Mit Fussballerinnen von 1970
13.05.2025 Region OberfreiamtNeue, moderne Dorfchronik
«Sinser Dorfgeschichte(n)» heisst das Werk. Zwei Jahre haben Historikerinnen und Historiker daran gearbeitet und die Geschichte des Dorfes von 1941 bis jetzt beleuchtet. Dabei haben sie 16 Personen aus dem Dorf interviewt – vom ...
Neue, moderne Dorfchronik
«Sinser Dorfgeschichte(n)» heisst das Werk. Zwei Jahre haben Historikerinnen und Historiker daran gearbeitet und die Geschichte des Dorfes von 1941 bis jetzt beleuchtet. Dabei haben sie 16 Personen aus dem Dorf interviewt – vom 25-Jährigen bis zur 94-Jährigen. Entstanden sind ein Buch mit über 200 Seiten und eine Homepage, die ins Bilderarchiv so mancher Familie blicken lässt. Und diese soll als interaktive Möglichkeit bleiben, Geschichte weiterzuschreiben. --ake
«Sinser Dorfgeschichte(n)» lassen die jüngste Geschichte der Gemeinde aufleben
Von 1941 bis heute. Also seit Sins nicht mehr Meienberg heisst. Und seit die Lonza im Dorf die Industrialisierung vorantrieb. 16 Menschen aus dem Dorf erinnern sich, beantworten Fragen. Entstanden ist eine bunte, moderne Dorfchronik und eine interaktive Homepage, die zum Mitmachen anregen soll.
Annemarie Keusch
Die Geschichte. Nur eine, dafür die richtige. «Das gibt es nicht», sagt Giulia Schiess. Sie ist Historikerin, leitet mit Jürg Stadelmann das Büro für Geschichte, Kultur und Zeitgeschehen in Luzern. Die beiden stehen massgeblich hinter dem, was an diesem Abend im Kulturbau Küngsmatt gefeiert wird. Das neue Buch «Sinser Dorfgeschichte(n)». «Geschichte lebt von Anekdoten, von Alltäglichem und sie wird erlebbar, wenn man den Leuten vor Ort zuhört, sie fragt, was sie erlebt haben», führt Schiess aus. Genau das habe man gemacht.
Natürlich waren sie auch in den Archiven, haben geschichtliche Fakten miteinbezogen. Aber eben nicht nur. 16 Gespräche mit Sinserinnen und Sinsern sind am Ursprung des Buchprojekts. 24 Stunden Gesprächsaufnahmen. Vom 25-Jährigen bis zur heute 95-Jährigen – ihr Sins, ihr Blick aufs Dorf, ihre Erlebnisse, ihre Erinnerungen kommen zum Tragen, machen das Buch und damit die Geschichte lebendig. Oder machen aus Sins das, was die Kinder am Anfang der Vernissage besingen: Heimat. «Mis Härz ghört dahi», heisst es in Trauffers «Heiterefahne».
Die Idee, die das Projekt überhaupt erst ins Rollen brachte, kam aus der Kultur- und Marketingkommission der Gemeinde, von Gemeindeschreiber Marcel Villiger. Vor allem weil die aktuellste Dorfchronik in den 1950er-Jahren endet und wohl in vielen Kellern oder Bücherregalen verstaubt, aber nicht mehr oft gelesen wird. Und weil Sins sich in den letzten Jahrzehnten massiv verändert hat. Die Umfahrung ist eines der jüngeren Beispiele, der Zuzug der Lonza oder die Änderung des Dorfnamens von Meienberg zu Sins, sind ältere.
Viel Publikum an der Vernissage
Historiker Jürg Stadelmann ist mit Sins verbunden, ging einst mit Gemeindeammann Sepp Huwiler zur Schule. Sein Büro nahm sich des Projekts an. Entstanden ist ein über 200 Seiten starkes Buch mit vielen Geschichten, Erinnerungen und Bildern. Und entstanden ist eine interaktive Homepage, wo Bilder hochgeladen, kommentiert und eingeordnet werden können. «Von nun an seid ihr alle Online-Redakteure und könnt mitgestalten», appellierte Moderator und Gemeinderat Pius Vogel am Schluss der Vernissage an die vielen Interessierten – Sitzplätze fanden im neuen Kulturbau Küngsmatt längst nicht alle.
Von einer One-Man-Show will Jürg Stadelmann dabei nicht sprechen. Giulia Schiess war genauso involviert, auch weitere Fachleute in den Bereichen Grafik, IT, Filmdesign und Historie. Zwei Jahre haben sie an den nun fertigen Produkten gearbeitet. Stadelmann spricht von einer Annäherung. Etwa mit Tatsachen, dass die Sinser das AG-Schild auf dem Auto haben, aber sich als Innerschweizer fühlen. Dass disqualifiziert sei, wer Sins und nicht «Seis» sagt. Oder dass sich die Aettenschwiler und Reussegger gar nicht wirklich als Sinser fühlen.
75 Fragen, zehn Themenbereiche
80 Seiten, «eine Broschur» sei anfangs angedacht und auch offeriert gewesen. Ohne Bilder. Entstanden ist viel mehr. «Etwas, was Jahrzehnte lang in den Regalen steht», sagt Giulia Schiess. Aber noch mehr. Weil die Homepage laufend wächst. Weil immer mehr Bilder dazukommen sollen. «So lohnt sich ein Blick immer wieder.» Die Themenvielfalt im Buch und auf der Website ist riesig. «Wir mussten uns beschränken», sagt Giulia Schiess. Entschieden hat man sich für 75 Fragen, auf die das Buch Antwort gibt. Diese kreisen um zehn Fokusthemen, auf die man sich konzentrierte – von Industrie, über Gesundheit und Alter, bis zu Glaube und Religion. «Gerade Letzteres ist auch vor der Tatsache spannend, dass 1941 noch 97 Prozent der Bevölkerung Katholiken waren. Heute ist es nicht einmal mehr die Hälfte», sagt Jürg Stadelmann. Handwerk und Fleiss vereint, so beschreibt er den Beruf des Historikers. Und so beschreibt er auch das Projekt. Die Videos der 16 Interviews zu schneiden und nach Themen zu ordnen, sei eine «Höllenbüez» gewesen. Auch das Digitalisieren von ganzen Familienalben habe Zeit gebraucht. Und natürlich das Verarbeiten der rund 24 Stunden Video-Material.
Viel Neues erfahren
Ein Beirat mit verschiedenen Persönlichkeiten aus dem Dorf hat das Projekt begleitet. Dazu gehörte auch Alex Heeb. Er bezeichnet die Arbeit an der jüngsten Dorfgeschichte als bestens organisiert, inspirierend, professionell und angenehm. «Wir haben alle viel gelernt und Neues erfahren über das Dorf.» Das Resultat sei fesselnd und wecke das Interesse, mehr zu erfahren. Und mehr konnte er gleich selbst liefern. Zu einem Foto einer Frauenmannschaft am Grümpelturnier von 1970. Vier der damals jungen Frauen sind an diesem Abend an der Vernissage dabei.
Voll des Lobes ist auch Ammann Josef Huwiler. «Davon kann unser Dorf leben.» Seine Erkenntnis: «Wir sind alle Geschichte. Wir haben alle etwas zu erzählen.» Beim Lesen seien all diese Geschichten lebendig geworden.
Weitere Informationen unter: www.dorfgeschichten.sins.ch