Kunst im Raum

  02.03.2021 Muri

Pearlie Frisch zeigt ab heute im Singisenforum ihre aktuelle Ausstellung «Unmittelbare Ferne»

Pearlie Frisch wurde 2019 der erstmals von der Josef-Müller-Stiftung ausgerichtete «Mathilde-Müller-Preis» für Kultur im Freiamt verliehen. Nachdem die gewonnene Einzelausstellung bereits zweimal verschoben werden musste, freut sie sich umso mehr, ihre Kunst jetzt in Muri zeigen zu dürfen.

Susanne Schild

Pearlie Frisch wurde 1986 geboren und wuchs in Sarmenstorf auf. Ihre Ausbildung absolvierte sie unter anderem in London. Heute ist sie in Zürich, Luzern und in aller Welt tätig. «Auf den Preis gehofft habe ich damals, doch nicht damit gerechnet», erinnert sich die Künstlerin zurück. Angesichts des Teilnehmerfeldes von 15 Kunstschaffenden unterschiedlicher Richtungen sei das eine sehr ehrenvolle Auszeichnung für sie gewesen.

Eine konkrete Vorstellung, wie sie die Einzelausstellung gestalten würde, hatte Pearlie Frisch damals noch nicht. «Ich freute mich auf die Herausforderung, die drei wunderschönen Räume mit ihrem Licht und ihrem geschichtlichen Hintergrund mit meiner Kunst erfüllen zu dürfen.»

Verbindung der Zeiten

An der Kunststafette lobte das Kuratorenteam ihre Professionalität, Selbstständigkeit und Selbstsicherheit. Ihr Werk sei vielschichtig, ansprechend und anspruchsvoll zugleich, hiess es damals. Daran hat sich nichts geändert. Unter dem Titel «Unmittelbare Ferne» verleiht Pearlie Frisch dem Ausstellungsort eine ganz eigene Stimmung. Sie verbindet die Zeiten, das Innen und das Aussen. Mit ihren Schwebezuständen vermag sie gleichsam aus der Ruhe heraus eine Spannung zu erzeugen. Die in der Ausstellung präsentierten Werke sind speziell für die räumliche Situation des Singisenforums geschaffen oder adaptiert worden. Die Künstlerin bezieht den Ausstellungsort spielerisch, kreativ in ihre Kunst mit ein. Am Samstag, 6. März, wird sie zusammen mit Kurator Peter Fischer von 14 bis 16 Uhr im Singisenforum anwesend sein.


Der Moment mit dem Werk

Bis 25. April ist die aktuelle Kunstinstallation von Pearlie Frisch «Unmittelbare Ferne» im Singisenforum zu sehen

Die Ausstellung gibt erstmals einen vertieften Einblick in das aktuelle Schaffen der im Freiamt aufgewachsenen Pearlie Frisch. Ihr Augenmerk richtet die Künstlerin auf die Spuren und Eindrücke, wie sie sich in Landschaften, im Stadtbild, aber auch auf dem menschlichen Körper finden lassen.

Susanne Schild

Ende November 2019, kurz nachdem Pearlie Frisch den Mathilde-Müller-Preis gewonnen hatte, fing sie an, bestehende Projekte «weiterzuspinnen», sie zu konkretisieren, um sich auf die Einzelausstellung im März in Muri vorzubereiten. Im Februar 2020 stand dann fest, dass die Ausstellung abgesagt werden musste. «Enttäuscht war ich nicht, da ich wegen der Absage in kein Loch gefallen bin. Ich habe meine Energie einfach auf andere Projekte fokussiert.»

Kunst, die der Öffentlichkeit jederzeit zugänglich ist

Während des ersten Lockdowns ging sie häufig abends in Zürich, wo sie momentan lebt, spazieren. «Ich nahm die Stadt auf einmal anders wahr. Es fehlten die Menschen. Deshalb rückten die Werke des öffentlichen Raums bei mir in eine ganz andere Perspektive.» Pearlie Frisch begann sich mit ihnen auseinanderzusetzen. Dabei fiel ihr auf, dass Frauenstatuen meist nackt, namenlos und keinen realen Persönlichkeiten zuzuordnen sind. «Frauen sozusagen als Deko-Objekt in der Öffentlichkeit.» Männerstatuen hingegen waren bekleidet und verkörperten reale Persönlichkeiten. Ihre Spazierbegleiter begannen mit den Statuen zu spielen, turnten auf ihnen und berührten sie mit ihren Händen. «Das war für mich ein Symbol für die soziale Distanz. Die lebendige Hand auf dem kalten Stein oder der kalten Bronze.»

Die Fotos, die in diesen Nächten entstanden, installiert Pearlie Frisch im Aussenraum des Singisenflügels. Die Plakatarbeit «Öffentliche Hand» nimmt die Ausstellungsthematik in den drei Innenräumen auf und vollzieht das wechselhafte Spiel von Vereinnahmung gleichsam mit einem Augenzwinkern. «Das Schöne an dieser Arbeit ist, dass sie der Öffentlichkeit jederzeit zugänglich ist», streicht Frisch heraus.

Die Kunst reagiert auf die Besucher

Auch die drei Innenräume des Si ng isen for u ms er f ü l lt d ie Sarmenstorferin mit ihrer Kunst. Im ersten wird die Installation «Unmittelbare Ferne» mit Tonschalen zu sehen sein. «Während des letzten Jahres habe ich festgestellt, dass ich sehr gerne mit dem Material Ton schaffe. Vielleicht weil ich das Haptische vermisse. Den Körperkontakt zu meinen Mitmenschen», erklärt die 34-Jährige. In der Installation sind filigrane Tonschalen, die auf dünnen Metallstäben stehen, mit Wasser gefüllt. Wenn die Besucherinnen und Besucher den Raum betreten, ihn durchlaufen, entstehen in den Tongefässen Schwingungen. Je nachdem, wie leichtfüssig oder schwerfällig man durch den Raum geht, desto unterschiedlicher fallen die Schwingungen aus. «Ich will damit zeigen, dass wir alle miteinander in Verbindung stehen, jede Aktion eine Resonanz hervorruft. Die Kunst reagiert auf die Besucher, genauso wie die Besucher auf die Kunst reagieren.»

Der zweite Raum wird ebenfalls vom Material Ton bestimmt. «Ton ist mit eines der ältesten Materialien der Menschheit. Er kommt aus der Erde und wird mit den Händen geformt.» Die Form der Schale sei ebenfalls eine sehr alte Gefässform. «Wir essen gemeinsam aus Schalen. Schalen sind sozusagen ein Symbol der Leiblichkeit.» Eine Schale aus gebranntem Ton, eine andere aus ungebranntem sind wiederum auf Metallstäben im Raum aufgestellt. Über beiden ist ein Scheidetrichter aus dem Laborbereich befestigt, aus dem Wasser in die Tonschalen tropft. Es findet ein Wandlungsprozess statt. Wie die Wassertropfen die Tonschalen bis zum 25. April verändern werden, darauf ist die Künstlerin selbst gespannt. «Vielleicht wird die ungebrannte durchlöchert sein, vielleicht bricht sie ganz auseinander.»

In eine weitere Schale tropft aus dem Scheidetrichter eine Salzlösung. Mit der Zeit werden sich dort Salzkristalle bilden und zu etwas wachsen. Auch hier ist das grosse Fragezeichen, was daraus entstehen wird. «Hier reagiert die Kunst nicht auf den Menschen, sondern auf unsere Umwelt.»

Gelebte Kunst, die keinen ausschliesst

Im dritten Raum stellt sie ein 1,60 Meter hohes Bild einer schwangeren Frau aus. «Kein kitschiges, klischeehaftes Bild, sondern ein Bild, das zeigen soll, dass die Schwangerschaft nicht versteckt werden kann. Sie soll zu einer Selbstverständlichkeit im Raum werden. Selbstverständlich, dennoch versteht das Bild jede und jeder anders. In ihrem und seinem eigenen Kontext.» In allen drei Räumen werden Themen angesprochen, die die Künstlerin im Moment beschäftigen. «Gerade in einer Zeit der sozialen Distanz fängt man an, sich mit sich selbst auseinanderzusetzen. Kunst aus der Sicht einer Frau, da ich eben eine Frau bin, will ich zeigen.» Obwohl Pearlie Frisch sich durchaus als Feministin versteht, möchte sie nicht, dass die ausgestellten Werke eindimensional aus dem «weiblichen Blick» heraus gelesen werden, sondern verschiedene Perspektiven zulassen. Sie möchte, dass die Besucherinnen und Besucher den Moment mit dem Werk erleben, sich damit auseinandersetzen. «Meine Kunst ist für alle da, ich will keinen ausschliessen.» Pearlie Frisch lädt dazu ein, die Welt und sich selbst neu zu erfahren – egal, was dabei entsteht.


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