Kein Stein ist wie der andere
03.06.2022 MuriPersönlicher Einblick in das Schaffen von Christian Majoleth
Unter dem Titel «Ein Blick» öffnet Murikultur ein neues, ständiges Kunstfenster ins Freiamt. Gestartet wurde am Mittwoch mit dem Boswiler Steinmetz Christian Majoleth.
Susanne Schild
«Mit dem Format ‹Ein Blick› wollen wir ab sofort im monatlichen Wechsel Künstlerinnen und Künstlern mit Bezug zum Freiamt eine Plattform bieten, um ihre Kunst sichtbar zu machen», erklärt Heidi Holdener, Geschäftsführerin von Murikultur. Bereits in den vergangenen Jahren hatte Murikultur im Singisenforum wechselnde Ausstellungen von Künstlerinnen und Künstlern, die mit dem Freiamt verwurzelt sind, durchgeführt. Zuletzt das Freiämter Kunsthappening. «Sie sind alle auf grosses Interesse gestossen. Daher haben wir dieses durchwegs positive Echo zum Anlass genommen, ein permanentes Kunstfenster ins Freiamt einzurichten», sagt Holdener. Die Zusammenarbeit sei Murikultur ein Anliegen.
Immer am ersten Mittwoch im Monat bis November von 12.15 Uhr bis 12.45 Uhr führen die jeweils neu ausstellenden Kunstschaffenden in ihr Werk ein. Zum Konzept gehört auch ein «Kunst-Lunch», bei dem sich das interessierte Publikum im Anschluss im Kulturkaffee des Besucherzentrums bei einem einfachen Sandwich-Lunch austauschen kann.
Das Los hat entschieden
70 Kunstschaffende aus dem Pool der «Dokustelle Freiämter Kunstschaffende» hatten für «Ein Blick» ihr Interesse angemeldet. Sechs Teilnehmende wurden durch das Los bestimmt. Den Anfang macht der Boswiler Steinmetz Christian Majoleth. Peter Fischer, der schon einige Ausstellungen im Singisenforum kuratiert hat, begleitet die Ausstellung im Foyer im 1. Obergeschoss des Singisenflügels.
«Alles musste relativ schnell gehen. Christian Majoleth hatte nur etwas mehr als zwei Wochen Zeit, um sich auf die Ausstellung vorzubereiten. Doch was hier an Kunst gezeigt wird, ist sehr vielfältig. Ein gutes Zeichen», sagte Fischer an der Vernissage.
Zu sehen ist in der aktuellen Ausstellung unter anderem ein Werk, das für Majoleth von grosser persönlicher Bedeutung ist. «Seit ich 14 Jahre bin, bin ich mit meiner Frau, zwar mit vier Jahren Unterbrechung, zusammen. An einem kreativen Abend entstand die Skizze zu der Marmorskulptur. Sie ist das Sinnbild für die innige Beziehung mit ihr. Die beiden Figuren verschmelzen.» Auch die Sockel, auf denen seine Kunst zu sehen ist, stehen in einem ganz speziellen Bezug zu Majoleth. «Ich hatte mich entschlossen, mein 400 Jahre altes Haus in Boswil zu renovieren. Ich wollte aber kein Stück Holz wegschmeissen. Jetzt bin ich froh um jedes Brett.» Sein Haus betrachtet der Künstler ebenfalls als Skulptur. «Es ist nie fertig. Es ist die Kombination von etwas Uraltem mit etwas Neuem. Genauso verhält es sich bei der Arbeit mit Stein.»
Beruf und Kunst verschmelzen
Für Christian Majoleth ist Steinmetz nicht «nur» ein Beruf. «Skulpturen, Objekte und Grabsteine – einen Stein zu bearbeiten, braucht nicht nur einen Beruf, sondern eine Berufung», ist er überzeugt. Alles benötige eine Beziehung, Emotionen und eine Bedeutung. Zwischen Kunst und Auftrag gebe es bei ihm keinen Unterschied.
«Mein Beruf verschmilzt mit der Kunst.» Das Handwerk sei erlernbar, doch man brauche Passion und Gespür. «Über Kunst und wo sie anfängt, kann man wochenlang diskutieren. Fest steht für mich: Entweder sie gefällt oder gefällt nicht.»
Nach abgeschlossener Lehre als Steinmetz arbeitete Majoleth mehrere Jahre in einem Steinbildhauer-Betrieb. Darauffolgend war er als Steinwerker wie auch als Steinhauer tätig. In seinem Boswiler Atelier sind schon viele Kunstwerke entstanden. Für die Neugestaltung des Strassenkreisels wurde er beispielsweise mit der Gestaltung einer Skulptur beauftragt, welche 2016 installiert wurde. «Das macht einen schon stolz», sagt er.
Ein Stein für die Ewigkeit
Seinen ersten Grabstein hat er mit 17 Jahren gestaltet. «Je mehr persönliche Ideen, Anregungen oder Anweisungen meine Kunden einbringen, desto bedeutender wird ein Stein für sie», ist er überzeugt. Das Herstellen von Grabsteinen ist für ihn eine sehr ehrenvolle Arbeit. Es ist wichtig, dass man sich Zeit nimmt für eine gemeinsame Gestaltung eines Denkmals.
«Ein Grabmal zu gestalten, ist kein leichter Weg, oftmals ist man fast überfordert, welche Form, welches Material oder welches Sujet man in den Stein gehauen haben möchte. Es ist das Letzte, was man für einen geliebten Menschen machen kann. Meine Aufgabe ist es, zu helfen, eine Idee oder Skizze umzusetzen. Man kann ein Grabmal anfertigen lassen oder man erarbeitet miteinander ein Denkmal, das ein ewiges Erinnerungsstück sein kann.»
Zusammenschaffen mit der Natur
«Kein Stein ist wie der andere. Wenn man den richtigen Stein findet, braucht es manchmal nur wenige Handgriffe, um ein Kunstwerk daraus entstehen zu lassen. Es ist ein Zusammenschaffen mit der Natur. Die Natur gibt die Form vor.» Christian Majoleth ist überzeugt, dass man aus jedem Stein, der einem in den Weg gelegt wird, auch etwas machen kann.
Vorbilder hat Majoleth keine, wie er selbst sagt. «Die Menschheit ist voller Skulpturen. Ich mache einfach.» Mit einer Skulptur sei es wie mit einem guten Wein, man müsse sich für sie Zeit nehmen. Zeit nehmen für die Kunst von Christian Majoleth können sich Interessierte noch bis Anfang Juli. Dann wird ab Mittwoch, 6. Juli, die Kunst von Susanne Gehrig-Ruepp zu sehen sein.