglichkeit.» Auch im konventionellen Anbau ist die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln reglementiert. Achtmal hat Franz Hagenbuch seine Kartoffeln und jene von zwei anderen Landwirten, die er ebenfalls betreut, gespritzt. Viel mehr als sonst. «Aber ich kann doch nicht zuschauen, wie die Kulturen verfaulen», sagt Hagenbuch. Rund 10 000 Franken seien in Saatgut, Arbeit und Schutzmittel pro Hektare bereits investiert. Versichern, das geht nicht, nur bei Hagelschäden. Dass der Bund eine Verfügung für den Einsatz von mehr Schutzmittel erlassen hat, findet er gut. «Sonst könnten wir aufhören. Weil eine verfaulte Ernte auch bedeutet, dass es für nächstes Jahr kein Saatkartoffeln gibt.»
Bei richtiger Anwendung «kaum schädlich»
Davon gebe es in den letzten Jahren sowieso zu wenig. Hagenbuch weiss: «Es ist europaweit die dritte schlechte Kartoffelsaison hintereinander.» Schon heuer seien Saatkartoffeln schwierig zu kaufen gewesen. Zudem seien die Lager in vielen Ländern nicht gefüllt wie in anderen Jahren. «Umso wichtiger ist die Verfügung für mehr Pflanzenschutz. Sonst droht ein Fiasko. Und der Gang in die Illegalität. Denn zuschauen, wie seine Pflanzen faulen, das wird kaum ein Landwirt.» Kartoffeln sind nach wie vor eines der Grundnahrungsmittel. Auch wenn eine Hungersnot fern scheint, «es kann schnell gehen».
Natürlich, möglichst wenig Pflanzenschutzmittel einzusetzen, ist auch das Ziel von Franz Hagenbuch. «Aber es geht aktuell nicht anders», betont er. Und dafür will der Landwirt aus Werd sensibilisieren. «Es stimmt einfach nicht, dass es ganz ohne Pflanzenschutz funktioniert. Viele Landwirte werden aber verteufelt, wenn sie mit der Spritze ausfahren.» Vergiftet denn dieses Pflanzenschutzmittel den Boden nicht? «Richtig angewandt, ergeben sich kaum Umweltschäden», ist Franz Hagenbuch überzeugt. Er zieht den Vergleich zu einer Zahnpasta. «Als wir vor 35 Jahren anfingen, Kartoffeln mit Pflanzenschutzmittel zu behandeln, zählte ein Grossteil davon zur Kategorie 5S der Giftstoffe, galt also als leicht giftig. Die gleiche Stufe wie Zahnpasta damals. Wenige gehörten der Kategorie 4 und nur ein einziges der Kategorie 3 an, waren also giftiger.» Diese Mittel seien von den Behörden bewilligt, genauso wie Zahnpasta. «Wenn Zahnpasta als Augencreme verwendet wird, dann ist sie natürlich giftig», betont Hagenbuch die Wichtigkeit der richtigen Anwendung. Aber eben, auch er versucht, möglichst wenig einzusetzen.
Macht es angesichts dieser Umstände überhaupt noch Spass, Kartoffelproduzent zu sein? «Das ist eine schwierige Frage. Langsam nicht mehr.» Doch wechseln will er nicht, auch wenn es andere Kulturen gebe, die wettertechnisch resistenter sind, gerade im Reusstal, das durch die Muldenlage und viel Feuchtigkeit für Kartoffeln besonders schwierig ist. Franz Hagenbuch ist trotz allem überzeugter Kartoffel-Landwirt.
Und Kartoffeln sind gefragt. Mit der Tatsache, dass immer mehr Landwirte auf andere Kulturen setzen, umso mehr. «Das können alle in Restaurants selber feststellen. Früher mussten kleine Kartoffeln aussortiert werden, jetzt werden auch die kleinen zu Pommes frites verarbeitet.»
Vielleicht wird gar noch Bewässerung nötig
Übrigens, trotz vielen braunen Flecken auf den Kartoffelstauden: Verloren ist die diesjährige Ernte noch nicht. «Dank dem Pflanzenschutz», betont Hagenbuch. Entscheidend sei, wie sich das Wetter weiter entwickle. Bei langen Trockenperioden und hohen Temperaturen könne es sogar sein, dass die Felder bewässert werden müssen. «Weil die Pflanzen des vielen Wassers wegen nicht tiefe Wurzeln bildeten und so schnell zu vertrocknen drohen.» Hagenbuch hofft, dass das Wetter den Kartoffelanbauern nun positiver gesinnt ist. Und dass die Konsumentinnen und Konsumenten verstehen, warum der Einsatz von Pflanzenschutzmittel in vielen Fällen unumgänglich ist – ob beim biologischen oder konventionellen Anbau.