Loslassen fällt nicht schwer
18.11.2025 Muri, PorträtÜber 40 Jahre als Notar
Roland Haller tritt kürzer und blickt zurück
Ganz viele Gesetzlichkeiten, die sich verändert haben. Eine Region, die sich stark entwickelt hat. Das alles hat Roland Haller in über 40 Jahren als Anwalt und ...
Über 40 Jahre als Notar
Roland Haller tritt kürzer und blickt zurück
Ganz viele Gesetzlichkeiten, die sich verändert haben. Eine Region, die sich stark entwickelt hat. Das alles hat Roland Haller in über 40 Jahren als Anwalt und Notar in Muri ganz nah miterlebt. Schon 2020 hat er sein Geschäft seinem Nachfolger weitergegeben, nun tritt er kürzer. Haller begleitet nur noch wenige letzte Aufträge. «Das ist gut so», sagt der 74-Jährige. Die Juristerei ist seine Leidenschaft und wird auch fortan sein Hobby bleiben. --ake
Nach 43 Jahren juristischer Tätigkeit in Muri tritt Roland Haller kürzer
Er ist Anwalt. Und Notar. Schon vor fast sechs Jahren hat er sein Geschäft an der Kirchbühlstrasse seinem Nachfolger übergeben. Nun zieht sich Roland Haller definitiv zurück. Nicht ohne vorher auf die über vier Jahrzehnte zurückzublicken und darüber zu sprechen, was ihm in seinem Alltag stets wichtig war.
Annemarie Keusch
Das Aussergewöhnliche. Die Spezialaufgaben. Es sind solche Aufträge, die Roland Haller immer reizten. Flugzeugpfandverträge zum Beispiel. Gesellschaftsverträge oder Waldbewirtschaftungsverträge. «Solche Sachen landeten immer bei mir auf dem Tisch, und das fand ich sehr spannend.» Mit Leib und Seele war und ist Roland Haller Jurist. Die Menschen in ganz unterschiedlichen Lebenslagen und Situationen zu begleiten, das gefiel ihm. «Von der Wiege bis zur Bahre, Haller Notare», sagt er und lacht. Es sind noch ein paar wenige Aufträge, die er begleitet. «Aber es geht gegen null und das ist gut so.» Haller ist 74-jährig. «Ich habe genug geleistet in meinem Leben», ist er überzeugt. Entsprechend fällt ihm das Loslassen nicht mehr schwer. Mehr Zeit fürs Lesen, mehr Zeit für Ferien. «Mein Alltag wird auch weiterhin ausgefüllt sein, auch ohne Eisenbahnanlage oder Ähnliches», sagt er und lacht. Ökonomie und die Juristerei – das war sein Berufsalltag und das ist weiterhin sein Hobby.
Hallers juristischer Weg war quasi vorgespurt. Sein Grossvater war Gemeindeschreiber und urkundsberechtigt, sein Vater gründete «Advokatur und Notariat Haller». «Die ältesten Unterlagen, die wir noch haben, sind aus dem Jahr 1946.» Zwar habe er zwischenzeitlich mit einem Wirtschaftsstudium geliebäugelt. «Die unglaublichen Formeln, die in einer Vorlesung der Finanzwirtschaft vermittelt wurden, schreckten mich ab.» Er studierte Jus und war von Anfang an fasziniert von der Materie. «Vor allem das Verfassungs- und das Privatrecht waren meine Schwerpunkte.» Schon als 27-Jähriger war er Anwalt, kurze Zeit später Notar. «Ich habe Vollgas gegeben.» Zu dieser Zeit lebte Haller in Bern, war Geschäftsführer zweier Verbände, dissertierte im Verfassungsrecht. Dann kam er zurück nach Muri, übernahm 1984 das Geschäft des Vaters. «Ich musste nicht, ich wollte.»
Viele Veränderungen miterlebt
Die Selbstständigkeit war sein grosses Ziel. Mit der Übernahme der Einzelunternehmung konnte er dies erreichen. Entsprechend sagt Haller auch über 40 Jahre später: «Für mich gab es nie einen Moment für einen Wechsel.» Auch weil die Aufgaben immer ganz unterschiedlich waren. «Kein Tag wie der andere.» Privatpersonen, Firmen, Gemeinden, die Aufträge waren genauso divers wie die Auftraggeber. Was dabei als Notar und Anwalt immer seine Kernaufgabe war: die Balance finden. «Die unterschiedlichen Interessen spiegeln und möglichst wenig Spielraum für potenzielle Streitpunkte lassen.» Dabei sei es wichtig, gegenüber anderen Meinungen offen zu sein und diese zu akzeptieren. «Zudem muss man auf Leute eingehen können.»
Veränderungen hat Roland Haller in den über 40 Jahren so manche miterlebt. «Allgemein wurde vieles komplexer und umständlicher.» Die Digitalisierung habe vieles beschleunigt. Auch vereinfacht? «Da kann man sich darüber streiten.» Die Digitalisierung habe auch zur Folge, dass viel weniger Gespräche am Tisch geführt werden. «Dabei liesse sich im direkten Gespräch oft vieles einfacher klären.» Was sich auch verändert hat, sei der Umfang von Verträgen und juristischen Dokumenten. «Früher war es ein A3-Doppelblatt, aber diese Zeiten sind längst vorbei.» Kürzungspotenzial sähe Haller in den heutigen Verträgen allweil. «Gerade bei den oft sehr umfangreichen Erklärungen der Begrifflichkeiten.»
Entwicklung der Region mitgestaltet
Freiamt, Seetal, Kelleramt – Roland Haller hat die Region und die Leute durch seine berufliche Tätigkeit intensiv kennengelernt. «Die Region hat sich in den letzten Jahrzehnten stark entwickelt. Es war spannend, diese Entwicklung mitzugestalten.» Mit Fokus auf Raumplanungs- und öffentliches Baurecht hat Haller dies vielerorts getan. Etwa bei der Erschliessungsplanung zur Erweiterung Industrie Süd in Muri. Aber mehr noch: Von 1994 bis 1997 engagierte sich Roland Haller im Gemeinderat von Muri. Beruflich und privates Engagement zusammen – also kennt er das ganze Dorf? Roland Haller lacht. «Nein. Eben nicht. Ich vergesse Namen relativ schnell. Und Fälle zum Glück auch. So lief ich gar nie Gefahr, das Notariats- oder das Amtsgeheimnis zu verletzen.»
Nicht immer einfach sei es hingegen gewesen, das Berufliche strikt vom Privaten zu trennen. «Anfangs wurde ich im Privatleben oft auf laufende Projekte angesprochen.» Das habe sich aber schnell verbessert. Erst recht, seit Roland Haller 2006 von Muri nach Oberlunkhofen umzog.
Immer gute Mitarbeitende um sich
Nun also räumt er sein Büro an der Kirchbühlstrasse, wo «Advokatur und Notariat Haller» seit 1997 zu Hause ist. «An der Spitalstrasse wurden die Räumlichkeiten einfach zu klein.» Vier Personen zählte das Unternehmen, als er es übernahm, mittlerweile sind es acht. «Wir durften in all den Jahren immer auf viele kompetente Mitarbeitende zählen.» Josef Baur hat ihn quasi sein ganzes Berufsleben lang begleitet. «Ich war dabei, als mein Vater ihn einstellte.» Roland Haller meint aber auch Fabian Bertschinger. Ihm hat er die Einzelunternehmung, die mittlerweile eine AG ist, per 1. Januar 2020 verkauft. Direkte Nachkommen hat Haller keine, «aber zwei wunderbare Stieftöchter und drei Enkel». Von denen aber keine in der Juristerei zu Hause ist.
Entsprechend schaute sich der heute 74-Jährige schon länger nach Nachfolgelösungen um. «Auch eine Fusion kam infrage, aber die ideale Kombination habe ich nie gefunden.» Stattdessen fand er in Fabian Bertschinger, einem einstigen Praktikanten im Anwalts- und Notariatsbereich, einen Nachfolger, dem er die Firma anvertraut. Seither konnte er sich mehr Freiheiten nehmen, war nicht mehr verantwortlich für Personal, Finanzen und, und, und. «Es waren keine Nachtübungen mehr notwendig», meint er schmunzelnd. Nun folgte der nächste Schritt – viel näher an den Ruhestand, den er rein aufs Alter blickend längst verdient hätte.


