Kelten-Nekropole sichtbar machen
04.10.2024 Kelleramt, UnterlunkhofenDie Aufwertung des bedeutenden Grabhügel-Felds im Unterlunkhofer Bärhau ist dem Zeitplan voraus
Auf Einladung der Historischen Gesellschaft Freiamt führte Sven Straumann von der Kantonsarchäologie durch das wichtige Grabhügel-Feld in ...
Die Aufwertung des bedeutenden Grabhügel-Felds im Unterlunkhofer Bärhau ist dem Zeitplan voraus
Auf Einladung der Historischen Gesellschaft Freiamt führte Sven Straumann von der Kantonsarchäologie durch das wichtige Grabhügel-Feld in Unterlunkhofen. Das Areal wird derzeit aufgewertet und soll künftig seine Geheimnisse digital preisgeben.
Thomas Stöckli
Mit 60 Grabhügeln aus der älteren Eisenzeit ist die Nekropole im Bärhau, Unterlunkhofen, schweizweit die grösste ihrer Art. Zwischen 770 und 700 vor Christus haben hier Kelten ihre Oberschicht bestattet. Gelebt haben sie andernorts. Wo genau, das sei nach wie vor ein Rätsel, sagt Sven Straumann, Leiter des Ressorts Schutz/ Erhalt/Fundstellen bei der Kantonsarchäologie. Aus der Umgebung von Unterlunkhofen sind zumindest bislang keine Funde bekannt, die auf eine Siedlung aus jener Zeit vor 2700 Jahren hindeuten.
Moderne Technik erleichtert die archäologische Arbeit
«Archäologen sind wetterfest», sagt Straumann, als er die Interessierten bei der Jagdhütte begrüsst, er im Regen, die Gäste unter dem Vordach. 13 Personen haben sich zur Führung der Historischen Gesellschaft Freiamt um deren Vizepräsidenten Markus Keusch und die Vorstandsmitglieder Fridolin Kurmann und Maggie Kuhn angemeldet. Vor Ort sind es dreimal so viele. Das Ende des nun heftig einsetzenden Schauers wartet die Gruppe in der Forstscheune ab. Hier erzählt Straumann von seinem Arbeitsgebiet, das sämtliche Anlagen der Ur- und Frühgeschichte umfasst, also von Grabhügeln bis Burgruinen.
Die Forschung an Altertümern wird heute durch moderne Technik erleichtert: «Laser-Scans aus Flugzeugen machen es möglich, archäologische Stätten bereits im Boden zu erkennen.» Im Gegensatz zu herkömmlichen Luftaufnahmen wird dabei die Bodenbeschaffenheit detailliert abgebildet ohne die Vegetation, die sonst den Blick verschleiert. «Mit dieser Methode sind wir erst kürzlich im Fricktal auf eine bisher unbekannte Anlage gestossen», verrät Sven Straumann.
Mit heutigen Methoden liesse sich mehr Wissen gewinnen
Die Nekropole in Unterlunkhofen wurde noch nach althergebrachten Methoden entdeckt und erforscht. Schon Mitte des 19. Jahrhunderts sei die Fundstelle bekannt gewesen. In der Folge wurden hier immer wieder Grabungen durchgeführt – mehr oder weniger wissenschaftlich. Grundsätzlich seien die Vorgänger sorgfältig vorgegangen, ordnet Straumann ein. Heute würden sich aus einer unangetasteten Fundstelle allerdings viel mehr Informationen herausholen lassen. So könnte man etwa die Knochen nach geografischer Herkunft und nach Verwandtschaftsbeziehungen untersuchen.
Statt sich auf Gewissheit abstützen zu können, muss man deshalb auf Annahmen bauen. Der Aufwand, der nötig war, die Grabhügel mit 4 bis 16 Metern Durchmesser aufzuschütten, sowie die Grabbeigaben – Schmuck, Waffen und Keramik – lassen vermuten, dass diese Art der Bestattung einer keltischen Oberschicht vorbehalten gewesen sein dürfte. Die Verstorbenen wurden zu jener Zeit vorwiegend kremiert. Wo das in Unterlunkhofen genau geschah, ist nicht bekannt. «Aufgrund von vergleichbaren Fundstellen gehen wir davon aus, dass es zu diesem Zweck eine zentrale Brandstelle gab», sagt der Kantonsarchäologe.
Hügel waren höher und von Weitem sichtbar
Pollenanalysen aus der Zeit legen nah, dass das Areal damals nicht bewaldet war und man so die Hügel, die noch deutlich höher und von einem Steinkranz umgeben waren, von Weitem sehen konnte. «Der Anblick muss eindrücklich gewesen sein», sagt Straumann.
Und das soll er wieder werden. Die Arbeiten, die Hügel auszulichten, vom Unterholz zu befreien und so wieder sichtbar zu machen, sind jedenfalls schon weit fortgeschritten. Möglich gemacht hat es der Forstbetrieb Mutschellen um Revierförster Christoph Schmid, mit tatkräftiger Unterstützung der Bevölkerung sowie von Schulklassen aus der Region. Der Borkenkäfer-Befall hat seinerseits dazu beigetragen, dass die Rodung schneller ging als vorgesehen. «Wir sind heute schon so weit, wie wir nach zehn Jahren sein wollten», veranschaulicht Sven Straumann.
Ein neu angelegter Holzschnitzelpfad führt durch einen offenen Hainwald mit lichtem Baumschirm. Am Boden soll sich anstelle des dichten Buschwerks eine Kräutervegetation einstellen. Schon heute zeigt sich, dass die Umgestaltung auch neue Pflanzenund Tierarten anlockt. «Für die Biodiversität ist es ein Gewinn», sagt Straumann. So wurden bereits Hasen gesichtet, die hier vorher nicht heimisch waren. Als Teil des Kooperationsprojekts ist zudem ein Waldlehrpfad vorgesehen, mit Bezügen zur keltischen Zeit.
Technische Hilfsmittel sollen Einblicke ermöglichen
Die Grabhügel bleiben in ihrer Form erhalten. Und auch wenn die Kantonsarchäologie nicht ausgrabungsmässig tätig zu werden gedenkt, so sollen die Besucher doch Einblick in die Gräber erhalten. «Uns schweben da technische Hilfsmittel vor», erklärt Straumann. So soll eine App mit QR-Codes oder gar GPS-Ortung Bilder aufs Smartphone oder Tablet liefern und so die Realität vor Ort digital erweitern. Die geborgenen Grabbeigaben, die sich heute im Landesmuseum und in der archäologischen Sammlung des Kantons befinden, liessen sich so als digitale Kopien dreidimensional von allen Seiten her bestaunen. «Die Ideen haben wir. Die Umsetzung hängt von den Ressourcen ab», sagt Straumann. Einen Zeitpunkt könne er noch nicht versprechen. «Aber sicher nicht erst in 50 Jahren», hält er fest. So viel Zeit haben sich die Beteiligten für den gesamten «Umbau» gegeben.
«Viele von uns werden den Endzustand noch erleben», stellt Erwin Bürgisser, der im Gemeinderat Unterlunkhofen unter anderem für Natur und Forstwirtschaft zuständig ist, in Aussicht. Und er verspricht: «Wenn die abgeschlossene Umgestaltung samt Visualisierungen mit einem grossen Fest eingeweiht wird, spendiert die Ortsbürgergemeinde Wurst und Getränke.»