Keine Benediktiner mehr in Muri
03.06.2022 MuriSeit Ende April ist das Hospiz geräumt – «ein nicht einfacher, aber der richtige Entscheid»
Zwei bis drei Mitbrüder lebten von 1960 bis 2007 im alten Hospiz über dem Kreuzgang Ost. Im April hat Pater Benedikt die letzten Möbel und Bilder geräumt. «Es ist ganz einfach. Wir können das Hospiz nicht mehr bewohnen», sagt er.
Annemarie Keusch
Sie haben Spuren hinterlassen, in Muri und im Freiamt. Die einen mehr, die anderen weniger. Jahrzehntelange gehörte die Präsenz der Benediktiner zum Murianer Alltag. In den letzten Jahren wurde diese immer weniger. 2017 starb Pater Bonifaz, der letzte Benediktiner, der über längere Zeit im Hospiz – im neuen, im zweiten Stock des Singisenf lügels – lebte. Schon nach dessen Tod wurde das neue Hospiz aufgelöst. Das alte, ursprünglich über zwei Etagen zwischen Klosterkirche und Schultrakt, blieb. Belebt war es aber immer seltener. Im April hat Pater Benedikt die Räumlichkeiten geräumt. «Möbel und Bilder, aber auch die Kücheneinrichtung», beschreibt er.
Abschied nehmen, um Zukunft zu ermöglichen
Das Kapitel, also alle 13 Patres des Konvents, hätten den Entscheid gefällt. «Einfach fiel dieser natürlich nicht», sagt Pater Benedikt. Aber für ihn ist klar: «Man muss von gewissen Dingen Abschied nehmen können, um befreiter in die Zukunft zu schauen und diese zu gestalten.» Pater Benedikt hat sich im Vorfeld des Entscheids, wie Prior Peter, vertieft mit dem Hospiz befasst. Er ist in Muri aufgewachsen, hat die Präsenz der Benediktiner im Dorf als Kind miterlebt, besuchte etwa den Religionsunterricht bei Pater Simon. «Ich bin einer der wenigen des Konvents, die über ihre Biografie einen Bezug zum Hospiz haben. Trotzdem ist es wichtig, solche Entscheide sachlich zu fällen», sagt Pater Benedikt, der seit einigen Monaten nicht mehr im Südtirol, im Kloster Muri-Gries, sondern in Sarnen lebt. Die Schliessung des Hospizes sei die logische Konsequenz der Entwicklung in den letzten Jahrzehnten. «Dass die Benediktiner nun in kein Gesicht mehr haben, ist natürlich schade», gibt er zu. Aber der ursprüngliche Murianer betont: «Muri ist für unseren Konvent deswegen nicht weniger wichtig.»
Kontakte und Erinnerungen bleiben
Das Hospiz über dem Kreuzgang der Klosterkirche ist geräumt, die Benediktinerpräsenz Geschichte
In den letzten Jahren waren die Räumlichkeiten des Hospizes nur selten belebt. Nun entschied sich der Konvent, das Hospiz zu räumen. Damit nimmt die über 60-jährige Geschichte der Benediktinerpräsenz in Muri ein Ende. Pater Benedikt spricht von «der logischen Konsequenz der Entwicklung». Und davon, die Energie in die Zukunft und nicht in die Vergangenheit zu stecken.
Annemarie Keusch
Nur schon die Klosterkirche, das gesamte Gebäude. «Es ist eine grosse, spannende und uralte Geschichte, die die Benediktiner mit Muri verbindet», sagt Pater Benedikt. Eine Geschichte, die auch ihn als Kind faszinierte. Die benediktinische Präsenz habe bei ihm, der in Muri aufgewachsen ist, zwar nicht dazu geführt, dass er den Weg in den Konvent einschlug. «Aber die Kirche, die ganze Anlage – das hat mich wohl mehr fasziniert als andere», sagt er. Emotional ist es für ihn trotzdem nicht. Dass die Benediktiner in Muri nicht mehr mit einem Gesicht präsent sind, dieser Entscheid komme nicht überraschend.
1960 wurde das alte Hospiz über dem Kreuzgang errichtet, nachdem die Kirchgemeinde dem zustimmte und zusammen mit der Einwohnergemeinde einen Nutzungsvertrag unterschrieb. Pater Benedikt erzählt von einer Interessengemeinschaft, die hinter dieser Idee stand. «Sowohl vonseiten des Klosters wie auch vonseiten einiger Murianer, die zumeist ein Benediktinerkollegium besucht hatten, bestand Interesse, das aufgehobene Kloster wieder mit Mönchen zu reaktivieren», erzählt er. Aber Pater Benedikt sagt auch: «Die Interessengemeinschaft war sich stets bewusst, dass das Projekt wegen des Nachwuchsmangels nur bedingt zukunftsfähig ist.» Komme hinzu, dass der Personenkreis, der in engerem Kontakt zu Klöstern ist, etwa durch den Besuch von Klosterschulen, immer kleiner werde.
Mehrmals wöchentlich im Freiamt
Diese ein Stück weit prophezeite Entwicklung trat in den letzten Jahren und Jahrzehnten ein. Zwar lebten bis 2007 stets zwei bis drei Brüder im Hospiz, einige waren laut Pater Benedikt auch prägend. «Pater Simon als Lehrer, Pater Sigisbert als Prediger, auch Alt-Abt Dominikus zusammen mit Pater Leodegar oder Bruder Thaddäus dürften bei vielen weit über Muri hinaus in bester Erinnerung geblieben sein», nennt er Beispiele. Die Mönche hätten immer wieder versucht, Akzente zu setzen. «Durch Alter und Krankheit waren aber Grenzen gesetzt.»
Noch 13 Mönche gehören dem Konvent an
Die meisten hätten ihren Lebensabend im Hospiz verbracht, auch der letzte Mönch Pater Bonifaz. «Der gute Wille war da, aber die Kraft und die Substanz, um eine Zukunft zu gestalten, fehlten.» Pater Benedikts Worte sind deutlich. «Natürlich, es besteht Nostalgie. Aber wir müssen die Energie in die Zukunft investieren und nicht in die Vergangenheit.»
Das Hospiz in Muri weiterhin zu beanspruchen, mache schlichtweg keinen Sinn. «Wir sind zu wenig Leute», sagt Pater Benedikt. 13 gehören aktuell dem Konvent an, zehn leben in Muri-Gries, drei in Sarnen. «Klar, ich bin mehrmals in der Woche im Freiamt, vor allem, um im Kloster Hermetschwil Messen zu lesen. Aber für die wenigen Nächte im Jahr, in denen ich im Hospiz übernachten würde, lohnt es sich schlicht nicht.» Komme hinzu, dass das Hospiz auch eine Erwartungshaltung schüre, «zu Recht». «Eine Erwartungshaltung, die wir nicht mehr erfüllen können.»
Neues Projekt in Sarnen, das auf Interesse stösst
Pater Benedikt kennt das Hospiz gut, das alte, mit kaum Licht und nur Zugang via öffentliche Räume. «Wirklich einladend war es nicht, hier zu leben», sagt er. Er kannte auch das neue, das mittlerweile dem Singisensaal gewichen ist. Hier hat er während drei Monaten gelebt, als in Boswil das Pfarrhaus umgebaut wurden. «Es sind schöne Erinnerungen, die bleiben, an das alte und das neue Hospiz», sagt er. Auch als er Pfarrer in Boswil war, habe er stets versucht, die Gemeinschaft in Muri zu stärken und zu pflegen. Er half für Gottesdienste aus, ass mehrmals wöchentlich mit den Brüdern im Hospiz. «Und das auch an Ostern oder Weihnachten, obwohl meine Familie in Muri lebte», sagt er.
«Endlich passiert etwas»
Lieber als zurück schaut Pater Benedikt nach vorne und spricht über aktuelle Projekte in Sarnen. «Wir haben ein Angebot geschaffen für Leute, die an der benediktinischen Lebensform interessiert sind.» Diese könnten selber entscheiden, wie intensiv sie am Alltag der Mönche teilnehmen. «Beruf und Berufung trennen», verdeutlicht er. Bereits seien verschiedene Anfragen eingegangen, drei Leute leben aktuell mit ihnen. «Es ist nicht ‹Kloster auf Zeit›, sondern mehr», betont der Murianer. Die Reaktionen auf dieses Angebot seien durchwegs positiv. «Endlich passiert etwas.» Diesen Satz höre er immer wieder. Solche Ideen gelte es weiterzuverfolgen. «Dabei ist es unumgänglich, sich von anderem zu trennen.» Pater Benedikt betont, dass Muri ohne benediktinische Präsenz für den Konvent nicht an Wichtigkeit verliere. «Die Kontakte bleiben», versichert er.