Individuelleren Ansatz verfolgen
28.08.2020 BremgartenPia Iff hat als Gesamtleiterin in den letzten Jahren das Sonderschulheim St. Benedikt massgeblich mitgeprägt
Ihr Nachfolger Philipp Zimmermann hat im St. Benedikt in Hermetschwil-Staffeln seine Tätigkeit bereits aufgenommen. Die bisherige Gesamtleiterin Pia Iff sieht die Zukunftsstrategie gut aufgegleist. Nun geht sie in Pension.
André Widmer
Das Büro hat sie schon geräumt. Ende August ist endgültig Schluss im St. Benedikt für sie. Dann tritt Pia Iff den Ruhestand an, wird pensioniert. Die bisherige Gesamtleiterin des Sonderschulheimes St. Benedikt in Hermetschwil-Staffeln konnte kürzlich die operative Führung bereits an ihren Nachfolger Philipp Zimmermann übergeben. «Ich habe eine grosse Dankbarkeit für das, was gelungen ist mit den Kindern», sagt Iff. Sie hat die jungen Menschen und ihre Zukunft stets als zentralen Mittelpunkt der Tätigkeit im St. Benedikt gesehen. «Es ist eine vornehme Aufgabe, ein Privileg, den jungen Menschen zu helfen, an sich zu glauben und ihre Stärken zu finden.»
Eine andere Ausgangslage
Als Pia Iff vor sieben Jahren im St. Benedikt startete, war eigentlich die Position als pädagogische Leiterin für sie vorgesehen. Sie nahm diese Arbeit auch in Angriff. Doch bereits wenige Monate nach ihrem Start in Hermetschwil-Staffeln fiel der damalige Gesamtleiter aus. Sie und Finanzchef Thomas Stübi übernahmen die Führung zuerst ad interim, Pia Iff anschliessend im Sommer 2014 definitiv die Gesamtleitung. Pia Iff hat das Sonderschulheim St. Benedikt in den letzten Jahren massgeblich mitgeprägt und forderte die Ausrichtung auf eine Betreuung während 365 Tagen und 24 Stunden. Während die einen Mitarbeiter dies als fällige Anpassung begrüssten, verliessen einige wenige das Team in jener Zeit.
«Die Klientel hat sich verändert», sagt Pia Iff. Waren früher Kinder und Jugendliche mit Lernbeeinträchtigungen und schulischen Problemen im Fokus, sind es jetzt oft psychosoziale Probleme, die beschäftigen. «Das ist viel anspruchsvoller.» Denn jedes Kind habe eine andere Ausgangslage, verfüge über eine andere Problemstellung.
«Eine bewusste Veränderung»
Beim St. Benedikt ist unter der Ägide von Pia Iff ein Strategieprozess angestossen worden. «Es ist eine bewusste Veränderung, wir haben gemerkt, dass es ein individualisierteres Angebot geben muss», erklärt sie. Zur neuen strategischen Ausrichtung gehört die räumlich in der Bremgartner Unterstadt angesiedelte Familienarbeit und Leaving Care 3+. Der Start erfolgte Anfang dieses Jahres. Es handelt sich um ein dreijähriges Pilotprojekt, das wenn immer möglich in den Regelbetrieb überführt werden soll. «Es hat mich sehr gefreut, dass der Vorstand sich mit der Ausrichtung der Institution und der Pädagogik auseinandersetzt und diese Strategie finanziert», zeigt sich Pia Iff dankbar.
Mit diesen ambulanten Angeboten will man einerseits den Heimaustretenden eine Betreuung anbieten können, andererseits aber auch die wichtige Kooperation mit den Familien intensivieren. Die gesellschaftlichen Veränderungen rufen nach durchlässigeren, modularen Angeboten, erklärt die bisherige Gesamtleiterin. Ein weiterer, späterer und denkbarer Schritt ist ein teilstationäres Angebot. «Man kann sich vorstellen, Tagesaufenthalter hier zu haben und Kinder, die drei Tage hier und vier Tage zu Hause sind.» Selbstverständlich sei das nicht bei allen Kindern möglich. Doch bei denen, wo eine Integration oder Reintegration in den Familienverband denkbar ist, könnten dies Lösungen sein. Je nachdem, was die Familie zu leisten imstande ist, kann oder will. «Was sehr bewegt, ist, dass psychische Auffälligkeiten und Krisen immer mehr zu einer grossen Herausforderung werden», sagt Pia Iff. Da brauche es neue Ideen und Angebote, um dem zu begegnen.
Auch eine Zeit der Chancen
Zwar ist die Zeit während des Corona-Shutdowns auch für das St. Benedikt eine grosse Herausforderung gewesen.
Doch auch eine Zeit der Chancen. Mit viel Familiencoaching – teilweise bis zu drei Telefonate pro Tag mit den Eltern – konnten einige der Kinder und Jugendlichen in ihre Familien gelassen werden. Es gab Erfolgserlebnisse, plötzlich seien Eltern fähig gewesen, ihrer Erziehungsarbeit nachzukommen. Diese guten Beispiele zeigten, dass der ambulante und teilstationäre Ansatz in der Zukunftsstrategie des St. Benedikt der richtige Weg sei, lässt Pia Iff verstehen. Parallel dazu hätten sich im St. Benedikt auch die Kreativität und das Engagement der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gezeigt.
Die gesellschaftlichen Veränderungen, hin zu Vereinzelungen und Kleinstfamilien erschweren die Familienarbeit zuweilen. Dann ist eine Überforderung der betroffenen Elternteile möglich. «Bei vielen Alleinerziehenden ohne Entlastung ist die Überforderung verständlich.» Die Gesellschaft ganz allgemein sollte möglichst präventiv im frühkindlichen Stadium den Fokus legen. Oft würde man zu lange warten, wenn Probleme mit den Kindern aufkämen, so Pia Iff. Man sollte sich die Überforderung früher eingestehen. «Die Familie ist heute zum heiligen Gral geworden», vermutet die abtretende Gesamtleiterin. Und: «Man erzieht heute die Kinder weniger zur Gemeinschaft als viel mehr zum Individuum.» Oft sei die Erwartung, dass Kinder Rollen einnehmen, die einfach nicht ihrem Alter entsprechen würden. Dem Sonderschulheim St. Benedikt gibt Pia Iff einige Wünsche mit auf den Weg: Den Mut zu kreativen Lösungen. Den Mut, mit anderen Institutionen Kooperationen eingehen zu können. Und der Politik, dass Investitionen in diesen Bereich, in dieses Thema mit Kindern und Jugendliche, die es schwer haben und die keine Lobby hätten, ein eigentliches Sparpaket seien. Denn diese Investitionen würden spätere Kosten abwenden.