Mit Stangensellerie und Estragon
05.03.2024 Kelleramt, UnterlunkhofenMit Olympia-Silber nach Muri
Die Unterlunkhoferin Lena Humbel kocht bald im «Ochsen 1596»
Sie war Teil der Schweizer Kochnationalmannschaft, die kürzlich Silber an der Olympiade gewann. Nun fand die Spitzenköchin in Muri eine ...
Mit Olympia-Silber nach Muri
Die Unterlunkhoferin Lena Humbel kocht bald im «Ochsen 1596»
Sie war Teil der Schweizer Kochnationalmannschaft, die kürzlich Silber an der Olympiade gewann. Nun fand die Spitzenköchin in Muri eine neue Herausforderung.
Annemarie Keusch
Bellevue Palace in Bern, Park Hyatt in Zürich, Seerose in Meisterschwanden, Ziegelhüsi in Stettlen, Rosmarin in Lenzburg. Lena Humbels Stationen lesen sich wie ein Gang durch die erlesensten Schweizer Restaurants. Seit viereinhalb Jahren arbeitet sie bei der Rückversicherungs-Gesellschaft Swiss Re. Sie sagt: «Ich brauche immer wieder neue Herausforderungen. Sobald ich mich im Kreis drehe, beginne ich mich zu langweilen.» Die nächste steht für die Unterlunkhoferin kurz bevor. «Ich fange bald in Muri an zu arbeiten», verrät sie. Im «Ochsen 1596», der Teil des Hotels Caspar ist. Sie freue sich.
Auch wenn das gleichzeitig heisst, dass das Abenteuer Koch-Nationalmannschaft Ende Jahr beendet sein wird. Unregelmässiges Arbeiten und intensives Trainieren mit der Nati, das sei kaum kompatibel. «Ich habe mir unter dem Jahr oft geschworen, dass ich das nie mehr mache.» Heute kann Lena Humbel lachen – mit drei Medaillen auf der Kochinsel zu Hause in Unterlunkhofen.
Aber ein Zuckerschlecken wars trotz der süssen Leckereien nicht. Sie blickt auf intensive Wochen und Monate zurück, erzählt von der riesigen Freude, als die Silber-Medaille Gewissheit war, spricht aber auch über die Vorbereitung, die Zeit und Nerven brauchte und während der sie auch die eine oder andere Träne vergoss. Bis alle überzeugt waren, dass Estragon und Stangensellerie auch in Desserts funktionieren können, dauerte es eine Weile. «Ich mag das Unkonventionelle, probiere gerne aus.» Und das kam an der Olympiade in Stuttgart an.
Die Unterlunkhoferin Lena Humbel war Teil der erfolgreichen Kochnationalmannschaft an der Olympiade
Rang 2. Vizeolympiasieger. Und mittendrin Lena Humbel. Dass sie Köchin werden will, stand für die 28-Jährige immer ausser Frage. Nun schaffte sie es nach ganz oben, in die Kochnationalmannschaft. Was sie vor allem auszeichnet, sind ihre kreativen Ideen. Und ihre Geduld. «Wenn ich etwas will, dann arbeite ich daran, bis es funktioniert.»
Annemarie Keusch
Natürlich läuft einem das Wasser im Mund zusammen. Gleichzeitig steigt die Bewunderung, die Anerkennung. Lena Humbel hört fast nicht mehr auf mit ihrer Aufzählung. Himbeer-Relish, Schokoladen-Biskuit-Roulade, Sauerrahm-Mousse mit Birnen und Estragon-Kern auf Schokoladen-Crunch-Boden, Himbeer-Meringue, Birnen-Tartelette, Estragon-Sorbet. Nein, das ist nicht alles. Nur eine Auswahl. Und nur eine Auswahl der Desserts, die Lena Humbel an der Kocholympiade für das Drei-Gang-Menü für 110 Personen anfertigte.
Weniger aufwendig tönt die Aufzählung der Desserts für den «Chef’s Table» – für zwölf Leute – nicht, auch wenn sie diese mit einer Partnerin kreierte. Stangensellerie-Salat mit Limette, Apfel-Espuma, Windbeutel mit Birnenkompott, eine Kugel auf Knusperboden, innen Amalfi-Zitronen-Kompott, aussen Joghurt-Mousse, mit Honig-Zitronen-Glasur und Honig-Knusper darauf, Haselnuss-Chantilly, Stangensellerie-Sorbet. Damit es noch aufwendiger wird, verwendete Lena Humbel viel Airbrush-Technik. Sie verrät: «Bei einem der Komponenten hat dies erst beim allerletzten Probelauf erstmals wirklich funktioniert.» Davon abgehalten, es am Wettkampftag zu versuchen, hat sie das aber nicht.
Einfache Produkte veredeln
Seit einigen Tagen ist Lena Humbel zurück von der Kocholympiade in Stuttgart. Auf ihrer Kücheninsel liegen drei Medaillen. Obwohl zwei davon golden glänzen und die gesamte Team-Leistung an den beiden Wettkampftagen rühmen, ist ihr die silberne die liebste. Es ist die Medaille, die die Kochnationalmannschaft als Team errang. Rang zwei. «Eine grosse Überraschung», sagt die 28-Jährige. Vor allem nachdem die Jung-Nationalmannschaft das Podest trotz starker Leistung verpasste, schienen die Trauben zu hoch zu hängen. «Entsprechend war die Freude umso grösser», sagt sie. Das Lachen unter der klassischen Kochmütze umso breiter. Und entsprechend prangt an ihrer Wohnungstür in Unterlunkhofen ein grosses Plakat, auf dem ihre Mutter ihr zum grossen Erfolg gratuliert. «Das war eine zweite schöne Überraschung», sagt Lena Humbel und lacht – stolz, aber auch ein wenig verlegen.
Dass sie Köchin werden würde, das war für Lena Humbel von Anfang an klar. «Ich habe schon als kleines Mädchen mit meiner Mutter und meiner Grossmutter gekocht», sagt sie. Auf einem Bauernhof in Unterlunkhofen aufgewachsen, habe sie immer eine sehr grosse Verbindung zu frischen Lebensmitteln gehabt. Noch heute sagt sie: «Aus einfachen Produkten mit meinem Handwerk etwas ganz Spezielles zu fertigen, das ist es, was mich an diesem Beruf fasziniert.» Aus einem einfachen Rüebli eine veredelte Roulade machen, zum Beispiel. Gelernt hat sie ihr Handwerk im «Kellerämterhof» in Oberlunkhofen. «Schon vorher half ich dort während der Schulferien aus.» Dass der Weg sie in die Spitzengastronomie führen würde, davon träumte Humbel immer. «Alleine schon das Anrichten, diese Liebe zum Detail, dieses Genaue. Das gefällt mir.»
Und das lebt sie in ihrem Alltag gerne aus, seit viereinhalb Jahren bei der Rückversicherungs-Gesellschaft Swiss Re. Nun steht der Stellenwechsel bevor, in den «Ochsen 1596» nach Muri. Sie freue sich, obwohl die Arbeitszeiten dann wieder unregelmässig sind. Intensiv sei das letzte Jahr auch mit geregelten Arbeitszeiten gewesen. Zu den fünf viertägigen Trainings kamen viel mehr dazu. «Natürlich war und ist es eine Ehre, Teil dieses Teams zu sein», sagt sie. Dass sie als eher zurückhaltende Person einst dazu gehören würde, das hätte sie nie gedacht. Ihr Chef und einer ihrer Arbeitskollegen holten mit der Nationalmannschaft im Jahr zuvor den WM-Titel. Sie motivierten Lena Humbel, sich doch zu bewerben. Die Bestnoten bei der Chefkoch-Ausbildung kamen hinzu. Kurzum: Lena Humbel überzeugte die Coaches.
Hindernisse sind da, um sie zu überwinden
Dies sollte sie im Verlaufe des Jahres, in dem sich die Kochnationalmannschaft auf die Olympiade vorbereitete, noch mehrmals tun. In der Patisserie wurde sie eingeteilt. «Meine grosse Leidenschaft», sagt sie. Und da galt es zuerst, die Konzepte für die Desserts zu entwickeln. Estragon und Stangensellerie sind dafür keine typischen Zutaten. Für Lena Humbel kein Hindernis. Aber sie stiess damit auch auf Skepsis. Gehindert hat sie das nie, im Gegenteil. «Auch wenn wir als neues Team auch unsere Differenzen hatten, wuchsen wir zusammen, kämpften gemeinsam. Für dieses Team das Beste zu geben, miteinander diesen Erfolg zu feiern, das war riesig», sagt sie. Zudem könne sie auch Auseinandersetzungen durchaus Gutes abgewinnen. «Vor allem wenn ich mich nachher durchsetze.» Und das tat sie. Dass bei der Olympiade vor allem diese unkonventionellen Kreationen gut ankamen, freute die Unterlunkhoferin entsprechend sehr.
Wie sie das geschafft hat? «Geduld ist enorm wichtig.» Und Durchhaltewillen. Humbel sagt: «Wenn ich etwas erreichen will, dann bleibe ich dran, bis es funktioniert.» Das hat sie beim Entwickeln der Dessert-Bestandteile getan. Und das hat sie auch am Wettkampf selber getan. «Es lief nicht alles, wie ich wollte. Etwa war der Rahm für das Haselnuss-Chantilly zu lange auf der Herdplatte und zu stark reduziert. Also musste ich damit nochmals anfangen.» Das alles unter höchstem Zeitdruck und höchstem Leistungsdruck. «Ich schaffte es stets, die Ruhe zu behalten», nennt sie ihr Geheimrezept.
Lust am Kochen ist wieder da
Aber natürlich. In erster Linie steckt Fleiss dahinter. «Ja, ich sass auch hier in der Küche am Boden und habe geweint, weil ich nicht weiterkam», gesteht sie. Und sie hat wohl in dieser intensiven Zeit öfters zu den Instant-Nudeln gegriffen, die nur noch mit heissem Wasser angerührt werden müssen. «Ja. Auch wenn mir sonst das Kochen nie verleidet, blieb in den letzten Monaten manchmal einfach keine Zeit mehr dafür. Und ja, manchmal auch keine Lust.»
Diese Lust am Kochen ist aber längst zurück. Sie freue sich auf die neue Herausforderung in Muri. Vor allem auch, weil sie dort auch die Betreuung der Lernenden übernimmt. «Das mache ich jetzt schon und mit voller Freude.» Zudem freue sie sich nach dem Grossanlass nun auf mehr Freizeit. Poledance und die Guggenmusik Näbelgeischter aus Jonen zählt sie zu ihren Hobbys. Und eine Frage bleibt noch. Was ist das Lieblingsessen einer Spitzenköchin? «Nichts Konkretes. Ich mag asiatisch.»