Intelligente Wesen
03.11.2020 Region OberfreiamtButtwil: Judith Bernegger sorgt sich um Ratten
Seit vier Jahren ist Judith Bernegger Präsidentin des Clubs Rattenfreunde CH. Sie ist ganz vernarrt in die Nagetiere.
Ratten sind nicht jedermanns Sache. Viele verbinden mit den kleinen Nagetieren Furcht und Schmutz. Für andere sind die Tiere niedlich. Sie werden als Haustiere immer beliebter. «Ihre Anschaffung sollte aber wohlüberlegt sein», weiss Judith Bernegger aus Buttwil.
Ihr Wissen über Ratten und wie sie artgerecht gehalten werden, vermittelt sie auch als Präsidentin des Clubs Rattenfreunde CH. «An erster Stelle steht für Rattenfreunde das Wohl der Tiere.» In ihrem Zuhause in Buttwil nimmt sie auch Notfälle an. Die Tiere werden da umsorgt und in den meisten Fällen weitervermittelt.
Die kleinen Nager faszinieren Judith Bernegger. «Ratten sind sehr intelligente Wesen», sagt sie. «Sie sehen mit ihren Knopfaugen äusserst niedlich aus und keine gleicht der anderen», schwärmt sie und fügt hinzu: «Jede Ratte hat ihren eigenen Charakter. Man muss sie einfach liebhaben.» --red
101 Ratten in der Stube
Judith Bernegger ist Präsidentin des Clubs Rattenfreunde Schweiz
Die Tierschutzorganisation besteht seit Februar 1995. Mittlerweile zählt sie rund 100 Mitglieder. Im Jahr 1998 wurde der Club zu einer Sektion des Schweizer Tierschutzes (STS). Judith Bernegger möchte den Tieren eine Stimme geben und setzt sich als Präsidentin für das Wohl der Ratten ein.
Susanne Schild
Seit 2016 ist Judith Bernegger Präsidentin des Clubs Rattenfreunde Schweiz. Aus der anfänglichen Interessengemeinschaft ist vor einem Vierteljahrhundert der Club hervorgegangen. «Wir möchten unser Wissen über Ratten, wie sie artgerecht gehalten werden, wie Krankheiten richtig diagnostiziert oder behandelt werden oder wie man sich verhält, wenn sie bissig sind, weitergeben», beschreibt Bernegger die Ziele der Organisation. «Denn an erster Stelle steht für uns Rattenfreunde das Wohl der Tiere. Jede hat eine Chance auf ein anständiges Leben verdient.»
Die Mitglieder arbeiten ehrenamtlich, die Vermittlungs- und Beraterleistungen sind gratis. Finanziert wird der Club durch Mitgliederbeiträge und Spenden. Sogar eine eigene Zeitschrift, die «Rattenpost», bringt der Club zweimal jährlich heraus. «Sie ist von Rattenfreunden für Rattenfreunde mit vielen Informationen, Geschichten und Fotos.»
Notfall an der Rattenfront
Aktuell zählt der Club rund 100 Mitglieder. Fast genauso viele Ratten lebten im September in Judith Berneggers Wohnung. «Das war ein Notfall an der Rattenfront», erklärt Bernegger mit einem Lachen. Damals wurde sie von einem Tierheim aufgeboten. «Man muss wissen, dass nicht jedes Tierheim die Kompetenz oder die Möglichkeiten hat, Ratten aufzunehmen», so Bernegger. Damals musste eine Wohnung geräumt werden, in der auch rund 30 Ratten ihr Zuhause hatten. Wie sich im Nachhinein herausstellen sollte, waren es aber keine 30 Ratten, sondern 26 ausgewachsene Tiere und 21 Jungtiere. Die trächtigen Weibchen konnten bei Judith Bernegger in Ruhe gebären. Diese hatten sich dann bei Judith Bernegger noch weiter vermehrt und zum Schluss waren es stolze 101 Tiere. Die Böcke wurden sofort nach Aufnahme in die Piegestation getrennt und kastriert, um weiteren Nachwuchs zu vermeiden.
Eine Ratte ist im Durchschnitt 21 Tage trächtig und gebiert 12 bis 15 Junge. Nach der Geburt ist sie sofort wieder empfängnisbereit. «Die Mütter waren so ausgelaugt, dass sie begannen, ihren eigenen Nachwuchs aufzufressen», schildert Bernegger die schwierige Situation. «Um solche Situationen zu vermeiden, will der Club über eine artgerechte Haltung aufklären.» Nicht nur dass Männlein von Weiblein getrennt werden, sondern auch dass das Mindestmass von 0,5 Quadratmetern Grundfläche pro Ratte eingehalten wird, sei wichtig. Weiter sollte der Platz für den Kälg möglichst ruhig und zugfrei sein. Mittlerweile konnte sie schon fast die Hälfte der Nagetiere weitervermitteln. «Jährlich vermittelt unser Club rund 300 Tiere. Das hat durch die Präsenz auf den sozialen Medien in den letzten Jahren zugenommen.»
Ihr persönliches Rattenrudel umfasst aktuell zwölf Tiere. Auf die Ratte gekommen ist sie durch ihre Tochter. «Meine eine Tochter hatte fünf Rennmäuse. Die andere wollte unbedingt eine Ratte haben», erinnert sie sich zurück.
Eine Ratte braucht Gesellschaft
Da Ratten Rudeltiere sind, stand fest, dass nicht nur ein Tier angeschafft wird. Ausserdem müssen die Eltern hinter dem Haustierwunsch ihrer Kinder stehen können und damit umgehen können, falls das Kind das Interesse daran verliert. «Mein Mann fand Ratten noch lässig und so kauften wir unsere ersten beiden Tiere in einem Zoofachgeschäft und tauften sie Ping und Pong.» Gesetzlich sei die Haltung von mindestens zwei Ratten vorgeschrieben, Judith Bernegger plädiert aber für ein Rudel von fünf bis sechs Tieren.
Ratten werden im Schnitt zwischen zwei und drei Jahre und wiegen im Schnitt 400 Gramm. «Ratten sind Allesfresser, wie beispielsweise Schweine», erklärt die Expertin. Für ihre 101 Ratten musste sie täglich drei Gurken, fünf Rüebli, einen Kopf Eisbergsalat, fünf Köpfe Chicorée, einen halben Zuckerhut, acht Eier und 200 Gramm Teigwaren rüsten.
Ratten suchen aber nicht nur die Gesellschaft zu ihren Artgenossen, sondern suchen auch die Interaktion mit den Menschen. «Ratten sind intelligent, sozial und reinlich. Sie putzen sich mehr als Katzen», betont die Expertin. Das Image der Ratte habe sich in den letzten Jahren gewandelt, ist Bernegger überzeugt. Stand sie früher bei den Punks als Symbol für den Widerstand gegen das Establishment und sollte schockieren und provozieren, so sind die niedlichen Nager mittlerweile zu einem beliebten Haustier geworden. Ihre Anschaffung sollte aber wohlüberlegt sein, um Situationen wie im September zu vermeiden, betont Judith Bernegger.