Mit kritischem Blick
12.09.2025 Muri, KunstUrs Walter präsentiert in der Villa Wild seine «andere Seite» – Vernissage am 19. September
Als Pianist ist er bekannt. Aber Urs Walter ist mehr, hegt genauso viel Herzblut für die Malerei. In Muri gewährt er einen tiefen Einblick in sein ...
Urs Walter präsentiert in der Villa Wild seine «andere Seite» – Vernissage am 19. September
Als Pianist ist er bekannt. Aber Urs Walter ist mehr, hegt genauso viel Herzblut für die Malerei. In Muri gewährt er einen tiefen Einblick in sein Schaffen der letzten 15 Jahre. «Es ist mein kritischer Blick auf die Welt», sagt er. Von Kernkraftwerken über Luxushotels bis zum Kanton Jura.
Annemarie Keusch
Anecken. Auch mal schockieren. Oder ganz neue Wege gehen. Das mag Urs Walter. Und das macht er immer wieder. Ein grosses Gebäude, davor eine Flusslandschaft. «Das kaufe ich sofort», habe jemand zu ihm gesagt. Walter fragte nach, ob er denn wisse, dass dies keine schöne Villa, sondern ein Kernkraftwerk sei. «Sein Gesicht war unbezahlbar.» Kernkraftwerke sind sein neustes Thema. Urs Walter hat sie alle besucht, in Mühleberg, Beznau, Leibstadt und Gösgen. «Seit ich im Aargau wohne, wo mich die Behörden regelmässig mit Jod-Tabletten versorgen und ich einmal pro Woche die Mahnwache der Atomkraftgegner am Brugger Bahnhof erlebe, ist mir die Präsenz und die Problematik der potenziellen Gefahren noch deutlicher vor Augen geführt worden», schreibt er, der in Schaffhausen aufgewachsen ist. Ein Zimmer in der Villa Wild wird Bildern mit Kernkraftwerken gewidmet sein. «Schöne Bilder zu einem gefährlichen Thema zu malen und damit die Betrachter vielleicht auch etwas verunsichern, das reizt mich.»
Und eben, Walter scheut auch vor Neuem nicht zurück. «In einem Gespräch mit jungen Leuten kam ich auf die Idee», sagt er. Er fotografierte ein paar seiner Werke und liess sie von künstlicher Intelligenz interpretieren. Die Resultate sind Teil der Ausstellung. «Der Fussgängerstreifen» zum Beispiel, ein Werk aus der Reihe Jurabilder. Als Jogger hat Urs Walter alle Dörfer des jüngsten Kantons der Schweiz besucht und pro Dorf ein Bild kreiert. Auch jenes des rötlichen Hauses und vom Fussgängerstreifen davor. «Ein Bild, das nicht erzählt, sondern wartet», sagt die Künstliche Intelligenz. «Ich war und bin perplex über die Resultate. KI beschreibt nicht nur, sie ordnet auch philosophisch und kunstgeschichtlich ein», sagt Künstler Urs Walter. Dieses Bild sei wie ein Gedicht über das Verlorengehen einer Funktion. Ein leeres Haus, keine Menschen. KI schreibt von einer «Welt, die sich selbst vergessen hat.» Urs Walter lächelt.
Plattenbauten faszinieren ihn
Aber es gibt auch Fehler. Etwa in einem von Walters DDR-Bildern. «Die Architektur aus dieser Zeit fasziniert mich», sagt er. Die mittlerweile in die Jahre gekommenen Plattenbauten. Auch hier, die Orte, die Walter malt, hat er selbst gesehen. «Ich interpretiere, abstrahiere und male nicht fotografisch», erzählt er. Ob «Zu verkaufen» und eine Telefonnummer wirklich an diesem Plattenbau stand? Die Künstliche Intelligenz hat sowieso etwas anderes daraus gemacht. «Zu verschenken in zehn Jahren», statt «zu verkaufen». «Spannend», sagt Walter. Auch weil KI nicht transparent kommuniziere, wenn sie unsicher ist. «Das ist die grosse Gefahr dieses Mediums.» Kritisch, manchmal subtiler, manchmal weniger. So sind Urs Walters Werke zu verstehen. Auch jene über die Fünf-Sterne-Hotels. Da rückt er auch gerne mal die Steckdosen in den Fokus. Oder das Mobiliar, das überhaupt nicht zur Kunst passt. «Es gefällt mir, die Erwartungshaltung zu unterlaufen», sagt er.
Verbindet seine beiden Welten
Als Pianist ist Urs Walter längst bekannt. Dass er auch ein begnadeter und begeisterter Maler ist, stand dabei Zeit seines Lebens im Hintergrund. Dabei hat er als 16-Jähriger mit dem Malen angefangen. «Es war mir immer ein Bedürfnis», sagt er. Seit seiner Pensionierung kann er der Malerei mehr Zeit widmen. Wobei Pensionierung nicht ganz stimmt, Urs Walter ist nach wie vor ein aktiver Musiker. «Unermüdlich, wie Ueli Strebel hier in der Villa Wild», sagt er und lacht. Die Ausstellung in Muri ist Walters dritte Einzelausstellung. «Eine grosse Sache für mich.»
Zumal er, wie der Titel der Ausstellung besagt, seine andere Seite zeigen will. Nicht nur jene des Pianisten, sondern auch jene des Malers. Natürlich verbindet Walter diese beiden Welten auch. Interpretierte «Die schöne Müllerin», den Liedzyklus von Franz Schubert mit Bildern. «Lange Zeit wurde ich als Musikmaler reduziert. Das störte mich ein wenig», gesteht er. Walter gab zeitweise gar Kurse, in denen es darum ging, Musik gestalterisch zu interpretieren. «Das gefällt mir, keine Frage. Aber ich mache so viel mehr als das.» Diese ganze Vielfalt zeigt er nun in der Villa Wild. Gestern wurden die Bilder angeliefert und der Künstler macht sich nun an den Aufbau der Ausstellung. «Die Zuordnung ist schon gemacht», sagt er. Welches Bild hängt wo? Welcher Raum widmet sich welcher Thematik?
Sebastian Bohren als Stargast
An der Vernissage vom Freitag, 19. September, 18 Uhr, erfährt man mehr. Diese Vernissage wird übrigens hochkarätig begleitet. Komponistin Stephanie Haensler und Musik- und Geschichtswissenschafter Michael Meyer sprechen über und mit Urs Walter. Stargeiger Sebastian Bohren sorgt mit einem Violinen-Duo mit Silvan Dezini für die musikalische Gestaltung. «Ich freue mich riesig», sagt Urs Walter.
Die Ausstellung in der Villa Wild ist vom 19. bis 21. September und 26. bis 28. September, jeweils 14 bis 19 Uhr geöffnet.