Mini-Mus bangt um Zukunft
28.03.2024 MuriEveline Ritter tritt per Ende Juni kürzer – ob ihr Geschäft auch ohne sie weiterläuft, ist ungewiss
Sie hofft weiterhin. Aber gleichzeitig kann sie mittlerweile auch den Gedanken aushalten, dass die Geschichte der Mini-Mus nach über 30 Jahren ...
Eveline Ritter tritt per Ende Juni kürzer – ob ihr Geschäft auch ohne sie weiterläuft, ist ungewiss
Sie hofft weiterhin. Aber gleichzeitig kann sie mittlerweile auch den Gedanken aushalten, dass die Geschichte der Mini-Mus nach über 30 Jahren bald zu Ende ist. Viel Herzblut hat Eveline Ritter in den Laden gesteckt. Nun geht sie in Pension. Die Nachfolge ist noch nicht geregelt.
Annemarie Keusch
«Mittlerweile gehts», sagt Eveline Ritter. Sie steht in ihrem Mini-Mus-Laden, lächelt. Ein längerer Prozess sei es gewesen. Nur schon, bis sie Ende Juni als Datum festlegte. Dann endet ihre Mini-Mus-Geschichte. Das weiss sie mittlerweile seit Längerem. «Wir sind seit zwei Jahren auf der Suche nach einer Nachfolgerin oder einem Nachfolger», sagt Eveline Ritter. Lange Zeit sei das im Hintergrund passiert, im familiären und beruflichen Umfeld, im Bekanntenkreis. «Möglichst ohne dass die Kundschaft davon erfuhr, weil sonst die Gerüchteküche schnell gebrodelt hätte.» Dass sie mit dieser Vorahnung Recht hatten, zeigt sich jetzt. Seit einiger Zeit sucht Ritter ganz offen nach einer Nachfolge. «Mittlerweile kommen einige Leute in den Laden und sind erstaunt, dass er überhaupt noch offen ist.»
Den Schritt an die Öffentlichkeit wagte Ritter trotzdem. Auch weil sie darin mittlerweile eine der letzten Chancen sieht, dass die Geschichte der Mini-Mus mit ihrer Pensionierung nicht endet. «Das würde ich mir natürlich sehr wünschen», sagt sie. Seit 13 Jahren führt sie das Babycenter mit viel Herzblut und Einsatz. Dass sie bald Abschied nimmt vom Laden, ist für sie nicht einfach. «Ich bin in einer Panikphase, weil der Abschied so schnell kommt. Wehmut macht sich breit», sagt sie, spricht aber gleichzeitig auch von einem lachenden Auge. «Ich freue mich auf die Zukunft.»
Von der Kundin zur Besitzerin
Dass diese Zukunft dem Mini-Mus-Babycenter allenfalls verwehrt bleibt, das gibt ihr zu denken. «Ich bin daran, mich mit diesem Szenario zu beschäftigen und langsam aber sicher auch abzufinden. Auch wenn das wehtut.» Sie blickt um sich. Kinderwagen, Spielzeug, Kleider – ganz viele neue Sachen, daneben der Secondhand-Bereich. Dass bald zum letzten Mal Familien und Kinder darin nach den für sie passenden Artikeln suchen, damit mag sie sich noch nicht ganz abfinden. «Die Hoffnung stirbt zuletzt», sagt Ritter und lacht.
Seit über 30 Jahren gibt es die Mini-Mus, 13 Jahre lang führte Ritter den Laden. «Ich wollte damals nochmals etwas Neues wagen. Und nachdem ich viele Jahre Kundin der Mini-Mus war, wagte ich den Schritt.» Ein Entscheid, den sie nie bereute. Den Kontakt mit der Kundschaft, die Kinder aufwachsen sehen, das Beraten – sie habe ihren Alltag geliebt. Eintönig sei es nie gewesen. Bestellungen, Buchhaltung, Werbung, Verkauf, Eveline Ritter macht alles, zusammen mit einer Mitarbeiterin und familiärer Unterstützung.
«Ich bin ein Secondhand-Freak»
Die Mini-Mus hat sich unter Eveline Ritter stark gewandelt. Einerseits ist das Ladenlokal grösser, freundlicher geworden. Seit vielen Jahren ist die Mini-Mus beim Egg-Kreisel und nicht mehr an der Aarauerstrasse zu finden. «Das ging einher damit, dass das Neuwarensortiment stark ausgebaut wurde», sagt Ritter. Denn genug Geld lasse sich mit den Secondhand-Waren nicht verdienen, um den teureren Mietzins zu bezahlen. «Für mich passte die Kombination von Neuem und Gebrauchtem immer bestens. Vor allem, weil sie einzigartig ist.»
Dennoch, ihre grosse Begeisterung gilt der Gebrauchtware. «Ich bin ein Secondhand-Freak», sagt Eveline Ritter. Privat kauft und verkauft sie vieles auf Internetplattformen, stöbert gerne in Brockenhäusern. «Wenn ich Zeit habe, denn dabei kann ich mich schon etwas verlieren.» Dass es viel Zeit raubt, die erhaltene Ware genau zu kontrollieren, anzuschreiben, zu katalogisieren, das ist für sie sekundär. «Ich finde es wichtig und richtig, dass nicht immer alles neu ist, vor allem auch unserer Umwelt zuliebe. Umso mehr Wert legte ich darauf, dass das Secondhand-Sortiment einwandfrei ist. Unsere Kundschaft weiss, dass man sich in unseren Regalen einfach bedienen kann und nicht Angst haben muss, dass Kleider beispielsweise Löcher oder Flecken aufweisen.»
Brach liegendes Potenzial in sozialen Medien
Trotz aller Ideologie, trotz allem Herzblut, immer einfach war es für Eveline Ritter nicht. «Wenn man sich bei der Beratung alle Mühe gibt, zig Varianten eines Produktes präsentiert, man aber genau spürt, dass die Kundschaft sich nur beraten lassen will und nachher möglichst günstig im Internet kauft, dann ist das schon auch mal frustrierend», gesteht sie. Die Beratung, das Persönliche, es sei das, was die Mini-Mus ausmache. «Ein kleines Beispiel? Wir verkaufen keinen Kindersitz, bevor wir ihn im Auto eingebaut haben und sicher sind, dass er auch passt.»
Eveline Ritter weiss, dass Konkurrenz nicht nur bei den Onlinehändlern, sondern auch in den sozialen Medien lauert. «Viele Eltern organisieren sich dort, geben die Kleider ihrer schnell wachsenden Babys weiter. Grundsätzlich ist das auch toll.» Sie sagts ohne Groll, ohne schlechte Hintergedanken, dafür mit einem Lächeln. «Ich weiss, dass es viel brach liegendes Potenzial gibt und dass auch ich die sozialen Medien nutzen könnte. Aber dafür habe ich schlicht die Energie nicht mehr.» Einen Onlineshop betreut sie. Sollte der Laden geschlossen werden Ende Juni wird er weitergeführt, bis das Lager ganz abgebaut ist.
Erhofft sich besseren Schlaf
Noch lebt die Hoffnung, jemanden zu finden, der Freude an der Vielfalt, Freude am Kundenkontakt hat und gefasst ist auf viel Arbeit. Jemanden, der das Leben der Mini-Mus verlängert. Ritter ist überzeugt: «Es hat Platz für einen solchen Laden in Muri. Neuwaren, kombiniert mit Secondhand, das gibt es weitherum nicht, aber auch die klassischen Babycenter wurden in den letzten Jahren weniger. Der Umkreis, aus dem Kundinnen und Kunden zu uns kommen, wird laufend grösser.» Wegen einzelner Artikel, etwa Kinderwagen, von denen sie viele in der Ausstellung hat, komme es gar vor, dass Kundschaft aus dem Thurgau nach Muri fahre.
Erloschen ist das Feuer für die Mini-Mus bei Eveline Ritter nicht. Trotzdem ist Ende Juni definitiv Schluss. «Mein Mann ist schon länger frühpensioniert. Wir sahen uns in den letzten Jahren mit verschiedenen gesundheitlichen Problemen konfrontiert, mir steht eine Rückenoperation bevor. Und wir haben noch andere Pläne.» Gemeinsame, auch längere Reisen mit dem Camper. «Und vielleicht besserer Schlaf. Als Selbstständige ist man im Kopf immer irgendwie am Arbeiten.»
Weitere Informationen unter: www.mini-mus.ch.