Mythos Bühlmoos
31.07.2020 SportFussball: Der FC Sarmenstorf gilt als Vorzeigeverein – Wieso?
Keine Bezahlung, riesiger Zusammenhalt, einheimische Spieler: Was viele Fussballvereine wollen, hat der FC Sarmenstorf erreicht. Es ist das Produkt jahrelanger Arbeit.
Stefan Sprenger
Euphorie auf dem Bühlmoos. Der FC Sarmenstorf spielt vor 650 Zuschauern auf dem Bühlmoos den Cup-Halbfinal gegen Mutschellen. Es ist ein Fussballfest. Die leidenschaftlichen Sarmenstorfer verlieren nach aufopferungsvollem Kampf in der Verlängerung. Wenige Wochen später gibt es trotzdem Grund zum Jubeln. Sarmenstorf steigt nach zehn Jahren in die 2. Liga auf. Es folgt ein Feier-Marathon. Das Jahr 2019 geht in die Geschichte ein. Und der sympathische Verein kann seine Früchte ernten.
Ab 2007 vermehrt auf Juniorenförderung gesetzt
Immer wieder wird der FC Sarmenstorf als Vorbild bezeichnet. Zuletzt sagte FC-Muri-Sportchef Yanick Hofer dieser Zeitung: «In gewissen Dingen ist der FC Sarmenstorf ein Vorbild. Sarmenstorf spielt mit lauter Spielern aus der Region, es gibt wenig Wechsel im Team, der Zusammenhalt ist riesig.» Diesen Weg will auch der FC Muri gehen.
Doch: Wie macht dies der FC Sarmenstorf? Der Grund ist in der Vergangenheit zu suchen und kommt nicht von heute auf morgen. Wichtiger Initiant ist der heutige Präsident Tobias Furrer. Er wurde 2007 zum Juniorenobmann. Die Taktik: Irgendwann will man ausschliesslich mit eigenen Junioren im «Eis» spielen. «Damals wurden wir belächelt und es hiess, Sarmenstorf spielt mit dieser Marschrichtung dann eben irgendwann in der 4. Liga.» Konsequent setzt man auf die Juniorenförderung und auf die Ausbildung der eigenen Trainer. Auch vorher schon wurde gut gearbeitet, beispielsweise in den 15 Jahren, als Fredy Stutz Präsident war.
Vereinstreue ist Ehrensache
Ab 2007 aber mit der nötigen Zielstrebigkeit. Heute besteht das «Eis» zu 80 Prozent aus jenen Spielern, die damals gefördert wurden. Alles vereinstreue und einheimische (oder einheimisch gewordene) Kicker. 2014 wurde Furrer vom Juniorenobmann zum Präsidenten. Der Weg des FC Sarmenstorf bleibt bestehen. Heute hat der Verein 200 Junioren. Die Marschrichtung bleibt dieselbe.
Vereinstreue ist auf dem Bühlmoos Ehrensache. «Falls ein Spieler mal sein Glück in einer höheren Liga versuchen will, dann legen wir ihm keine Steine in den Weg und lassen ihn ziehen. Diese Spieler kommen dann mit Erfahrung im Gepäck irgendwann zurück», so der 49-jährige Furrer. Bestes Beispiel ist Goalie Patrick Schmidt, der bis zu seinem Rücktritt vor wenigen Wochen eine absolute Leaderfigur war.
In Sarmenstorf wird keinem Spieler Geld gezahlt. Ein Fakt, der bereits in der 3. Liga unüblich ist. Denn bereits auf jener Amateurstufe kriegen viele Kicker Spesen. «Das finde ich nicht gut», sagt Furrer. Seit 2015 bezahlen die «Eis»-Spieler auch 300 Franken Mitgliederbeitrag. Dieser Wunsch kam von den Spielern selbst. Auch das ist vorbildlich. Denn wieso sollte ein «Eis»-Spieler nichts bezahlen, während die anderen Aktivkicker Mitgliederbeitrag leisten? «Sarmi» macht auch hier die Dinge eben etwas anders als andere Vereine.
Furrer: «Ich bin Captain des Schiffs»
Präsident Tobias Furrer ist natürlich nicht alleine für den Erfolg verantwortlich. Doch er ist das wichtigste Mosaiksteinchen. Der in Schongau aufgewachsene Furrer startete als Junior beim FC Meisterschwanden, wechselte bei den A-Junioren zu Sarmenstorf. Seit bald 20 Jahren wohnt er auch in der Gemeinde und seine beiden Söhne Samuel und Jonas spielen im «Eis». Früher arbeitete er als Bäcker-Konditor in Muri, heute ist er Chemieproduzent bei der EMS in Dottikon. Er sagt: «Ich bin der Captain des FC-Sarmenstorf-Schiffs. Aber ich bin ein Teamplayer. Es braucht einen funktionierenden Vorstand und schliesslich muss jedes Mitglied mitziehen. Es geht nur miteinander.» Sportchef Fabian Baumli bezeichnet den Präsidenten als «Chrampfer». Er repräsentiert die Tugenden des Vereins wie Fleiss, Engagement und Bodenständigkeit bestens. «Ihm liegt der Verein enorm am Herzen. Ihm geht es nie um sein persönliches Ego, sondern stets um das Wohl des FC Sarmenstorf. Die Vereinsloyalität steht bei ihm an erster Stelle», so Baumli weiter.
Auch Winsauer und Schultz schwärmen
Mit Michael Winsauer hat der Verein einen Trainer gefunden, der wie das Bier auf den Deckel passt. Ex-Profi Winsauer schwärmt von den Zuständen auf dem Bühlmoos. Deshalb nahm er dieses Trainer-Engagement auch an. «Die Leute treffen sich gerne auf dem Bühlmoos. Fussball ist bei uns ein Fest. Man trifft sich und hat eine gute Zeit. Vor, während und nach dem Match.» Dass kein Spieler bezahlt wird, ist für den Österreicher, der in Waltenschwil lebt und als Lehrer tätig ist, ein herrlicher Fakt: «Die Spieler sind motiviert, lernwillig und gehen auch ohne jegliche Spesen in jedem Spiel an ihre Grenzen.»
Nach dem Aufstieg in die 2. Liga hat das «Eis» ein Ziel: den Klassenerhalt. Präsident Furrer sagt: «Wir spielen da, wo wir es mit den eigenen Spielern hinschaffen.» Und das ist momentan eben die 2. Liga. Das Team brilliert dabei mit totalem Einsatz. «Ohne Leidenschaft keine Genialität», meint der Präsident Tobias Furrer. «Und das muss jeder vorleben.»
Schultz bezahlt nach 20 Jahren wieder Mitgliederbeitrag
Dass nur eigene «Sarmi»-Junioren in der ersten Mannschaft spielen, stimmt nicht ganz. Beispielsweise die Dubler-Brüder kommen aus Wohlen. Sie sind allerdings schon seit Jahren Teil der «Sarmi»-Familie und werden mittlerweile auch als Einheimische gehandelt. Ebenfalls aus Wohlen kommt Alain Schultz. 16 Jahre lang Profifussballer, darunter die meiste Zeit im Dress des FC Wohlen. Er entschied sich mit 37 Jahren nochmals zu einem Wechsel. Und das nicht nur, weil mit Winsauer ein guter Freund an der Seitenlinie steht. «Die Stimmung im Team ist grandios und der Zusammenhalt unglaublich. Egal ob neben oder auf dem Feld», so Schultz. Er musste übrigens letztmals Mitgliederbeitrag bezahlen, da spielte er noch bei den Junioren des FC Basel. Das ist nun über 20 Jahre her. «Dafür hatten wir bereits beim ersten Training der neuen Saison alles Material erhalten. Das habe ich nur bei GC in der Super League erlebt.»
Doch passt Schultz nach Sarmenstorf? Präsident Furrer meint: «Das haben wir im Vorstand ausgiebig diskutiert. Nach dem Rücktritt von Patrick Schmidt brauchte es eine neue Leaderfigur. Und das ist Alain Schultz. Ein absolutes Vorbild.»
Gemäss dem Präsidenten wird der FC Sarmenstorf die Marschroute auch in Zukunft weitergehen. Mit willigen, einheimischen Spielern, einem emsigen Vorstand und mit denselben Werten, die sie dorthin gebracht haben, wo sie heute stehen. Der FC Sarmenstorf wird oft als Vorbild von anderen Fussballvereinen genannt. Und das ist wohl der grösste Triumph.