Mehr als einfach hinkippen
29.09.2023 Region Oberfreiamt, DietwilPlatz für Dreck wird knapp
Am Netzwerkanlass bei der Deponie Babilon in Dietwil sind mögliche Engpässe eines der Themen
Durchschnittlich 56 Lastwagen täglich kippen sauberes Aushubmaterial in die Deponie Babilon in Dietwil. ...
Platz für Dreck wird knapp
Am Netzwerkanlass bei der Deponie Babilon in Dietwil sind mögliche Engpässe eines der Themen
Durchschnittlich 56 Lastwagen täglich kippen sauberes Aushubmaterial in die Deponie Babilon in Dietwil. Nur, diese ist in rund vier Jahren gefüllt. Lösungsansätze gibts, aber die Zeit drängt.
Annemarie Keusch
Es wäre wohl die Lösung, die niemand will. Dieter Greber von der Deponie Freiamt AG erzählt, dass Lastwagen mit sauberem Aushubmaterial – «Dreck» – auch schon vom Aargau bis ins Elsass fuhren, um das Material in einer Deponie abzuladen. Ein solches Szenario droht nicht. Aber Greber sagt: «Die Deponie in Beinwil ist voll, jene in Dietwil hat noch rund vier Jahre Platz.» Seit drei Jahren sei man daran, eine Erweiterung gegen Norden zu planen, so wie es ursprünglich im Richtplan schon vorgesehen war. «Die Verträge mit den Landwirten sind abgeschlossen, die ‹Gmeinden› sagten Ja». Trotzdem, damit die Erweiterung Tatsache ist, bis die bisherige Deponie gefüllt ist, müsse man Gas geben. «Denn gegraben wird sowieso, also fällt auch weiterhin Aushubmaterial an.»
In der «Höll» geht es vorwärts
Greber ist zuversichtlich, dass dies klappt. «Der Kanton weiss mittlerweile, dass wir gute Arbeit leisten.» Zudem sei für alle klar, dass Regionalität viel sinnvoller sei, als weite Wege zu fahren. So sieht es auch Franz Bucher von der Deponie Höll AG, die zwischen Waltenschwil, Boswil und Kallern eine neue Deponie plant. Er erzählt: «Die Einreichung des Baugesuchs sollte in nächster Zeit erfolgen.» Vom ursprünglichen Plan, dass ab 2024 sauberes Aushubmaterial in der «Höll» abgegeben werden kann, musste man allerdings bereits abweichen. «Es sieht danach aus, als könnten wir im Sommer oder Herbst nächsten Jahres mit der Erschliessung beginnen.»
Weiter südlich nahen also Entspannung und Platz für den sauberen Dreck der Freiämter Baustellen.
Die Betreiber der Deponie Babilon erzählten am Netzwerkanlass aus ihrem Alltag
Die Lastwagen fahren hin, kippen das Aushubmaterial und gehen wieder. So einfach ist das nicht. Das erfuhren über 70 Interessierte am Netzwerkanlass, den die Repla Oberes Freiamt zusammen mit der Industrievereinigung Muri und der Gewerbevereine Muri und Sins organisierte.
Annemarie Keusch
Es geht um ökologische Ausgleichsf lächen, um Feststoffproben, aber auch um mit GPS-System ausgerüstete Dozzer, die das Aushubmaterial zwar verteilen, aber nach wie vor wissen, wo das Material welches Lastwagens und damit welcher Baustelle gelagert ist. Der Betrieb der Aushubdeponie Babilon ist komplexer, als es sich wohl ganz viele vorstellen. Dass es aber ein Thema ist, das interessiert, zeigt der Besucheraufmarsch. Über 70 Vertreterinnen und Vertreter aus Politik, Gewerbe oder Gesellschaft kamen auf Einladung der Repla Oberes Freiamt, der Industrievereinigung Muri und der Gewerbevereine Sins und Muri auf dem Erdhügel zwischen Dietwil und Oberrüti zusammen. Der Grund war nicht die herrliche Aussicht auf die Bergwelt, die sich dort bietet. Der Grund war der Erdhügel selbst – die Deponie Babilon.
Dietwils Gemeindeammann Pius Wiss, der seit Jahren ebenfalls als Repla-Präsident amtet, kennt die Geschichte der Deponie bestens. 2008 seien die ersten Ideen entstanden. «Nachher galt es ganz viele ganz unterschiedliche Fragen zu beantworten. Uns als Gemeinderat war es wichtig, dass wir dabei die Führung hatten. Wir wollten nicht, dass die fünf Grundeigentümer gegeneinander ausgespielt werden», blickt Wiss zurück. Immer einfach sei der Weg von der ersten Idee bis zum ersten Lastwagen, der sauberes Aushubmaterial ablud, nicht gewesen. «Es galt ganz verschiedene Ansprüche zusammenzubringen, etwa auch dass der Radweg nach Sins nicht niveaugleich gequert werden darf. Sonst hätten sich in der Bevölkerung keine Mehrheiten finden lassen.»
Viele falsche Vorstellungen
Und es galt sich für einen möglichen Betreiber zu entscheiden. «Weil die Deponie Freiamt AG schon in Beinwil gute Arbeit leistete, entschieden wir uns für sie.» Für die Gemeinde hingegen sei alles Neuland gewesen. «Uns ging es wie vielen. Auch wir hatten falsche Vorstellungen, vielleicht auch den Deponien geschuldet, wie es sie vor 50 Jahren gab, wo einfach der gesamte Abfall verschüttet wurde.» Entsprechend viel Informations- und Aufklärungsarbeit sei nötig gewesen.
Und damit ist auch nach einigen Jahren des Betriebs nicht Schluss. «Wir sind froh, uns immer wieder zeigen zu können», sagt Dieter Greber von der Deponie Freiamt AG. 2003 sei die Gesellschaft gegründet worden aus neun Firmen, die auf dem Markt eigentlich Mitbewerber sind, hier aber zusammenspannen. Zehn Jahre nahm die Planungsphase in Anspruch. Etwa musste eine Einspurstrecke bei der Kantonsstrasse realisiert werden, aber auch eine Pneuwaschanlage, Installationen für die Zufahrtskontrolle. Das sind nur wenige Beispiele. Seit 2019 wird die Deponie mit sauberem Aushubmaterial gefüllt. 16 Hektaren umfasst die Fläche, rund 1,4 Millionen Kubikmeter beträgt das Volumen. «Die Hälfte ist voll», sagt Greber.
Zu 99 Prozent sauberes Material
Toni Leu ist Deponiewart. Und er betont, dass hier nur sauberes Aushubmaterial angeliefert werden darf. «Das heisst, es müssen mindestens 99 Gewichtsprozent sein», präzisiert er. 99 Prozent des Gewichts müssen Stein, Erde oder Fels sein, ein Prozent dürfen beispielsweise Tonröhrchen sein. Neu würden alle 10 000 Kubikmeter Feststoffproben entnommen und ausgewertet. «Bei Verschmutzung muss der Lieferant das Material wieder abholen», sagt Leu. Wie er wisse, woher welcher Dreck stamme? «Alle Lieferanten sind registriert, müssen die Baustelle angeben, bevor sie in die Deponie einfahren», erzählt Toni Leu. Kameras erfassen die Fahrzeuge digital, kontrollieren auch die Fracht. Beim Kippen kontrolliert der Deponiewart. Und eben, neu werden Proben genommen. «Die Dozzer sind mit GPS ausgestattet. Weil wir wissen, wann welches Aushubmaterial abgeladen und wohin verteilt wurde, können wir das genau nachvollziehen.»
Leu spricht aber auch über ökologische Aspekte. Zum Beispiel darüber, dass der Ober- und Unterboden abgetragen wird, bevor eine Fläche aufgefüllt wird. «Bei der Rekultivierung kommt dies wieder oben drauf, damit die Landwirtschaftsf läche wieder kultivierbar ist.» Wobei dies in den ersten fünf Jahren nur eingeschränkt möglich sei. «Grünland ist möglich, düngen oder ackern nicht», sagt Leu. Nach fünf Jahren folge eine Schlusskontrolle und nachher sei die Fläche wieder wie jede andere.
112 000 Fuhren
Aber die Deponie hinterlässt die Fläche nicht nur so, wie sie war, einfach überall einige Meter höher. Es sei Pflicht, 15 Prozent ökologische Ausgleichsfläche zu schaffen. Bäche werden beispielsweise offengelegt, naturnahe Flächen angepflanzt. Dennoch weiss Leu, dass eine solche Deponie auch Emissionen verursache. 112 000 Lastwagenfuhren kommen über die gesamte Betriebsdauer zusammen. Die offenen Flächen sorgen dafür, dass bei Starkregen weniger Wasser absorbiert wird. «Dafür haben wir ein Absetzbecken gemacht, wo die Feinanteile sich setzen können, damit dieses Wasser nicht direkt ins Netz eingeleitet wird.» Und auch gegen Neophyten, die in naturnahen Gebieten wachsen, kämpft die Deponie Freiamt AG an.
«Mehr als das Kippen von Dreck», so fasst es Pius Wiss zusammen. Viel mehr, das zeigte der Besuch eindeutig. Und die Aussicht in die Innerschweizer Berge kommt als Pluspunkt hinzu.