Nachfrage bricht nicht ab

  12.07.2022 Muri

Andrea Budmiger ist eine von wenigen freiberuflichen Pflegefachfrauen

Das Angebot der Spitex kennen die meisten. Dass es zusätzlich freiberufliche Pflegefachleute gibt, ist den wenigsten bekannt. «Wir sind keine Konkurrenz, sondern eine Ergänzung», sagt Andrea Budmiger, eine von wenigen Freiberuflichen im Freiamt. Sie ist zudem Mitglied der IG freiberufliche Pflege Aargau Solothurn.

Annemarie Keusch

«Es lohnt sich.» Andrea Budmiger sagt diesen Satz mehrmals. Und sie meint damit nicht das Finanzielle. «Müsste ich alleine meine Familie ernähren, würde es wohl nicht reichen.» Es lohne sich trotzdem, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. «Es macht mir unglaublich viel Freude, so zu arbeiten», sagt sie. Persönlicher sei es, findet sie. «Wir haben nicht die Zeit, um mit allen Klientinnen und Klienten noch einen Kaffee zu trinken, aber wir haben mehr Zeit als andere, weil wir unsere Tour selber planen.» Andrea Budmiger meint es nicht als Argument für die freiberufliche Pflege und gegen die Spitex. «Wir hören oft, dass es die Klientinnen und Klienten schön finden, dass sie immer dieselben Personen besuchen und pflegen. Das ist nun mal so.» Die Bindung sei eine andere, eine tiefere. «Das macht es nicht immer einfacher.»

Aber gross Vergleiche ziehen, das will Andrea Budmiger nicht. Es geht ihr auch nicht darum, bei der älteren Generation Werbung für sich zu machen. «Wir sind alle mehr als gut ausgelastet», sagt sie. Budmiger ist Teil des Teams Lindorna. Sie arbeiten zusammen, helfen einander aus, jede der drei Frauen bildet aber eine separate Einzelfirma. Was Budmiger will, ist anderen Pflegefachleuten Mut machen, den Schritt in die Selbstständigkeit zu wagen. «Die Nachfrage nach guter Pflege und Betreuung ist nach wie vor da. Und sie wird mit der zunehmenden Alterung der Gesellschaft nicht weniger werden.»

Viel Erfahrung dank Spitex

Andrea Budmiger hat selber elf Jahre lang bei der Spitex gearbeitet. «Ich habe mir dabei viel Wissen aneignen können. Dafür bin ich sehr dankbar.» Doch geliebäugelt mit der Selbstständigkeit hat sie schon immer. Vor sechs Jahren wagte sie den Schritt. «Ich habe dies nie auch nur eine Sekunde bereut. Die Arbeit erfüllt mich ungemein.» Budmiger sieht viele Vorteile, gerade als Mutter dreier Kinder. Ihr eigener Chef sein, die Arbeitsplanung selber machen, sich Stunden, Halbtage freihalten zu können und mit der eigenen Visitenkarte zu pflegen und zu betreuen. «Und wir können es uns herausnehmen, grundsätzlich zu den eigenen Arbeitszeiten zu arbeiten.» Das heisst aber nicht, dass sie keine aufwendigen Betreuungen übernehme, wenn es die Kapazität zulässt. Auch Palliative Care gehöre zum Angebot.

Der Grossteil der Klientinnen und Klienten brauche aber Hilfe bei der Körperhygiene oder beim Bereitstellen der Medikamente. «Grundsätzlich ist die Tour am Morgen täglich ausgelastet», sagt Budmiger. Trotz den vielen Freiheiten, nur Vorteile sieht die Murianerin nicht. «Weg- und Bürozeiten können wir niemandem verrechnen, das ist der Unterschied zur öffentlichen Spitex», nennt sie ein Beispiel. Möglichst hohe Effizienz sei darum wichtig. Plus das Angebot der Spitex sei grösser als ihres. «Darum betone ich nochmals: Es ist keine Konkurrenzsituation, sondern eine Ergänzung.» Sie seien auch Krankenkassen-anerkannt und halten sich an die kantonal geltenden Tarife für die ambulante Pflege und Betreuung zu Hause.

Platz für mehr Freiberufliche

Budmiger ist überzeugt: «Es braucht beides.» Zumal der Bedarf an Pflege und Betreuung nicht weniger wird. «Das Spital entlässt Klientinnen und Klienten früher. Und die älteren Leute bleiben länger daheim. Das sind alles Faktoren, die dazu führen, dass uns die Arbeit nicht ausgehen wird.» Entsprechend hofft Budmiger, dass weitere Pflegefachleute den Schritt in die Selbstständigkeit wagen. «Es hat noch Platz im Kanton Aargau», sagt sie. Nach Tipps werden die drei «Lindorna»-Frauen immer wieder gefragt. «Viele getrauen sich nicht, sich alleine selbstständig zu machen», weiss Budmiger. Auch sie ist froh, im Team unterwegs zu sein, auch wenn jede ihre Klientinnen und Klienten betreut und als Einzelfirma tätig ist. «Nur schon mit Stellvertretungen oder kurzfristigen Ausfällen, etwa bei Krankheit der Kinder, ist so vieles einfacher.»

Das Wohl der freiberuflichen Pflegefachleute liegt Andrea Budmiger am Herzen. «Viele wissen nicht einmal, dass es uns gibt. Frei praktizierende Hebammen sind bekannt, Pflegefachleute nicht.» Auch darum ist sie Mitglied der IG freiberuf liche Pf lege Aargau Solothurn, die vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pf legefachmänner gegründet wurde. «Eine gute Sache», findet Budmiger. Die IG sei auch Anlaufstelle für Fragen über die Freiberufliche Tätigkeit in der Pflege. Über 100 Mitglieder aus den Kantonen Aargau und Solothurn gehören ihr an. «Wir tauschen uns über aktuelle Themen aus, über Handhabungen, Pflegedokumentationsprogramme, aber auch über Herausforderungen wie die Pandemie», nennt sie Beispiele. «Auch als freiberufliche Pflegefachfrau ist man nicht alleine.»

Mehr Informationen: www.freiberuflichepflege-agso.ch.


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