Leben ohne Hören
30.09.2025 Region Unterfreiamt, Hägglingen«IG Offenes Pfarreihuus» in Hägglingen lud zu informativem Abend ein
Im Rahmen der Vortragsreihe der IG sprachen Yvonne Widmer und Paul Meier in Hägglingen aus eigener Lebenserfahrung zum Thema «Kommunizieren unter erschwerten Bedingungen». ...
«IG Offenes Pfarreihuus» in Hägglingen lud zu informativem Abend ein
Im Rahmen der Vortragsreihe der IG sprachen Yvonne Widmer und Paul Meier in Hägglingen aus eigener Lebenserfahrung zum Thema «Kommunizieren unter erschwerten Bedingungen». Die Besucherschaft war offen für die aufschlussreichen Informationen .
Stefan Treier
Aus der Perspektive mütterlicher Erfahrungen wie aus der eigenen Lebenserfahrung sprachen die beiden ortsansässigen Referenten Yvonne Widmer und Paul Meier. Markus Schmid war es vergönnt, als Vertreter der Organisatorin eine stattliche Zuhörerschaft im «offenen Pfarreihuus» zu begrüssen. Es sei vorweggenommen – beide Referenten erfuhren von der Zuhörerschaft das Empfinden von hohem Respekt und Achtung vor der Meisterung der geschilderten Hausforderungen im Leben.
Autismus und Hörbehinderung – grosse Herausforderungen
Yvonne Widmer stellte sich als Mutter zweier mittlerweile erwachsener Töchter und eines Sohnes vor. Eine Tochter leidet an frühkindlichem Autismus, die zweite Tochter ist gehörlos, während ihr Zwillingsbruder hörend ist. Paul Meier wiederum kam vor 65 Jahren mit einer Hörbehinderung auf die Welt und meisterte trotz dieser sein Leben. Er führte in Hägglingen einen Bauernhof, den er vor Kurzem einem Nachkommen übergeben konnte.
Dank ungebrochener positiver Willenskraft und gezieltem Verhalten ist es den Betroffenen gelungen, für die eigenen Kinder, wie auch für sich selbst, Voraussetzungen zu schaffen, welche ihnen die Meisterung der Lebensaufgaben weitgehend ermöglichen.
Kommunikation aus Interaktion
Yvonne Widmer erläuterte anhand praktischer Beispiele, wie sie die Kommunikation ihrer Töchter als kleine Kinder in verschiedenen Themenbereichen erlebte und fördern konnte. Eine gelingende Kommunikation entstand meistens durch Interaktion, die Übertragung und den Austausch von Informationen. Die ganze Sprache wurde visualisiert mit Hilfe einer besonderen Methode. Die Kommunikationsförderung erfolgt so im Bilderaustausch-Kommunikationssystem. Die Abläufe werden mittels Bildern visuell dargestellt und so wichtige Infos vermittelt.
Es gibt Bildkarten, welche für solche Aktionen konkret und mit Erfolg eingesetzt werden können. Viele wurden dabei den Kindern spielerisch erklärt, wobei zu erlernende, passende Gesichtsausdrücke nicht unwichtig waren.
«Die Töchter haben vieles visuell aufgenommen», so Yvonne Widmer, welche auch auf die Bedeutung der Gebärdensprache hinwies. Diese visuelle Sprache für die Kommunikation mit Gehörlosen und Schwerhörigen besteht aus Handzeichen, Gesichtsmimik und Körperhaltung. Sie verfügt über eine eigene Grammatik und ein umfassendes Vokabular. Besonders bedeutungsvoll war laut Yvonne Widmer der direkte Blickkontakt, durch welchen doch einiges erreicht werden konnte. Die Vermittlung und Verständigung dieser Methoden mit den Töchtern waren zweifellos auch für die Eltern eine starke Herausforderung, die sie gemeistert haben. Die Unterstützung durch den «Landenhof» darf nicht unerwähnt bleiben. Eine besondere Bedeutung kam dem Einsatz technischer Hilfsmittel zu. Hörapparate und im Ohr eingebaute Implantate sind technische Fortschritte der letzten Jahre, welche vieles zur Verbesserung der Integration von Handicapierten beigetragen haben. Mit Freude konnte Yvonne Widmer auch bekannt geben, dass es der schwerhörigen Tochter vergönnt ist, eine Mediamatiker-Lehre zu absolvieren. Die autistische Tochter lebt in einem Institut, kann jedoch regelmässig nach Hause kommen. Die Familie fühlt sich in Hägglingen wohl und von der Bevölkerung verstanden und getragen.
Leben in Dorfschule begonnen
Paul Meier informierte über seinen bewegten Lebenslauf, der als Schwerhöriger seinen Anfang nahm. Von seinen vier Geschwistern litt auch sein Bruder Urs an einer Hörbehinderung. Schon im ersten Jahr erhielt er ein Hörgerät, was ihm sehr von Nutzen war. Bis zur vierten Klasse verbrachte Paul Meier seine Schulzeit in Hägglingen, wo er Verständnis für seine Situation und Unterstützung verspürte. Das fünfte Schuljahr absolvierte er im «Landenhof». Zufolge individueller Betreuung durch die dortigen Lehrkräfte in kleineren Klassen war ihm Erfolg beschieden. Die Sekundarschule wiederum besuchte er letztlich in Hägglingen. Es folgten eine zweijährige Ausbildung als Landwirt sowie diverse Kurse.
Mit Hilfe von Hörgeräten ist ihm eine Kommunikation möglich, sodass er in Dorfvereinen mitwirken kann und ihm auch die Führung eines eigenen Hofes möglich war. Auf Distanz spürt er Einschränkungen, kommt jedoch damit zurecht.
Trost durch Markus-Evangelium
Yvonne Widmer engagiert sich mit ihren Familien-Erfahrungen in der SVEHK (Schweizerische Vereinigung der Eltern hörgeschädigter Kinder). Die elterlichen Engagements, das Wissen über moderne Erkenntnisse, insbesondere über Implantate, sind wertvolle Grundlagen für den Austausch unter betroffenen Eltern, was oft auch zur Vermittlung wertvoller pädagogischer Dienste führte. Diakon Hans-Peter Stierli hat Kontakte zu hörbehinderten Personen, die er auch in seiner Familie kannte. Früher wurden hörbehinderte Menschen von der Gesellschaft ausgestossen, doch Jesus hat hier ein Zeichen gesetzt. Der Diakon bezog sich auf einen Abschnitt aus dem Markus-Evangelium, welcher die Hilfe von Jesus an eine Hörbehinderte klar umschreibt: «Er holte sie ins Leben zurück, damit sie weiterleben konnte.»
Die «IG Offenes Pfarrhaus» plant bereits am 23. Oktober einen nächsten spannenden Info-Abend. Dann wird die aktuelle Lage des Friedensdorfes in Israel ein Thema sein, zu welchem Gabriel Osern Gast sein wird.