Kostbare Schätze
10.10.2025 Region Unterfreiamt, Kirche«Reisen durch gestickte Zeiten»: Vernissage und Ausstellung von Regula Schneider im Reusspark
Die Ausstellung zeigt textile Kunstwerke von Regula Schneider. Ihre Breverl, inspiriert von historischen Schutzamuletten, verbinden persönliche Erlebnisse mit ...
«Reisen durch gestickte Zeiten»: Vernissage und Ausstellung von Regula Schneider im Reusspark
Die Ausstellung zeigt textile Kunstwerke von Regula Schneider. Ihre Breverl, inspiriert von historischen Schutzamuletten, verbinden persönliche Erlebnisse mit spirituellen Symbolen. Zum Tag der heiligen Justa präsentiert die Künstlerin an der Vernissage vom 23. Oktober ein besonderes Objekt.
Chregi Hansen
Regula Schneider ist sich bewusst: Das Sticken wird heute als altmodisch und langweilig angesehen. «Es ging mir am Anfang auch so, als ich vor rund 40 Jahren einen ersten Kurs belegte», erzählt die Künstlerin aus dem bernischen Bremgarten. Doch bald hat sie gemerkt, dass es viel mehr gibt als das Besticken von Kissen und Tüchern nach Vorlagen. «Denn das hat mich nie gereizt. Ich wollte nicht etwas nachmachen, sondern gestalterisch tätig sein.»
Fasziniert vom Thema
Heute stickt sie noch immer jeden Tag. Auch wenn ihre Augen etwas nachgelassen haben und die Finger ab und zu schmerzen – das alte Handwerk ist zu ihrer grossen Leidenschaft geworden. Und lässt sich erst noch mit ihrem Interesse an den Religionen kombinieren. Regula Schneider ist nicht gläubig im herkömmlichen Sinn – aber sie interessiert sich für die Geschichte der Religionen und ihre vielen Gemeinsamkeiten. Sie besucht gerne Kirchen, Tempel und Moscheen und lässt sich inspirieren. Und hat in einem Kurs zum Thema Volksfrömmigkeit die Kunstform kennengelernt, in der sie sich zu einer Meisterin ihres Fachs entwickelt hat: die Breverl.
Breverl sind kleine, verschlossene Säckchen oder Kissen, die im Innern Heiligenbilder und Gebetssprüche enthalten. Sie galten als eine Art Amulett oder wurden als Schutzsegen getragen oder zu Hause aufbewahrt und blieben stets verschlossen, damit sie die Schutzwirkung nicht verlieren. Ihre Blütezeit erlebten die Breverl im 17. und 18. Jahrhundert. «Mich hat das Thema sofort fasziniert. Ich finde den Gedanken rührend, einem Liebsten etwas von mir mitzugeben als Schutz. Ich habe mich in der Folge sehr vertieft in die Geschichte und die Motive», erzählt Schneider. In den vergangenen Jahren sind rund 60 eigene Breverl entstanden, wundersame Kunstwerke allesamt. Einen Teil davon stellt sie ab 23. Oktober im Refektorium der Klosterkirche Gnadenthal aus. Der ideale Ort für die religiös motivierten Werke.
Stets auf der Suche
Die textilen Säckchen wirken eher klein. Aber darin steckt enorm viel Arbeit. Bis zu einem Jahr arbeitet die 85-Jährige an einem Exemplar. Das fängt an mit der Suche nach einem Motiv, dem Recherchieren zum Thema, dem Sich-inspirieren-Lassen. Sie macht erst Zeichnungen, macht sich dann auf die Suche nach den richtigen Materialien. «Ich stöbere dafür sehr gerne auf alten Märkten oder in Trödelläden. Leider gibt es davon immer weniger», erzählt sie.
Das Suchen und Auswählen der richtigen Farben und Fäden erfordert Zeit. Zudem stickt sie nicht nur, sondern verziert ihre Breverl mit verschiedenen «Reliquien» als Zeichen der Vereinigung von Vergangenheit und Gegenwart. Das kann ein Pilgerabzeichen sein, eine Brosche oder auch ein Heiligenbild. «Es sind oft Schätze und Fundsachen aus meinen Reisen, die ich nach Hause gebracht habe», erzählt sie. In all den Jahren hat sie viele Kontakte geknüpft zu Klosterfrauen, Antiquaren, Künstlern und vielen anderen, die ihr auf ihrer Suche unterstützend zur Seite stehen.
Doch beim Breverl zählt nicht nur das Äussere. Das war ihr schon bei ihrem allerersten Exemplar klar, welches sie für eine kranke Freundin hergestellt hat und das ein an die Freundin gerichtetes Gedicht enthielt. Ihre heutigen Werke enthalten meist Texte, Zitate und Gedichte, die dem Motiv angepasst sind und die Elisabeth Schneider auf ihrem Weg begegnet sind. «Das Gestalten der Zettel im Innern überlasse ich einer guten Freundin, die als Restauratorin und Kalligrafin tätig ist. Ich bin jedes Mal begeistert, was sie aus den Textzeilen und meinen Ideen macht. Das ist eine Kunst, die ich nicht beherrsche», so das grosse Lob der Bernerin.
Mit dem Sticken habe sie einst angefangen, um die Leere zu füllen, nachdem ihre Kinder ausgezogen sind, erzählt sie. Bis zu sechs Stunden am Tag arbeitete sie an ihren Objekten. Das Kunsthandwerk nutzte sie auch, um ganz viele Erinnerungen festzuhalten. Sie stellt diese in erster Linie für sich selbst her, verkauft sie nicht, stellt sie kaum je aus, verschenkt nur ab und zu ein Exemplar. «Für mich sind die Breverl wie eine Art Tagebuch, sie sind voller Erinnerungen», sagt sie. Und zu jedem Exemplar weiss sie Geschichten zu erzählen. Weiss immer, woher die verschiedenen Materialen stammen. Und welche Ideen dem Motiv zugrunde liegen.
Werke voller Symbolik
Breverl haben eine tiefe symbolische Bedeutung. Für die Ausstellung im Reusspark war es ihr darum wichtig, ein neues Objekt herzustellen, welches einen Bezug zum Ausstellungsort hat. Mehrfach war sie im Kloster Gnadenthal zu Besuch und hat sich inspirieren lassen. Fündig wurde Elisabeth Schneider in der Klosterkirche. Hier werden hinter normalerweise verschlossenen Türen die Reliquien der Heiligen Justa aufbewahrt. Dank ihnen wurde die kleine Abtei 1665 zu einem Wallfahrtsort. Der Einzug der Gebeine erfolgte an einem 23. Oktober. Darum wird dieses Datum im Reusspark als Tag der heiligen Justa gefeiert, die zur Schutzpatronin geworden ist für Bewohnerinnen und Bewohner, Mitarbeitende und Besuchende.
Vorerst gibt es zu Hause kein Poulet mehr
Elisabeth Schneider hat sich von den Reliquien inspirieren lassen und ein wunderbares Abbild erschaffen. Dabei machte ihr vor allem die Darstellung der Knochen zu schaffen. «Ich habe mit verschiedenen Materialien experimentiert. Mit Korallenstäbchen, mit Plastilin und anderem. Aber es wirkte einfach nicht echt», berichtet die Künstlerin. Schliesslich hat sie sich dazu entschlossen, mit Hühnerknochen zu arbeiten. Jetzt war sie zufrieden – aber ihr Mann hatte für einige Zeit genug von Poulet.
Ein Vergleich des Breverl mit den echten Reliquien beweist – die Künstlerin kommt dem Original sehr nah. Passend dazu findet die Vernissage zur Ausstellung am 23. Oktober in der Klosterkirche statt. Aus diesem Anlass wird auch der sonst verschlossene Altarschrein mit den Justa-Reliquien geöffnet. Im Rahmen der Vernissage wird Elisabeth Schneider über ihre Arbeit und ihre Werke sprechen. Ihr Breverl der heiligen Justa wird danach als Schenkung im Kloster Gnadenthal bleiben und in der Klosterkirche einen Platz finden. «Ich habe mich in meinen Arbeiten oft mit dem Thema Tod beschäftigt. Dass der Reusspark sich derzeit dem Motto ‹heiwärts› widmet, passt perfekt. Auch das Thema Religion kommt oft vor bei meinen Motiven. Von daher ist es richtig, dass dieses Breverl jetzt hier bleibt», so die Künstlerin.
Ausstellung «Reisen durch gestickte Zeiten»: Vernissage mit Apéro am Donnerstag, 23. Oktober, 18 Uhr, in der Klosterkirche. Ausstellung bis Ende November im Refektorium. Geöffnet jeweils sonntags von 11 bis 16 Uhr.