Kunst aus der Dose

  14.04.2022 Kunst

Graffiti-Workshop im Jugendhaus muri13

Der Fantasie aus der Spraydose waren an diesem Nachmittag keine Grenzen gesetzt. Der Graffiti-Workshop unter der Leitung von Till Stanisch war ein Gemeinschaftsprojekt der offenen Jugendarbeit Muri und Sins. 15 Jugendliche im Alter zwischen 11 und 15 Jahren waren mit Begeisterung dabei.

Susanne Schild

«Genau so ist es perfekt», lobt Graffiti-Workshop-Leiter Till Stanisch die jungen Künstlerinnen und Künstler. Emma, 12 Jahre alt, zögert nicht lange. Rasch hatte sie den Bogen oder besser die Linien raus.

Bevor es ans Sprayen geht, gibt es Trockenübungen. Blätter und Stifte liegen bereit. «Wer von euch hat schon einmal einen Workshop besucht?», fragt Stanisch in die Runde. Vier Hände schnellen in die Höhe. «Ich habe daheim schon einmal eine Sperrholzwand besprayt», sagt Kursteilnehmer Max. «Wir nehmen Graffiti gerade im Fach Bildnerisches Gestalten in der Schule durch», sagt die zehnjährige Emma. «Sehr gut, dass Graffiti für einige von euch kein Neuland mehr ist», so Stanisch.

Ein spontaner Einfall

Er selbst kam ebenfalls durch die Schule in der fünften Klasse zum Graffiti. «Seitdem hat es mich nicht mehr losgelassen.» Die Kunstform fasziniert ihn. «Vor allem die technischen Aspekte und die farbliche Gestaltung. Darauf werden wir heute auch in diesem Workshop den Schwerpunkt legen», erklärt er.

Die Idee zu diesem Workshop sei spontan entstanden. «In Zürich hatte ich zusammen mit Linda D’Avanzo, Jugendarbeiterin in Sins, eine WG. Linda fragte mich, ob ich Lust hätte, einmal in Muri einen Kurs zu geben. Ich war gleich begeistert.»

Graffiti ist eine Subkultur

Für Till Stanisch ist Graffiti eine Lebenseinstellung. «Käme ein gänzlich kulturfremder Besucher in unsere Städte, würde er wohl zu dem Schluss gelangen, dass die Bewohner dieser Städte offenbar eine grosse Vorliebe für bizarre und schwer decodierbare Zeichen an ihren Wänden haben. Wahrscheinlich wäre er überrascht, wenn er erführe, dass, bis auf eine anders wertende Minderheit, die Bewohner dieser Städte solche gesprayten Zeichen keineswegs sonderlich schätzen. Letzteres gilt insbesondere dann, wenn diese Zeichen an die Wand des eigenen Hauses gesprüht wurden. Die ungebetenen Veränderungen werden dann eher als Schaden denn als Verschönerung erlebt», so Stanisch. Und weiter: «Doch Graffiti ist eine Subkultur, die untereinander strenge Regeln hat. Obwohl es, wenn es illegal praktiziert wird, gegen Regeln verstösst. Das ist eigentlich paradox.»

Relativ junge Kunstform

Entstanden ist Graffiti in den 1980er-Jahren in New York. «Also eine relativ junge Kunstform», erklärt der Experte den Jugendlichen. Das Wort Graffiti kommt aus dem italienischen, ist der Plural von «Graffito» und beschreibt ein Kratzbild oder eine in harten Stein geritzte Zeichnung. «Schon die ersten Höhlenmalereien und Funde in der Antike gehören somit laut wissenschaftlicher Definition zu dieser stetig wachsenden Kunstform», führt er weiter aus. Die Kunst aus der Dose enthalte immer einen kreativen Ausdruck in Form von Signaturen (Tags), Motiven, Figuren (Character), politischen Parolen oder einer Buchstabengruppe (Style), die meist für die Szene und nicht für den Laien lesbar seien.

Leinwand aus Stein gesucht

«Es ist illegal, ohne Erlaubnis zu sprayen. Macht das bitte nicht. Geht lieber in einen Workshop», legt Stanisch den Teilnehmenden ans Herz. «Natürlich ist es uns wichtig, dass die Jugendlichen nicht illegal irgendwelche Wände besprayen. Der Präventionsgedanke steht bei diesem Projekt aber eher im Hintergrund», ergänzt Valentin Geissmann, Jugendarbeiter im muri13. Man wolle den Jugendlichen eine Möglichkeit geben, mehr über diese Kunstform zu erfahren, diese selbst auszuprobieren und ihr dadurch näherzukommen. «Vielleicht stellt uns die Gemeinde Muri ja einmal eine passende Leinwand aus Stein zu Verfügung, die wir mit Graffiti verschönern können», so Geissmann.

15 Originale

«Jetzt skizziert bitte jeder den Anfangsbuchstaben seines Vornamens auf ein Blatt Papier», instruiert Stanisch die Gruppe. Sofort sind die Schülerinnen und Schüler in ihrem Element. «Ich glaube, ich habe Talent dazu», sagt Emma, als sie ihren Buchstaben betrachtet. Graffiti interessiert sie sehr und es macht ihr viel Spass. Joel (15) nimmt an dem Kurs teil, um sein Zimmer zu verschönern. «Meine Bude ist ziemlich leer. Das Bild hänge ich mir an die Wand.»

Till Stanisch gibt noch die letzten Tipps, um die Buchstaben spannender zu machen. «Jetzt, wo ihr alle euren Entwurf fertig habt, geht es an die Spraydose. Am besten die Grundlinie mit einer hellen Farbe beginnen, wenn die nichts wird, kann man einfacher korrigieren», rät der Künstler.
Am Ende können 15 Originale bewundert werden als Resultat eines wahrlich farbenfrohen Nachmittags im muri13.


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