Letztes Mal auf der Holzbrücke
06.08.2024 Region Oberfreiamt, SinsEin letztes Mal
Broggekino wird Geschichte
Ein Open-Air-Kino und doch irgendwie nicht. Die besondere Atmosphäre auf der Holzbrücke lockt Besucher von nah und fern nach Sins. Da die Brücke am Tag genutzt wird, sind die Vorstellungen für ...
Ein letztes Mal
Broggekino wird Geschichte
Ein Open-Air-Kino und doch irgendwie nicht. Die besondere Atmosphäre auf der Holzbrücke lockt Besucher von nah und fern nach Sins. Da die Brücke am Tag genutzt wird, sind die Vorstellungen für den Verein immer mit enormem Aufwand verbunden. Das ganze Equipment muss nach der Vorstellung abgebaut und am nächsten Abend wieder aufgebaut werden. Ein harter Job für die Mitglieder. Zudem werden die Auflagen immer strenger. Dies und weitere Änderungen führen dazu, dass nun Schluss mit dem Kino auf der Holzbrücke ist. Doch eine mögliche Alternative neben dem Gemeindehaus ist in Aussicht. Die letzten Tickets sind auf jeden Fall heiss begehrt. --mo
Der Verein Broggekino Sins empfängt wieder (14. bis 17. August) zu seinem beliebten Anlass
Noch vier Filme, dann ist Schluss. Statt auf der alten Holzbrücke soll das Open-Air-Kino in Sins künftig neben dem Gemeindehaus stattfinden. Der Run auf die letzten Broggekino-Tickets hat schon begonnen.
Thomas Stöckli
Über fehlende Konstanz kann sich Ursula Guggenbühl nicht beklagen. Das erste Broggekino hat sie 2007 noch in ihrer damaligen Rolle als Gemeinderätin und Präsidentin der Kulturkommission mit lanciert. Der Anstoss sei damals von Kinobetreiber Peter Arnold gekommen, blickt sie zurück. Für die zweite Durchführung haben sich die Initianten als Verein organisiert. Personell gab es in den 17 Jahren kaum Wechsel: «Es sind immer etwa die Gleichen, die mit anpacken», sagt die Broggekino-Präsidentin. Das Team ist eingespielt, das Konzept mit der Leinwand in der Mitte des gewölbten Brückenbogens und dem Barwagen am Ostufer gegenüber vom «Zollhaus» hat sich bewährt. Rund 100 bis 120 Filmfans finden so Platz – mit gutem Blick auf die Leinwand und ansprechender Akustik.
Über die Region hinaus bekannt
Dass man das Rauschen der Reuss trotzdem hört, daran stört sich hier niemand. Das ist schliesslich Teil der besonderen Atmosphäre, mit welcher der Event auf der alten Holzbrücke punktet. Eine Atmosphäre, die sich über die Grenzen des Oberfreiamts hinaus herumgesprochen hat: «Wir haben auch Besucher aus dem Zürcher Knonauer Amt», sagt Ursula Guggenbühl stolz. Beim Verein Broggekino spricht man schliesslich vom «besten Open-Air-Kino der Schweiz». Als Gründe dafür nennt die Präsidentin die familiär anmutende Grösse, aber auch den Fakt, dass in diesem Open-Air-Kino unabhängig vom Wetter sämtliche Besucherinnen und Besucher im Trockenen sitzen.
Der besonderen Atmosphäre zollt das Broggekino-Team allerdings auch Tribut: Für jeden einzelnen Kinoabend muss es die komplette Infrastruktur aufstellen. Tagsüber soll die Brücke schliesslich wieder für Fussgänger, Velofahrer und Landwirtschaftsfahrzeuge passierbar sein. Einzig die Verdunkelungsvorhänge dürfen während den vier Tagen hängen bleiben. Seit 2012 das Technikequipment gestohlen wurde, wird auch dieses komplett demontiert und über Nacht sicher eingelagert. Rund ein Dutzend Leute stehen jeden Abend im Einsatz, um diesen Aufwand zu stemmen. Es sind immer etwa die gleichen. «Trotz unseren Bemühungen ist in all den Jahren kaum jemand dazugekommen.» Entsprechend sind die Mitwirkenden gefordert: «Vier Abende am Stück und jedes Mal wird es Mitternacht, das hängt schon an», sagt Ursula Guggenbühl.
Immer mehr Bewilligungen
Derweil hat der Planungsaufwand zugenommen: «Zu Beginn reichte es, die Bewilligung der Gemeinde Hünenberg einzuholen», blickt die Broggekino-Präsidentin zurück. Heute verlangt der Kanton ein Verkehrs- und ein Fluchtweg-Konzept. Was den Stromanschluss anbelangt, haben die Auflagen ebenfalls zugenommen – und damit der Aufwand für den organisierenden Verein. Das sei mit ein Grund, weshalb die diesjährige Auflage des Broggekinos die letzte sein soll. An mangelndem Zuschauerinteresse liegt das sicher nicht: «Zwei Tage nach dem Start des Vorverkaufs waren die Hälfte der Plätze bereits reserviert», freut sich Ursula Guggenbühl. Das hat selbst ihre Erwartungen übertroffen: «Wahrscheinlich wollen alle nochmals kommen, weil es das letzte Mal sein wird», sucht sie nach Gründen für den Ansturm.
Gerade mal zwölf Franken kostet der Eintritt zum Kino auf der alten Holzbrücke. Gemeinsam mit den Sponsoreneinnahmen und dem Bar-Umsatz reiche das, die Kosten für Infrastruktur, Filme und Betrieb zu decken. «Wir sind ja schliesslich nicht gewinnorientiert», so Ursula Guggenbühl. Einzig ein Schlussessen mit den involvierten Helferinnen und Helfern gönnt man sich jeweils.
Nachfolgeformat in Aussicht
Zwei weitere Gründe sprechen dafür, dass mit dem Broggekino nach diesem Jahr Schluss sein wird. Einerseits der Wegzug des langjährigen technischen Leiters, andererseits der anstehende Umzug des örtlichen Kinos in den Kultur-Neubau unmittelbar neben dem Gemeindehaus: «Das Cinepol plant dort ab nächstem Sommer einen eigenen Open-Air-Kino-Anlass», weiss Ursula Guggenbühl. Die Kumulation der genannten Faktoren sei denn auch ausschlaggebend, zu sagen: Das wars – «mit einem lachenden und einem weinenden Auge», wie die Broggekino-Präsidentin festhält.
Für die Dernière haben sich die vier OK-Mitglieder seit April nochmals richtig ins Zeug gelegt und ein Programm zusammengestellt, das ein breites Publikum anspricht. Action-Blockbuster und Dramen gehören allerdings nicht dazu. Das hat das Broggekino-Team schnell festgestellt: Am besten kommen lustige, positive Filme an. Wie «The Holdovers», eine warmherzige Geschichte von Menschlichkeit und Zusammenhalt, mit der es am Mittwoch, 14. August, losgeht. Gross ist aktuell auch der Run auf den französischen Film «Oh La La – wer ahnt denn sowas?», der am Donnerstag, 15. August, gezeigt wird. Es ist eine Komödie um eine Liebe zwischen zwei gesellschaftlichen Welten, die sich entsprechend mit Vorurteilen und kleinen Boshaftigkeiten konfrontiert sieht. «Wo die Lüge hinfällt», heisst es am Freitag, 16. August. Die romantische Komödie spannt den Bogen zwischen Schein und Sein, angelehnt an Shakespeares «Viel Lärm um nichts».
Auch wieder ein Schweizer Film
Der grosse Knaller war in den Anfangsjahren des Broggekinos der Schweizer Film «Die Herbstzeitlosen»: «Da war der Andrang so gross, dass wir den Film spontan am selben Abend gleich nochmals vorgeführt haben», erinnert sich Ursula Guggenbühl. Seither gehört jedes Jahr ein Schweizer Film ins Programm – sofern es denn einen gibt, der infrage kommt. Diesmal hält «Bon Schuur Ticino» das inländische Filmschaffen in Ehren. In der Komödie mit Beat Schlatter wird als Folge einer «No-Bilingue-Initiative» Französisch als einzige Landessprache festgelegt, worauf sich natürlich Widerstand regt. Der Film spielt mit Klischees, vereint Humor und Spannung und bietet nicht zuletzt auch überraschende Wendungen. Er bildet am Samstag, 17. August, den Abschluss des Broggekinos. Endgültig.
Doch nun geht es erst mal darum, die letzte Ausgabe zu geniessen. «Wir hatten immer Spass», blickt Ursula Guggenbühl zurück, dankbar für die vielen Begegnungen und die begeisterten Rückmeldungen der Kinogänger über all die Jahre. Entsprechend sei sie interessiert, auch beim geplanten Nachfolgeformat des neuen Cinepol neben dem Gemeindehaus mit anzupacken. «Nur mithelfen, nicht mehr mitorganisieren», stellt sie klar und lächelt.