Annemarie Keusch, Redaktorin.
Das Südtirol ist wunderbar. Die Landschaften, das Essen, der Wein, die Seen, die Berge, die Jause, die Gemütlichkeit. Seit einiger Zeit zieht es mich immer wieder dorthin. Nur schon die Fahrt ist ein ...
Annemarie Keusch, Redaktorin.
Das Südtirol ist wunderbar. Die Landschaften, das Essen, der Wein, die Seen, die Berge, die Jause, die Gemütlichkeit. Seit einiger Zeit zieht es mich immer wieder dorthin. Nur schon die Fahrt ist ein Traum, quer durch den Nationalpark. Hier Beifahrerin zu sein, ist von Vorteil. Sonst würde es wohl schnell gefährlich werden, wenn die Augen immer wieder an beeindruckenden Details der Bündner Bergwelt hängen bleiben.
Nun sind bereits wieder einige Wochen vergangen, seit der letzten Reise ins Südtirol. Kaltern war das Ziel. Und so viel kann ich verraten: Mit den sich hartnäckig haltenden Vorurteilen, dass der dortige Wein mehr schlecht als recht sei, kann man definitiv aufräumen. Wenn es diese Zeiten einst gegeben haben sollte, dann sind sie mittlerweile vorbei. Kalterer Wein schmeckt. Viel mehr ins Detail kann ich als jemand, der die Weinflasche im Laden anhand der Etikette auswählt, nicht gehen.
Darum geht es hier aber auch nicht, sondern um Schnaps. Digestifs gehören in der Südtiroler Gastronomie-Tradition dazu. Kein Wunder, bei dem währschaften Essen. Wir bestellen zwei Schnäpschen, einen Grappa und einen Apfelbrand. Und auch am Nebentisch sind die Gäste soeben fertig mit Essen und der Kellner fragt nach einem Verdauungsschnaps. Der Mann nickt, bestellt einen Limoncello. Der Blick des Kellners geht vis-à-vis. «Etwas Alkoholfreies», sagt die Frau. Ihr Babybauch verrät den Grund. Der Kellner will die Bestellung schon zur Bar bringen, als sich das Mädchen bemerkbar macht. «Ich will auch einen Schnaps.»
2-jährig ist sie schätzungsweise. Und sie löst eine der Situationen aus, die einem im Nachhinein etwas peinlich ist. Ich bleibe mit dem Gehör – und vermutlich auch mit den Augen – beim Nachbartisch hängen. Der Kellner bringt die drei Gläschen, Vater, Mutter und Tochter stossen an. Während die Erwachsenen nur einen kleinen Schluck trinken, leert die Kleine das Glas. Ich lache. Hoffentlich nur so laut, dass sie es nicht hören. Wobei ich mein Lachen selbst so gut einschätzen kann, dass diese Hoffnung wohl umsonst ist.
Egal, ich konzentriere mich auf meinen Apfelbrand. Doch richtig gelingen will das nicht. Denn das Mädchen am Nebentisch beginnt zu quengeln. Kurze Zeit später stellt die Mutter ihr ihr halb gefülltes «Schnaps»-Glas hin. Sie kippt es. Nur, gelöscht ist ihr Schnaps-Durst immer noch nicht. «Ich will mehr Schnaps», sagt sie immer wieder. Mittlerweile ist es mir nicht mehr peinlich, ihr Gespräch zu verfolgen. Die Blicke verraten, dass viele andere Gäste das auch tun. Die Eltern lächeln verlegen, zahlen und gehen. Und wir trinken unseren Schnaps fertig und lassen es beim einen sein. Genug Schnaps für heute.